Scheunenviertel (Berlin)

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Berliner Scheunenviertel

Staat: Deutsches Reich
Landkreis: Berlin-Mitte
Telefon-Vorwahl: 030
Kfz-Kennzeichen: B
Berliner Scheunenviertel befindet sich entweder unter Fremdherrschaft oder wird durch die BRD oder BRÖ staatsähnlich verwaltet.
Bundesland: Berlin

Das nördlich des Berliner Alexanderplatzes gelegene Scheunenviertel ist nach den rund 30 um 1700 errichteten Scheunen und Lagerhäusern benannt.

Geschichte

Von den ehemals acht Scheunengassen existierten zu Weimarer Zeiten nur noch wenige Gebäude. Dort, wo heute der Hackesche Markt, die Acker- und Max-Beer-Straße gelegen sind, verlief früher die Berliner Stadtmauer. Wenn Bauern aus dem Umland angereist kamen, wurde die Ware über Nacht in den Schobern gelagert. Als die Scheunen zu Beginn des 19. Jahrhunderts Wohnbauten weichen mußten, wurden die neuen Häuser auf den alten Grundriß gesetzt: an schmalen Gassen, mit winzigen Höfen, verschachtelt, voller Keller und Mansarden, miserabel beleuchtet und kaum durchlüftet. Anfang des letzten Jahrhunderts war das Quartier so weit herunter, daß der Abriß beschlossene Sache war. Es wurde ein Keil in das Scheunenfeld gehauen, um Raum zu schaffen für den Bülowplatz. Auf dem freigewordenen Terrain waren die Volksbühne, das Lichtspielhaus Babylon sowie verschiedene Wohn- und Geschäftshäuser entstanden, darunter das Karl-Liebknecht-Haus.

Doch der Versuch, das Viertel aufzuwerten, gelang nicht. Die Gebäude blieben als Fremdkörper isoliert und ein städtebaulicher Torso. In der Nähe des Scheunenviertels befanden sich Kasernen. „Und wo Kasernen stehen“, urteilt der Schriftsteller Peter Feraru, „sind willige Frauen nicht weit. Mit den Huren kamen die Zuhälter und mit denen wiederum Glücksspiel, Hehlerei, Betrug.“ Hier vermischten sich Prostitution und kriminelles Milieu mit ostjüdischer Einwanderung. Die ganze Gegend war geprägt von billigen Kaschemmen und Stehbierhallen, verdreckten Straßen, heruntergekommenen Gebäuden, zwielichtigen Gestalten und Bordellen.

Zum Zustand des Viertels schrieb Wilfrid Bade:

„Schmierige Huren mit leichenblassen Gesichtern und dick aufgetragener Schminke und mit vom vielen Trinken heiseren Stimmen rekeln sich an den Tischen. Neben ihnen sitzen junge Männer mit entzündeten Augen, aufgeschwemmten Backen und liederlichem Ausdruck. Ein billiges Orchestrion vollführt einen grauenhaften Lärm. Ein betrunkener älterer Herr in einem verschmutzen Anzug, die blaue Schiffermütze im Gesicht, wiehert an der Theke mit zwei jungen Burschen, denen er Zoten erzählt. Links am Tisch an der Ecke sitzt eine hochblonde, etwa dreißigjährige Frau, die drei junge Mädchen im Lokal hin- und herdirigiert. Über dem Ganzen liegt eine undurchdringliche Wolke von Zigarrenrauch […].“

