Sagebiel, Ernst
Ernst Emil Leopold Friedrich Sagebiel ( 2. Oktober 1892 in Braunschweig; 5. März 1970 in Starnberg) war ein deutscher Architekt und Wehrmachtsbeamter. Das Deutsche Reich betraute ihn in den 1930er Jahren mit dem Entwurf und der Errichtung repräsentativer Großbauten. Wichtige Zeugnisse seines Schaffens sind unter anderem das Reichsluftfahrtministerium und der Flughafen Berlin-Tempelhof. Ernst Sagebiel hat das Erscheinungsbild der nationalsozialistischen Architektur neben Paul Ludwig Troost, Albert Speer und Wilhelm Kreis wesentlich mitgeprägt.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Ernst Sagebiel wurde als eines von sieben Kindern eines Bildhauers geboren (darunter die drei Schwestern Elly, Mathilde und Hertha). Er begann nach seiner Reifeprüfung an der Johann-Albrecht-Oberrealschule am 7. März 1912 ein Architekturstudium an der Herzoglichen Technischen Hochschule zu Braunschweig (ab Oktober 1912). Schon im Juni 1914 beantragte er seine Zulassung zur Vordiplomprüfung. Gleich zu Beginn des Großen Krieges meldete er sich wie seine beiden älteren Brüdern freiwillig zum Kriegsdienst, am 14. September 1914 wurde er sodann eingezogen. Nur 18 Tage später, an seinem 22. Geburtstag, fiel sein geliebter ältester Bruder Wilhelm an der Ostfront im Kampf gegen die Kaiserlich Russische Armee. Im April 1915, nach der Ausbildung, ging es dann mit dem Regiment an die französische Westfront, wo er bereits zwei Monate später in Gefangenschaft geriet und viele Jahre im Gefangenenlager Château-Landon verbrachte.
Nach dem Ersten Weltkrieg gegen Deutschland kehrte er im Februar 1920 aus französischer Kriegsgefangenschaft zurück, wurde von der Vorläufigen Reichswehr registriert und als Vizefeldwebel der Reserve und Offiziersaspirant aus dem Militärdienst entlassen und konnte sein Studium in Braunschweig beenden – Vordiplomprüfung am 21. Mai 1920, am 3. März 1922 erhielt er seine Diplomurkunde mit „sehr gut“. Auch sein jüngerer Bruder Georg Hermann ( 1897) beendete 1922 sein Architekturstudium, obwohl er drei Jahre im Kriegseinsatz war, wennschon ohne Kriegsgefangenschaft.
Er arbeitete dann in Köln als Architekt, promovierte 1927 (Promotionsurkunde der TH Carola-Wilhelmina Braunschweig vom 24. November 1927) bei Prof. Carl Mühlenpfordt (1878–1944) mit der Arbeit „Die Entwicklung der Wohnungsverhältnisse in der Stadt Köln“ und zog zum 1. Januar 1929 nach Berlin um, wo er im Büro Mendelsohn anstellig war. Im Juli 1934 wurde er Abteilungsleiter des Referats für Sonderaufgaben der Deutschen Verkehrsfliegerschule (DVS) und war verantwortlich für die Planung und Bauleitung zahlreicher Luftwaffenkasernen, u. a. in Döberitz, Berlin-Gatow und Kladow.
Von 1934 bis 1935 wurde er mit dem Neubau des Reichsluftfahrtministeriums in der Berliner Wilhelmstraße betraut. Anschließend baute er die Anlage des Flughafens Berlin-Tempelhof, welche zeitweilig das größte Gebäude der Welt war, die Flughäfen Stuttgart und München, die Anlage der Bücker-Flugzeugwerke in Berlin-Rangsdorf, die Luftkreiskommandos Kiel, Königsberg und Münster, die Luftnachrichtenschule in Halle sowie die Luftkriegsschulen in Dresden-Klotzsche und Potsdam-Wildpark. 1938 wurde er Professor der Technischen Hochschule Berlin. Seit September 1939 stand er im Wehrverhältnis in der II. Staffel des „Ministeramtes des RdL u. ObL“. 1940 verstarb sein Vater Wilhelm Sagebiel, 1942 seine Schwester Hertha, 1943 seine Mutter, und am 7. November 1943 fiel sein Bruder Hauptmann Karl Sagebiel ( 24. Februar 1891 in Braunschweig; Bildhauer, der u. a. das Raabe-Denkmal in Eschershausen gestaltete) an der Ostfront südlich von Kiew.
Nachkriegszeit
Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde Ernst Sagebiel von den VS-amerikanischen Besatzern in das größte Kriegsgefangenenlager Süddeutschlands verschleppt (Bad Eibling), aus dem er am 22. September 1945 entlassen wurde.[1] Nun mußte er ein weiteres Familienschicksal erdulden, sein jüngster Bruder Ministerialrat Dr.-Ing. Georg Hermann Sagebiel ( 6. Januar 1897 in Braunschweig; ebenfalls Architekt und Leiter des Entwurfsbüros beim Luftkreiskommando III) überlebte die britische Kriegsgefangenschaft nicht und verstarb am 5. Februar 1946 unter mysteriösen Umständen in Hamburg. Am 9. Februar 1948 erfolgte der Abschluß seines Entnazifizierungsverfahren, ihm wurden 2.000 RM Sühnegeld und 5.153 RM Verfahrenskosten auferlegt, die jedoch nicht schmerzten, da er eine volle Pension erhielt.
