Operation Paperclip

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Operation Paperclip (dt. Unternehmen „Büroklammer“) war der Deckname für die Verbringung der ersten Gruppe von deutschen Wissenschaftlern noch im Sommer 1945 in die USA durch die Geheimdienste OSS und JIOA. Paperclip war die erste ausgeführte Tat der großangelegten Operation Overcast (dt. Unternehmen „Wolkenhimmel“), einer Aktion der US-amerikanischen Besatzer in Deutschland nach 1945, deutsche Hochtechnologieeinrichtungen zu demontieren, deutsche Patente und geistiges Eigentum zu stehlen und in die USA zu verbringen, um diese dort der Industrie zur Verfügung zu stellen. Vorrangig ging es bei diesem Unternehmen jedoch darum, über 500 deutsche Wissenschaftler und deren Assistenten mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten in die USA zu verschleppen, um deren Wissen dort für US-amerikanische Interessen ausbeuten zu können. Voraussetzung hierfür war jedoch die bereits auf der Konferenz von Casablanca im Januar 1943 beschlossene Bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht.

104 deutsche Luft- und Raumfahrtwissenschaftler im Camp Overcast, Fort Bliss, Texas 1946. Ab Dezember 1946 durften ihre Familien einreisen.

Ziele der Operation Overcast

Zu den wirklichen Vorhaben sagte NSDAP-Mitglied Werner Naumann am 23. März 1945 im Hofbräuhaus München:

„Denn was der Feind gegen uns vorhat, ist, um es kurz auszudrücken, die biologische Vernichtung des deutschen Volkes. Man will in diesem Krieg nun endlich den, wie sie sagen, Ruhestörer in Mitteleuropa beseitigen. Man will sie weghaben. Es ist so üblich, daß nach einem Krieg, der, der unterlegen ist, bezahlen muß. Das hat man früher gemacht mit Reparationen, so nannte man das im Jahre 1918. Und dann mußte dafür bezahlt werden mit Gold oder Geld oder Industriewaren. Heute, wenn wir unterliegen würden, liegt der Welt nichts am Gold, denn die Amerikaner haben Gold so viel in Hülle und Fülle, daß sie gar kein Gold mehr haben wollen. Geld ist ja auch nur eine Anweisung auf eine Leistung, also auf Industriewaren. Deutsche Industriewaren will aber niemand haben, denn einmal wollen sie ja die deutschen industriellen Erzeugungsstätten vernichten, und zweitens ist der Krieg ja nicht zuletzt von den jüdischen Gaunern geführt worden, um die deutsche Konkurrenz auf dem englischen und amerikanischen Markt auszuschalten. Das heißt, der Unterlegene in diesem Krieg muß bezahlen, aber nicht durch Gold und nicht durch Industriewaren, sondern man wird von den Unterlegenen, unter denen die Feinde sich Deutschland vorstellen, wird man eine Ware fordern, die heut' in der Welt allgemein gefordert ist. Das ist die Ware menschliche deutsche Arbeitskraft. Das heißt, unsere Spezialarbeiter, unsere Spezialisten, die man nach Sibirien haben will, nach Kiew, nach Rostow, um dort den Sowjets ihre Fabriken aufzubauen. Dasselbe, was wir vor vielen hundert Jahren hatten: der Sklavenhandel im 20. Jahrhundert.“[1]

Der wichtigste Fang jedoch blieb aus, Werner Heisenberg, dessen die Amerikaner unbedingt habhaft werden wollten und laut Geheimakten „mehr wert als zehn Divisionen“ war, verwahrte sich gegen eine Verschleppung. Von 1945 bis 1946 war Heisenberg mit den anderen führenden Forschern des deutschen Uranprojektes in Farm Hall in England interniert. Die Sieger konnten ihm keine „Kriegsverbrechen“ anlasten und eine weitere Internierung nicht begründen. Auch Anwerbeversuchen in dieser Zeit widerstand er, wollte unbedingt in seine deutsche Heimat zurück. Im Nachkriegsdeutschland wurde Heisenberg schon 1946 Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik in Göttingen.

Paperclip Boys und Project Paperclip

Der Deckname „Paperclip“ leitete sich von den in den entsprechenden Akten eingesteckten Büroklammern ab, welche die Seiten mit relevanten Wissenschaftlern kennzeichneten, die in die USA zu überführen waren. Es handelte sich um deutsche Fachleute und Experten aus verschiedenen Wissensgebieten wie Biologen, Raketenwissenschaftler usw. Die Wissenschaftler wurden auch „Paperclip Boys“ genannt. Ursprünglich sollten 100 einreisen, später betrug dieses Kontingent mindestens 127 Personen.

