Oberschöneweide
Staat: | Deutsches Reich |
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Landkreis: | Treptow-Köpenick |
Einwohner: | 18.517 |
Bevölkerungsdichte: | 3.086 Ew. p. km² |
Fläche: | 6 km² |
Postleitzahl: | 12459 |
Oberschöneweide befindet sich seit 1945 entweder unter Fremdherrschaft oder wird durch die BRD oder BRÖ staatsähnlich verwaltet. | |
Bundesland: | Berlin |
Oberschöneweide ist ein Ortsteil von Berlin im Bezirk Treptow-Köpenick. Niederschöneweide gehörte zu den bedeutendsten Fabrikquartieren Deutschlands. Die Geschichte des Ortsteils ist eng mit der AEG verbunden, die von hier aus Weltgeltung erlangte.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Oberschöneweide befindet sich im nordwestlichen Teil des Bezirks Treptow-Köpenick. Es liegt am rechten Ufer der Spree. Dem Ortsteil gegenüber auf der anderen Spreeseite liegen die Ortsteile Plänterwald, Baumschulenweg, Niederschöneweide und die Ortslage Spindlersfeld des Ortsteils Köpenick (von Norden nach Südosten). Im Osten grenzt Oberschöneweide an Köpenick. Die Ortsteilgrenze verläuft durch die Wuhlheide. Nördlich liegen die Ortsteile Karlshorst und Rummelsburg (Nordwest) des Bezirks Lichtenberg.
Geschichte
Ältere Zeit
Das älteste nachweisbare Gehöft war die ansehnliche Acker-, Vieh- und Gastwirtschaft „Quappenkrug“, benannt nach dem Wirt Quappe. Der Quappenkrug wurde 1682 vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm erworben und dem Domänenamt Köpenick unterstellt. Seit 1717 wurde der Quappenkrug verpachtet. Auf dem Weg zwischen Köpenick und Berlin kehrten hier die Reisenden und Schiffer ein. Parallel zu der in Köpenick aufblühenden Textilerzeugung entstanden, wie auch am Südufer der Spree, zum Ende des 18. Jahrhunderts östlich und westlich des Quappenkrugs Kattunbleichen. Zum Quappenkrug kam um 1800 eine Meierei hinzu, und es bildete sich ein kleines Vorwerk heraus.
1814 erwarb der Oberfinanzrat Reinbeck das inzwischen Forst- und Landgut gewordene Areal. Er ließ das Gebäude schloßähnlich ausbauen und nannte es mit königlichem Einverständnis nach dem Vornamen seiner Frau „Wilhelminenhof“. Aus dem Wilhelminenhof wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein sehr beliebtes Ausflugslokal. In den 1860er-Jahren siedelten sich die Dampf-Waschanstalt „Weißenburg“ und das Gasthaus „Sadowa“ östlich und die Gaststätte „Waldschlößchen“ westlich des Wilhelminenhofs an. Diese Siedlungen bildeten den „Gutsbezirk Etablissements bei Köpenick Anteil“.
Damals herrschte noch die Tendenz zur Ausbildung eines Erholungsgebietes vor. So erhielt 1869 die Ausflugsgaststätte „Sadowa“ einen großen Saal und konnte 1879 bereits zwölf Sommerwohnungen anbieten. Es folgten weiter Restaurants und Gaststätten, wie „Spreeschloß“, „Strandschloß“ und „Tabberts Waldschloß“. Des Weiteren begann der Ausbau der Villenkolonie „Ostend“. 1871 wurden die im Kreis Niederbarnim– also am rechten Spreeufer – gelegenen Etablissements bei Köpenick „Oberschöneweide“ benannt. Der Ortsvorsteher wurde angewiesen, die Bildung der politischen Gemeinde vorzubereiten. Doch mit dem Gründerkrach in den 1870er-Jahren stagnierte die Entwicklung des Ortes und der Gemeinde wieder. Die Villenkolonie blieb auf Grund schlechter Verkehrsanbindungen in den Anfängen stecken. Der 1877 nördlich in der Wuhlheide eingerichtete Bahn-Haltepunkt „Sadowa“ (heute S-Bahnhof Wuhlheide) war zu weit weg. Die Errichtung einer Pferde-Straßenbahnlinie nach Rummelsburg oder Köpenick gelang nicht und eine Brücke über die Spree existierte noch nicht. Erst 1885 gab es eine Flußüberquerung über die Spree mit der vom Kreis Teltow angelegten Kettenfähre.