In der Hoffnung, für den Wiederaufbau des Münchener Flughafens hinzugezogen zu werden, eröffnete er 1949 wieder ein eigenes Architekturbüro und betreute gemeinsam mit Ludwig Lehn Baumaßnahmen für die Privatbank Merck Finck & Co. Daneben war Sagebiel von Mai 1951 bis 30. September 1952 als freier Architekt im Finanzbauamt München tätig, wo er mit der Instandsetzung der SS-Kaserne in München-Freimann beschäftigt war, die er nach Fertigung an die Amerikaner als Warner-Kaserne übergab. Am 21. November 1951 war er nach München umgezogen. Ab dem 16. Oktober 1952 war er beim Finanzbauamt in München angestellt, um in Füssen die Bunett-Kaserne für die Amerikaner instandzusetzen. Am 1. Februar 1953 wurde er beim Finanzbauamt München Oberbauleiter und mit dem Aufbau des „Recreation Center Berchtesgaden“ beauftragt, wozu auch das ehemalige Gästehaus Adolf Hitlers, der Platterhof, gehörte.
Am 27. November 1953 wurde Dr. Sagebiel zum Sachverständigen für Industrie- und Flughafenbauten durch die Regierung von Oberbayern bestellt. Am 8. Juli 1955 erfolgte die Eintragung in die Architektenliste durch die Regierung von Oberbayern. Am 22. November 1956 zog er in das von ihm entworfene Haus Seestraße 5 in Feldafing. Nach dem Tod von Ludwig Lehn konnte Sagebiel am Maximiliansplatz in München mit dem Bankhaus Merck Finck & Co. seinen einzigen Neubau in der Nachkriegszeit errichten. Am 17. März 1964 entschied er sich für eine Eigentumswohnung in Starnberg (Almeidaweg 1).
Tod
Prof. Dr.-Ing. Ernst Sagebiel verstarb im März 1970 in einem Starnberger Krankenhaus an den Folgen eines Schlaganfalls.
Schaffenswerk (Auswahl)
- Café Wien und Charlott-Bar, Köln
- Bankhaus Merck Finck & Co. München
- Fahrabteilung Elsgrund (Döberitz)
- Fliegerschule Wietzenbruch (Celle)
- Flughafen Berlin-Tempelhof
- Flughafen München-Riem
- Haus der Flieger
- Haus Sagebiel Berlin (Nikolassee)
- Heeres- und Luftnachrichtenschule (Halle (Saale))
- HGW-Hauptverwaltung Salzgitter
- Luftamt Münster
- Luftkreiskommando Kiel
- Luftkriegsakademie
- Luftkriegsschule 1 (Dresden-Klotzsche)
- Luftkriegsschule 2 (Berlin-Gatow)
- Luftkriegsschule 3 (Wildpark-Werder)
- Lufttechnische Akademie
- Nachrichten-Abteilung (Berlin-Kladow)
- Reichsministerium der Luftfahrt
- Sportflughafen-Clubhaus Rangsdorf
Auch die Bauten der Heeres- und Luftwaffennachrichtenschule und der zum Standort gehörenden General-Maercker-Kaserne wurden zwischen 1934 und 1937 nach Entwürfen von Ernst Sagebiel errichtet. Sie befinden sich in Halle (Saale) im Stadtteil Heide-Süd an der Heideallee.
Mitgliedschaften
- RKdbK
- Ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste am 15. Juli 1937
- Nationalsozialistische Volkswohlfahrt am 4. November 1937
- Reichsbund der Deutschen Beamten am 1. Februar 1938
- Mitglied des Verwaltungsausschusses für höhere technische Baubeamte in Berlin
- Berufsverband freischaffender Architekten und Bauingenieure e. V. am 20. März 1947
Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer am 21.12.1934
- Honorarprofessor an der TH Berlin (Fakultät Bauwesen) 9.8.1935
- Oberregierungsbaurat am 31.8.1935 mit Wirkung vom 1.7.1935
- Ministerialrat am 20.4.1936 mit Wirkung vom 1.4.1936
- Dienstauszeichnung IV. Klasse am 30.9.1936
- Verleihung des Titels „Professor“ durch den Führer am 20.4.1938
- Kriegsverdienstkreuz (1939), II. Klasse mit Schwertern am 30.1.1941
Siehe auch
Literatur
- Mortimer G. Davidson: Kunst in Deutschland 1933–1945, Bd. 3 Architektur, Grabert-Verlag, Tübingen, 1995, ISBN 978-3-87847-111-0 [repräsentativ, Atlasformat, 1.012 Abbildungen. Beschreibung auf Netzpräsenz Buchdienst Hohenrain]
Verweise
- Ernst Sagebiel, Architekten-Portrait