Reichsnährstand
Der Reichsnährstand (RNS, auch RNST bzw. RNSt) war eine aufgrund des Gesetzes über die Zuständigkeit des Reiches für die Regelung des ständischen Aufbaus der Landwirtschaft vom 15. Juli 1933 und des Gesetzes über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 13. September 1933 geschaffene Einheitsorganisation, die anstelle der früheren Zersplitterung der verschiedener Interessensgruppen und Vereinigungen trat.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Er war eine Selbstverwaltungskörperschaft öffentlichen Rechtes, deren Vertretungsbefugnis die deutsche Bauernschaft, die deutsche Landwirtschaft, die landwirtschaftlichen Genossenschaften, der Landhandel und die Be- und Verarbeiter landwirtschaftlicher Erzeugnisse unterstanden. Der Reichsnährstand war sowohl berufsständische Organisation als auch staatliches Organ. Auch der Reichsbauernführer Richard Walther Darré war zugleich Reichs- und preußischer Minister für Ernährung und Landwirtschaft.
Aufgabe
Völkische und wirtschaftliche Sicherung des Bauerntums, von Einfuhr geregelte und unabhängige Erzeugung, Schaffung von volkswirtschaftlich gerechten Preisen für Erzeuger und Verbraucher. Für die Bevölkerung bedeutete dies eine Verteuerung landwirtschaftlicher Produkte, die jedoch kaum Anlaß für Beschwerden war, da der neue Staat eine umfassende zuvorkommende Sozial- und Arbeitsmarktpolitik betrieb, die die Verteuerungen auf diesem Gebiet geschickt abfangen konnte.
Der RNS machte es sich außerdem zur Aufgabe, eine möglichst vollständige agrarische Autarkie zu erreichen. Diese konnte auf vielen Gebieten erreicht werden. Dort, wo es nicht gelang, wurde die Produktion jedoch so stark gesteigert, daß die Importquoten drastisch gesenkt werden konnten.
Der Selbstversorgungsanteil des deutschen Volkes (Autarkie, Nahrungsfreiheit) konnte von 68 (1928) auf 83 Prozent (1938) gesteigert werden. Ideologische Grundlage war das nationalsozialistische Weltbild, demzufolge ein rassisch gesundes, der heimischen Scholle verbundenes Bauerntum einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung des Rassekerns bildete und die Ernährungsgrundlage des Volkes sicherte.
Dem RNS gehörten 1939 14 Millionen Mitglieder an. 1945 stellte der Reichsnährstand seine Arbeit ein, 1949 wurde er per Gesetz für aufgelöst erklärt. Seit diesem Tage sind die Bauern wieder auf die Preise der großen Terminwarenbörsen angewiesen, die leider oftmals nicht zu ihrem Nutzen den Preis für landwirtschaftliche Güter bestimmen.
Hanf
Ab 1933 förderte der RNS zudem auch den Hanfanbau. Von 1933 bis 1940 vergrößerte sich die Hanfanbaufläche um den Faktor hundert auf rund 21.000 Hektar, wodurch lediglich 20 Prozent des Bedarfes abgedeckt wurden. In den Mooren Norddeutschlands wurden neue Pflanzungen angelegt. Überwiegend wurden die Sorten „Dr. Schurigs Hanf“ und „Kuhnowscher Hanf“ aus italienischer Herkunft angebaut. Die Züchtung einer besonders harzreichen indischen Hanfsorte gelang in Oberbayern bei Rosenheim. Italienische Hanfsorten wurden auch in Baden und im Elsaß angebaut.[1]
- „Wer Hanf heut baut mit fleiss’ger Hand, hilft selbst sich und dem Vaterland.“ — Viktor Baur, Die lustige Hanffibel, Reichsnährstand, Berlin 1943
Fachliche Gliederung
- Stabsamt des Reichsbauernführers
- Verwaltungsamt des Reichsbauernführers, es gliederte sich in fünf Hauptabteilungen:
- Reichsverwaltungshauptabteilung zuständig für Angelegenheiten der Inneren Verwaltung und Organisation, Personalangelegenheiten, Finanz- und Vermögensverwaltung
- Reichshauptabteilung Presse, Aufklärung, Propaganda
- Reichshauptabteilung I „Der Mensch“ war zuständig für Betreuung der in der Landwirtschaft tätigen Menschen
- Reichshauptabteilung II „Der Hof“ war zuständig für Betreuung des Hofes als Betriebsstätte, Erzeugungsschlacht
- Reichshauptabteilung III „Der Markt“ war zuständig für Betreuung des Marktes, Marktordnung, -förderung, Landhandel, Waren- und Kreditwesen, landwirtschaftliche Genossenschaften
Die Leitung lag bis 1943 bei Reichsbauernführer Richard Walther Darré (Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft) und Reichsobmann Gustav Behrens. Der Reichsbauernrat war Beirat.