Jüngere Zeit
Die Entwicklung des Ortes bekam erst wieder 1889 den entscheidenden Impuls, als das private Konsortium der „Grundrentengesellschaft AG in Berlin“ den Wilhelminenhof und umliegendes Land kaufte. Die Grundrentengesellschaft begann umgehend mit der Parzellierung und dem weiteren Verkauf. Sie beantragte von sich aus die Bildung eines selbstständigen Gemeindebezirks. Die Ortsgemarkung brauchte aber noch einige Jahre. Die Grundrentengesellschaft legte selbst die ersten Straßenzüge mit den typischen Arbeitermietshäusern an. An der Stelle, an der sich heute die Stubenrauchbrücke befindet, errichtete sie noch 1889 eine Holzbrücke über die Spree. Über die Brücke führte auch ein Eisenbahngleis zum Bahnhof Johannisthal-Niederschöneweide und beseitigte die gewerblichen Standortnachteile. Beiderseits des aufgekauften und aufgelösten Wilhelminenhof ließen sich zahlreiche große Industriebetriebe nieder. Die AEG errichtete hier 1890 eine Fabrik für Akkumulatoren, ab 1895 das Elektrizitätswerk „Oberspree“, ab 1896 ein Kabelwerk mit dazugehörigem Kupferwalzwerk, Gummiwerk und Drahtzieherei und ab 1901 das Messingwalzwerk. Außerdem entstanden 1890 die „Deutschen Niles-Werke“ für den Werkzeugmaschinenbau. Die Kettenfähre wurde 1891 durch eine Holzbrücke ersetzt, die wiederum 1908 durch die stählerne Stubenauchbrücke ersetzt wurde. Mit dem Kaisersteg, einer Fußgängerbrücke, entstand 1897 ein zweiter Spreeübergang. Der stetig wachsende Verkehr führte 1903/1904 zur Errichtung des dritten Spreeüberganges, der Treskowbrücke, nach Plänen von Karl Bernhard. Die Grundrentengesellschaft legte noch vor der Jahrhundertwende eine Güterschienentrasse an. Sie durchzog die ganze Wilhelminenhofstraße und verband 17 Fabriken mit den Bahnhöfen Niederschöneweide-Johannisthal (1896 umbenannt) und Rummelsburg.
Es entstand ein industrielles Ballungsgebiet aus 25 Großbetrieben und einer Vielzahl von kleinen Betrieben, Werkstätten und Labors. Ein Drittel der Firmen gehörte zur Elektroindustrie. Die nächst stärkeren Zweige waren die Metallindustrie und der Maschinenbau. Das Elektrizitätswerk Oberspree war damals das erste außerhalb Berlins gelegene Großkraftwerk und das erste Drehstromkraftwerk Deutschlands. Das Elektrizitätswerk wurde zum Vorreiter der Stromerzeugung, denn zum ersten Mal wurde Strom über Land geliefert.
Während des Ersten Weltkrieges verwandelte sich Oberschöneweide in ein hochrangiges Zentrum der Kriegswirtschaft.
Die AEG verpflichtete die bekanntesten Architekten der Zeit sowie Spezialisten des Industriebaus, um ihre Fabrikanlagen zu entwerfen. In der Zeit von 1890 bis 1920 entstand so in Oberschöneweide ein einzigartiges Gebäudeensemble von Geschossfabriken, ausgedehnten Produktionshallen und Verwaltungsbauten. In unmittelbarer Nähe der Werke – nur durch eine Straße getrennt – entstanden zahlreiche viergeschossige Mietshäuser mit Hinterhäusern und Seitenflügeln, die vorrangig von der Arbeiterbevölkerung bewohnt wurden. In den Randzonen entstanden großzügiger angelegte Mietshäuser, die für die besser dotierten Angestellten vorgesehen waren.
Darüber hinaus wurden zahlreiche Kommunalbauten errichtet, wie mehrere große Gemeindeschulen, eine höhere Knaben- und Mädchenschule und ein Realgymnasium. Eine Gasanstalt war seit 1898 vorhanden. 1899 wurde die zweigeschossige Feuerwache eingeweiht. Der AEG-Begründer Emil Rathenau ließ 1902 in der Wuhlheide den Waldfriedhof Oberschöneweide anlegen. Die 1897 installierte Postagentur wurde 1905 von einem Postamt 1. Klaße abgelöst. Ebenfalls 1905 wurde das Abwasserpumpwerk fertig. Die katholische Kirche wurde 1907 und die evangelische Kirche ein Jahr später eingeweiht. Die Versorgung der Industrie und Bevölkerung mit Leitungswasser übernahm zunächst Boxhagen-Rummelsburg und später das 1905 bis 1908 angelegte Wasserwerk. Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt die Gemeinde Elektrizität und den Anschluss an die Kanalisation.
Die Bebauung konzentrierte sich auf das Ortszentrum von Oberschöneweide an der Spree. So blieb das Gelände am westlichen Uferstreifen weitgehend unbebaut. Auch der Uferstreifen im Osten nach Köpenick wurde nur vereinzelt mit Villen und kleineren Fabriken bebaut. Seit Ende des 19. Jahrhunderts kamen hier mehrere Klub- und Bootshäuser von Rudersportvereinen hinzu, wie das von der AEG in Auftrag gegebene Bootshaus „Elektra“.