Kern einer Wissenschaftlergruppe war die unter der Führung von Wernher von Braun stehende Gruppe von Raketenexperten der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, die während des Winters 1945/46 in Bad Kissingen im Hotel „Wittelsbacher Hof“ untergebracht war und zu Jahresbeginn 1946 in die USA verbracht wurde.[2] Mit dieser Raketen/Raumfahrt-Wissenschaftlergruppe wurden 15 Tonnen wissenschaftliche Papiere sowie etwa 100 V 2 nach Amerika verschifft. Im März 1946 wurde der Begriff Project Paperclip für die Einbürgerung und Verwaltung der Wissenschaftler und die Fortsetzung der Operation Overcast verwendet. Die Umbenennung war notwendig geworden, weil das Lager der deutschen als Camp Overcast in den Medien bekannt worden war. Die Geheimhaltung war jedoch unmöglich, und im Laufe des Spätsommers 1946 gelangten US-Berichterstatter auf das Gelände und konnten Gespräche mit einzelnen Wissenschaftler führen.

Zwangsrekrutierte Wissenschaftler und Ingenieure (kleiner Auszug)

Im Rahmen der Operation Paperclip

Wernher von Braun (rechts) zusammen mit Walt Disney (links) im Gastland.

Eine Abschrift aus dem US-Nationalarchiv, veröffentlicht als Harry Brunser Report, enthält insgesamt ca. 500 Namen.[3] Auf der ursprünglichen Begehrtenliste (Operation Overcast) der Sieger waren auch Angehörige von Sondereinheiten und Abwehrexperten wie Friedrich Hummel und Werner Hunke aufgeführt.

Nach der Operation Paperclip

Siehe auch

Literatur

  • Franz Kurowski: Alliierte Jagd auf deutsche Wissenschaftler. Das Unternehmen Paperclip, Kristall bei Langen Müller, 1982, ISBN 978-3607000499
  • Tom Bower: Verschwörung Paperclip, List Verlag, 1988, ISBN 978-3471771648
  • Friedrich Georg: Unternehmen Patentraub. Die Geschichte des größten Technologieraubs aller Zeiten, Grabert-Verlag, 2008, ISBN 978-3878472414
  • Rolf Kosiek: England verschleppte deutsche Forscher 1945, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 3, 3. Aufl., Grabert Verlag, Tübingen 2010, S. 696–698
  • John de Nugent: Der große Patentraub, 2012 (Archiv II)
  • Claus Nordbruch: Die größte Plünderungsaktion in der Geschichte: ›Reparationen‹ für die Alliierten, in ders.: Der deutsche Aderlaß – Alliierte Kriegspolitik gegen Deutschland nach 1945, Veröffentlichungen des Instituts für Deutsche Nachkriegsgeschichte, Bd. 28, 3. Aufl., Grabert-Verlag, Tübingen 2012, S. 341–394
  • Franz W. Seidler: Kunst- und Patentraub, in ders.: Deutsche Opfer: Kriegs- und Nachkriegsverbrechen alliierter Täter, Pour le Mérite Verlag, 2013, S. 290–296
  • ExpressZeitung: 100 Jahre Krieg gegen Deutschland (Teil 2): Unter dem Joch der »Befreiung«, Ausgabe 29 (November 2019), Heftvorstellung und Bezugsnachweis

Verweise

Fußnoten

  1. Kapitulieren, niemals! Rede des NSDAP-Mitglieds Werner Naumann am 23. März 1945 im Hofbräuhaus München (PDF-Datei)
  2. Aussage eines damals in Bad Kissingen tätigen Meteorologen, der täglich im Hotel „Wittelsbacher Hof“ zu Mittag aß und v. Braun dort im Winter 1945 erkannte. – In einer Quelle heißt es darüber: „Schließlich wohnten im Wittelsbacher Hof in Bad Kissingen 120 deutsche Spezialisten, zum Teil mit ihren Familien. US-Posten bewachten das Hotel von allen Seiten. Dennoch gelang es zwei französischen Nachrichten-Offizieren, in den Wittelsbacher Hof einzudringen und, von Zimmer zu Zimmer gehend, mit den Forschern zu diskutieren. Sie versprachen Ihnen goldene Berge, falls sie nach Frankreich kommen würden. Als die Amerikaner dagegen einschritten, war es bereits zu spät. Einige Wissenschaftler hatten sich überzeugen lassen und waren mit den Franzosen gegangen.“ (Franz Kurowski: Alliierte Jagd auf deutsche Wissenschaftler, Kristall, München 1982, Seite 115)
  3. Harry Brunser Report