Reichstag (Weimarer Republik)
Der Deutsche Reichstag der Weimarer Republik (1919 bis 1933) war das Parlament und damit eines der obersten Reichsorgane. Er übernahm diese Tätigkeit von der Weimarer Nationalversammlung, die bis 1920 als Parlament gedient hatte. Die Nationalversammlung verlegte ihren Sitz am 30. September 1919 endgültig nach Berlin. Während des Lüttwitz-Kapp-Aufstandes wich sie kurzzeitig nach Stuttgart aus und tagte dort am 18. März 1920. Die Nationalversammlung löste sich am 21. Mai 1920 auf. Nach der Reichstagswahl am 6. Juni 1920 trat der 1. Reichstag an die Stelle der Nationalversammlung. Der Reichstag tagte im Berliner Reichstagsgebäude und wurde nach einem Verhältniswahlrecht gewählt. Pro 60.000 Stimmen erhielt eine Partei einen Sitz.
Inhaltsverzeichnis
Zuständigkeiten
Der Deutsche Reichstag war zuständig für:
- Rechtsetzung
- Beschluß der Haushaltsgesetze (Art. 85 WRV)
- Aufnahme außerordentlicher Kredite (Art. 87 WRV)
- Behandlung von Petitionen (Art. 126 WRV).
- Der Reichstag erklärte den Krieg und schloß Frieden (Art. 45 II WRV). Bündnisse und Verträge mit fremden Staaten bedurften der Zustimmung, wenn sie sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung bezogen (Art. 45 III WRV).
- Die Verkündung eines Gesetzes konnte um zwei Monate ausgesetzt werden, wenn es ein Drittel des Reichstags verlangte. Im Gegenzug konnte es die Mehrheit für dringlich erklären, so daß der Reichspräsident ungeachtet des Aussetzungsverlangens das Gesetz verkünden konnte (Art. 72 WRV).
- Der Reichstag hatte das Selbstverwaltungsrecht.
- Der Reichstag konnte Interpellationen und kleine Anfragen und schriftliche Auskünfte an die Reichsregierungen richten (§§ 55–62, 67 Geschäftsordnung).
- Der Reichstag und seine Ausschüsse konnten die Anwesenheit eines jeden Kabinettsmitglieds verlangen (Art. 33 WRV).
- Der Finanzminister mußte gegenüber dem Reichstag Rechenschaft ablegen über die Verwendung der Reichseinnahmen (Art. 86 WRV).
- Der Reichstag konnte den Rücktritt der Regierung durch ein Mißtrauensvotum erzwingen (Art. 54 WRV).
- Reichskanzler und -präsident konnten angeklagt werden (Art. 59 WRV).
- Der Reichstag überwachte den Reichspräsidenten (Art. 25 I WRV), der Reichspräsident konnte auf Antrag des Reichstags durch Volksabstimmung abgesetzt werden (Art. 43 II WRV).
- Er konnte Maßnahmen des Belagerungszustands außer Kraft setzen (Art. 48 III, IV).
- Es konnten Untersuchungsausschüsse eingerichtet werden (Art. 35 I WRV).
- Es wurde ein ständiger Überwachungsausschuß gebildet, der die Rechte der Volksvertretung außerhalb der Tagung, nach Beendigung des Session oder Auflösung des Reichstags wahrnahm (Art. 35 II WRV).
- Es gab einen ständigen, nicht öffentlichen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses (Art. 35 III WRV; § 34 I Geschäftsordnung)
- Wahlprüfungsgerichte wurden beim Reichstag gebildet (Art. 31 WRV).
Anzahl und Verteilung
Mitglieder des Reichstages waren:[1]
Deutschland von 1920 bis 1933: die Weimarer Republik |
Wahljahr | Prozentsatz Frauen |
Anzahl Frauen |
Prozentsatz Männer |
Anzahl Männer |
Gesamtzahl |
---|---|---|---|---|---|---|
1. Reichstag der Weimarer Republik | 1920 | 8,0 | 37 | 92,0 | 426 | 463 |
2. Reichstag der Weimarer Republik | 1924 | 5,7 | 27 | 94,3 | 445 | 472 |
3. Reichstag der Weimarer Republik | 1924 | 6,7 | 33 | 93,3 | 460 | 493 |
4. Reichstag der Weimarer Republik | 1928 | 6,7 | [2] | 3393,3 | 457 | 490 |
5. Reichstag der Weimarer Republik | 1930 | 6,8 | [2] | 3993,2 | 538 | 577 |
6. Reichstag der Weimarer Republik | 1932 | 5,6 | 34 | 94,4 | 574 | 608 |
7. Reichstag der Weimarer Republik | 1932 | 6,0 | 35 | 94,0 | 547 | 582 |
8. Reichstag der Weimarer Republik | 1933 | 3,8 | 21 | 96,2 | 537 | 558 |
Reichstagspräsidenten
Präsidenten des Deutschen Reichstages waren:
- 1920–1924: Paul Löbe (SPD)
- 1924–1925: Max Wallraf (DNVP)
- 1925–1932: Paul Löbe (SPD)
- 1932–1945: Hermann Göring (NSDAP)
Die Präsidenten und ihre Stellvertreter wurden von den Abgeordneten am Beginn der Legislaturperiode gewählt. Zum Präsidenten wählte man nach parlamentarischem Brauch in Deutschland in der Regel einen Vertreter der stärksten Fraktion.