Die AEG richtete in Oberschöneweide außerdem eine Reihe weiterer wegweisender Einrichtungen betrieblicher Sozialpolitik ein. Darunter waren die Stelle einer Fabrikpflegerin für weibliche Beschäftigte oder die Gründung eine der ersten Fabrikkrippen für Kinder von – im Kabelwerk Oberspree und anderen Schöneweider Betrieben beschäftigten – Arbeiterinnen.
1910 zog das Elisabeth-Kinder-Hospital nach Oberschöneweide in die Karlshorster Straße (heute Treskowallee) und wurde in ‚Königin-Elisabeth-Hospital‘ umbenannt.
Aus dem ehemaligen Ausflugsgebiet war ein wichtiges Industrie- und Arbeiterwohngebiet mit großstädtischen Zügen geworden. Die Randgebiete konnten ihren Charakter als Erholungslandschaft mit der benachbarten Wuhlheide noch längere Zeit bewahren.
Jüngste Zeit
Am 1. Oktober 1920 trat ohne MItwirkung der Gemeinden und ohne Genehmigung des Monarchen das „Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ in Kraft. Laut Gesetz bildeten Oberschöneweide und andere Landgemeinden den ursprünglich 15. Verwaltungsbezirk Treptow von Groß-Berlin.
Im Jahr 1938 wurde in den Bezirken Treptow und Köpenick eine Gebietsreform durchgeführt. Dabei wurden die Ortsteile Oberschöneweide und Wuhlheide aus dem Bezirk Treptow herausgelöst und dem Bezirk Köpenick eingegliedert.
Bei den Angriffen der angloamerikanischen Luftpiraten auf die Reichshauptstadt wurde Oberschöneweide am 21. Juni 1944 und am 6. August 1944 mit einem dichten Bombenteppich belegt. Dabei wurde das Kabelwerk Wilhelminenhof stark zerstört. Ende Februar 1945 wurde Oberschöneweide noch einmal in seiner ganzen Ausdehnung bombardiert. Unter den zehntausenden Todesopfern waren viele ausländische Zwangsarbeiter.
Am 16. April 1945 begann die Schlacht um Berlin, die letzte große Schlacht des Zweiten Weltkrieges in Europa. Bevor die deutschen Truppen abzogen und Oberschöneweide der Roten Armee kampflos überließen, sprengten sie noch den Kaisersteg und die Treskowbrücke. Am 24. April befand sich Oberschöneweide in den Händen der 8. Gardearmee der 1. Weißrussischen Front.
Nach der verwaltungsmäßigen Gliederung von Groß-Berlin durch die alliierten Siegermächte fiel Oberschöneweide mit den anderen Ortsteilen des Bezirks Köpenick unter sowjetische Kontrolle.
Wie überall in den sowjetisch besetzten Gebieten wurden auch in Oberschöneweide zunächst alle nicht zerstörten Produktionsmittel demontiert und in die Sowjetunion gebracht. Es folgte die Enteignung der Industriebetriebe; sie wurden später in Volkseigene Betriebe umgewandelt.
Das Königin-Elisabeth-Krankenhaus diente ab Oktober 1945 den sowjetischen Truppen als Militärkrankenhaus. Das blieb es bis zum vollständigen Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland im Jahr 1994.
In den 1950er-Jahren wurde das Funkhaus Nalepastraße in der gleichnamigen Straße errichtet. Hier wurden zentral vom Rundfunk der DDR sämtliche Hörfunkprogramme der DDR produziert.
Aufgrund der sich verändernden Marktlage nach der Deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 kam es bei vielen Betrieben der DDR zu Massenentlassungen, Schließungen und Privatisierungen. Dies war das Ende des traditionsreichen Industriestandorts.
Am 1. Januar 2001 wurden aufgrund der Verwaltungsreform in Berlin die Bezirke Treptow und Köpenick zum neuen Großbezirk Treptow-Köpenick zusammengelegt. Seitdem liegt Oberschöneweide in diesem neuen Bezirk.
Liste der Persönlichkeiten (Auswahl)
- Wilhelm Weiskopff, letzter Gutsverwalter bis zur Ortsgründung, danach einer der ersten neun Schöffen (Gemeindevertreter) von Oberschöneweide
- Carl Deul, Baumeister und erster Bürgermeister von Oberschöneweide
- Fritz König, Fleischermeister und einer der ersten neun Schöffen von Oberschöneweide
- Paul Nalepa, Färbereibesitzer und einer der ersten neun Schöffen von Oberschöneweide
- Emil Rathenau, AEG-Begründer und einer der ersten neun Schöffen von Oberschöneweide
- Louis Tabbert, Inhaber der Weißbierbrauerei und einer der ersten neun Schöffen von Oberschöneweide (nach ihm wurde um 1900 der Platz Edison- Ecke Wilhelminenhofstraße benannt, 1935 wurde der Platz amtlich aufgehoben)
- Walther Rathenau, deutscher Außenminister