Der Reichsnährstand war bis ins kleinste Dorf ausgearbeitet. Von oben bis nach unten war er gegliedert in 20 Landbauernschaften, unter ihnen wiederum die Kreisbauernschaften und unter diesen die Ortsbauernschaften.
Jede Landbauernschaft unterstand einem Landesbauernführer als dem von dem Reichsbauernführer für das Gebiet der Landesbauernschaft beauftragten Vertreter und Führer. Die Verwaltung der Landesbauernschaften war ähnlich der in der Reichsspitze für das Verwaltungsamt getroffenen Regelung eingerichtet: Der Landesbauernführer hatte die Führungsaufgabe in seinem Bezirk; die Verwaltungsangelegenheiten im Bereich der Landesbauernschaft wurden von einem Verwaltungsamt bearbeitet.
Das Verwaltungsamt der Landesbauernschaft unterstand einem Landesobmann, dem die Landeshauptabteilung, die analog den Reichshauptabteilungen gegliedert waren, unterstanden, während er selbst dem Landesbauernführer untergeordnet war. Ferner bestanden bei den Landesbauernschaften:
- der Landesbauernrat
- der Landesbauerntag
Die Einrichtung der Kreisbauernschaften entsprach in ihrem Kern ganz der der Landesbauernschaften: Unter dem Kreisbauernführer stand der Kreisobmann. An der Spitze der Ortsbauernschaft stand der Ortsbauernführer. Mit ihm hatte der einzelne Bauer im Dorf in allen Angelegenheiten seines Standes zu tun. Der Ortsbauernführer wachte über die Durchführung der Gesetze, er wachte aber auch über die Ehrbarkeit des einzelnen Bauern; er half und beriet ihn bei der Erfüllung seiner Pflichten; er sorgte dafür, daß der deutsche Bauer auch die weltanschaulichen Grundlagen des Staates und seines Bauernrechtes verstand.[2]
Zentralblätter des Reichsnährstandes
- Nationalsozialistische Landpost
- Mitteilungen für die Landwirtschaft
- Die Deutsche Landfrau
- Recht des Reichsnährstandes
- Verkündungsblatt des Reichsnähstandes
- Der Deutsche Weinbau
- Die Deutsche Fischwirtschaft
- Der Deutsche Forstwirt
- Allgemeine Viehhandels-Zeitung
- Tierzucht und Pflege
- Gutshandwerker-Zeitung
Ritterkreuzverleihung
Am 1. Oktober 1944, dem Erntedanktag, verlieh Reichsminister Dr. Joseph Goebbels auf Vorschlag von Reichsbauernführer Herbert Backe und im Auftrag des Führers bei einer Feierstunde des deutschen Landvolkes acht verdienten Männern des deutschen Bauerntums das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes. Die Ausgezeichneten waren:
- Vorsitzender des deutschen Kartoffelwirtschaftsverbandes Kurt Hecht
- Landesbauernführer in Kärnten Reinhold Huber
- Landesbauernführer im Wartheland Hans Joachim Kohnert
- Vorsitzender des deutschen Viehwirtschaftsverbandes Dr. Walter Pflaumbaum
- Reichsobmann im Reichsnährstand Gustav Behrens (ab 0.57 min. groß im Bild)
- Landesbauernführer in Pommern Wilhelm Bloedorn
- Hauptabteilungsleiter des Reichsnährstandes Dr. Albrecht Brunnenbaum.
Filmbeiträge
Die Deutsche Wochenschau (735/42/1944), Verleihung des Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes durch Joseph Goebbels aus Anlaß des Erntedanktages:
Siehe auch
Literatur
- Richard Walther Darré: Das Bauerntum als Lebensquell der Nordischen Rasse, München 1928
- Johann von Leers: Die landwirtschaftliche Marktordnung 1933–1945, in: „Der Weg“, Jg. 1953, Heft 3/4