In diesem so bezeichneten Kiez, wollte der brave Bürger auf keinen Fall leben – entsprechend moderat waren die Mieten. Neben Flüchtlingen und eingewanderten Juden wohnten in diesen trostlosen, grauen Mietskasernen – manche von ihnen hatten bis zu acht Hinterhöfe – Arbeitslose, Haftentlassene und kinderreiche Familien. Das 87.846 Hektar große Areal galt als das am dichtesten besiedelte Gebiet Berlins. Daß in einem dieser kleinen, dunklen Räume sechs oder acht Personen hausten, war nichts außergewöhnliches. Circa 70–80 % der Behausungen hatten nur zwei Zimmer mit Küche, wobei unklar ist, ob die Küche offiziell als Wohnraum gezählt wurde. Der Abort befand sich eine halbe Treppe tiefer, in den meisten Fällen aber unten auf dem Hof. Eine Innentoilette hatten nur die wenigsten Wohnungen. Die mangelnden hygienischen Zustände hatten eine Zunahme der Schmutz- und Hautkrankheiten zur Folge. Die hohen Kohlepreise machten eine ausreichende Beheizung der Wohnungen unmöglich, was Erkältungskrankheiten Vorschub leistete, die durch den Mangel an Kleidung – warme Unterwäsche, Bettzeug etc. – begünstigt wurden. Verschiedene Ärzte stellten fest, daß sich aus dem Krieg bekannte Krankheiten wie Skorbut, Tuberkulose, Darmkatarrhe, Blutarmut, Ekzeme und Furunkel häuften. Die Not erstickte allmählich jedes Gefühl für Ordnung, Sauberkeit und Sitte. Im Vordergrund standen die Gedanken an Kampf gegen Hunger und Kälte.

Was in verschiedenen Literaturquellen „traditionelle Arbeiterviertel“ genannt wird, ist die euphemistische Umschreibung, daß diese slumähnlichen Rattengegenden in den Berliner Bezirken Mitte, Friedrichshain, Neukölln, Prenzlauer Berg, Wedding usw. von den kommunalen Wohnungsbauprogrammen meist ausgespart blieben, weil weder Hausbesitzer noch Stadtverwaltung über die erforderlichen Mittel für notwendige Instandhaltungsmaßnahmen verfügten. Hinter jeder Mietskaserne entfaltete sich ein Labyrinth aus zahlreichen Höfen mit Hinterhäusern und Quergebäuden. Treppen aus fauligem Holz führten in die oberen Stockwerke. Auf den Absätzen schliefen Obdachlose. Ungeziefer nistete in den Böden und Wänden der heruntergekommen Häuser. Die Höfe, in die das Tageslicht nur spärlich sickerte, waren stinkende Spielplätze für rachitische, unterernährte Kinder. Jeder dieser Plätze maß 28 m² – laut Bauvorschrift aus dem Jahre 1874 das Mindestmaß, um pferdebespannten Feuerlöschwagen das Wenden zu ermöglichen. Zu Weimarer Zeiten war die Berliner Feuerwehr längst motorisiert, und man hatte begonnen, in Britz und Zehlendorf komfortablere Arbeitersiedlungen zu bauen, die sich freilich nur die Stehkragenproletarier leisten konnten. Dadurch wurde das Erscheinungsbild dieser Rattengegenden in Berlin Ost noch homogener geprägt.

Vielfach zwangen die Eltern ihre Kinder regelrecht zum Betteln und Stehlen.

Vertraut man auf die Angaben von Heinrich Zille, einem der besten Kenner des Berliner Milljöhs, dann waren auch sexuelle Übergriffe durch den Vater vielleicht nicht die Regel, aber doch keine Seltenheit. Das Alter der Mißbrauchten spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Die um ihre Kindheit und Jugend Betrogenen mußten Straßenhandel betreiben, Müllkästen und Abfalleimer nach Essensresten, altem Papier und Lumpen durchsuchen. Oft hatten sich in den proletarischen Kiezen organisierte Verbrecher und Jugendbanden, die der elterlichen Autorität und Aufsichtspflicht entglitten waren, breitgemacht. Rowdytum und Überfälle gehörten in den Arbeitervierteln zum Alltag.

Bildergalerie

Siehe auch

Literatur

  • Peter Feraru: Muskel-Adolf und Co. Die Ringvereine und das organisierte Verbrechen, ISBN 978-3870247850
  • Wilfrid Bade: Die SA erobert Berlin, Knorr & Hirth GmbH, München (1933)
  • Heinrich Zille: Hurengespräche, Verlag Fritz Gurlitt, 1921
  • Thomas Kurz: Blutmai. Sozialdemokraten und Kommunisten im Brennpunkt der Berliner Ereignisse von 1929, Bonn 1988