Morel, Salomon
Salomon Morel, auch Schlomo Morel (geb. 15. November 1919 in Garbów bei Lublin; gest. angeblich am 14. Februar 2007 in Tel-Aviv), war ein jüdischer Massenmörder. Er war von Februar bis November 1945 Kommandant des polnischen Konzentrationslagers Zgoda in Schwientochlowitz in Oberschlesien. Er war verantwortlich für die Ermordung von mehr als 1.500 gefangenen Zivilisten, die zur Zeit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung zunächst noch in ihren oberschlesischen Wohnorten verblieben waren, aber auch für Morde an polnischen Zivilpersonen.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Salomon Morel wurde 1919 als Sohn eines Bäckers in Garbow geboren; er hatte zwei Brüder. Vor dem Krieg lebte er bei einer Tante in Lodsch und arbeitete dort als Verkäufer in einer Konditorei. Nach Kriegsbeginn 1939 zog er wieder zurück nach Garbow. 1942 gründete er mit seinem älteren Bruder Isaak eine Bande und terrorisierte mit Plünderungen die umliegenden Dörfer. Als die Bande bei einem ihrer Raubzüge von Partisanen erwischt wurde, schob Morel die Schuld auf seinen Bruder und kam somit ungeschoren davon. Morel schloß sich kurz darauf den Partisanen an, die in der Region Lublin Molkereien und Gemeindeämter zerstörten.[1]
Morel behauptete später, daß er seine Familienangehörigen durch die „Nazis“ verloren habe. Inzwischen gilt aber als sicher, daß seine beiden Brüder sowie eine Stiefschwester und seine Eltern von polnischen Landsleuten getötet wurden (siehe unten, Brief des israelischen Justizministeriums).
Aufstieg zum KZ-Kommandanten
Nachdem die sowjet-bolschewistischen Truppen im Sommer 1944 den Raum Lublin erobert hatten, lebte Morel mit einer Partisanengruppe in einer Etagenwohnung in der Ogrodowa-Straße von Lublin und arbeitete mit dem russischen Geheimdienst NKWD zusammen.
Seit dem 9. November 1944 war Morel Wärter im Gefängnis Lubliner Schloß, wo u. a. Mitglieder der polnischen Heimatarmee gefoltert wurden, deren „Vergehen“ lediglich war, keine Kommunisten zu sein. Bereits im November 1944 verfaßte Gefängnisleiter Antoni Stolarz eine Beschwerde, worin Morel als „schädliches Element in der Gefängnisverwaltung“ bezeichnet wird. Daraufhin wurde Wachtmeister Morel im Dezember 1944 nach Tarnow an der Düna (östlich von Krakau) versetzt. Doch bereits am 18. Dezember folgte seine weitere Versetzung Richtung Westen nahe Kattowitz in ein Konzentrationslager im Stadtteil Eintrachthütte in der oberschlesischen Stadt Schwientochlowitz. Das Lager Eintrachthütte war ein Außenlager von Auschwitz mit zuletzt 1.297 Häftlingen. Nach dem deutschen Rückzug übernahm im Januar 1945 der NKWD das Lager und übergab es im Februar 1945 an die Polen, welche das Lager zumeist mit Deutschen füllten und unter dem Namen KZ Zgoda weiterführten. Zunächst bestand die Lagerleitung aus Aleksy Krut (1925–1963) und Salomon Morel. Ab Mai 1945 war Morel der alleinige Kommandant des Lagers und quälte die Häftlinge meist persönlich. Besonders gefürchtet war im Lager Morels die „Menschenpyramide“, bei der sich zwei Dutzend Menschen in Dreierreihe jeweils quer versetzt übereinander stapeln mußten. Anschließend wurde auf die obere Menschenschicht eingeschlagen, bis die unteren Menschenschichten aufplatzten und ihre Gedärme herausquollen.
In dem völlig überfüllten Lager wurden zeitweise mehr als 5.000 Menschen (5.048, 1. August 1945) gefangengehalten. Nach einer „Epidemie“ wurde das Lager von September bis zum 20. November 1945 „aufgelöst“. Von einer polnischen Kommission wurde im November 1945 festgestellt, daß von den ab März 1945 registrierten 5.467 Einlieferungen lediglich 1.647 überlebt hatten.
Nach der Auflösung von Zgoda stieg Salomon Morel zum Oberst auf[1] und leitete nacheinander die KL (Gefängnisse) von Oppeln, Ratibor und Jaworzno. Bis zu seiner Entlassung 1968 war er Leiter des Bezirksgefängnisses von Kattowitz. Er wurde mit dem „Goldenen Ehrenkreuz“ sowie dem zweithöchsten Orden des Staates, dem „Ritterkreuz der polnischen Wiedergeburt“ ausgezeichnet.
Anklage und Flucht nach Israel
Nach der politischen Wende in Polen forschte Erna Kolodziejczyk 1989 nach dem Verbleib ihres Vaters Pawel Benczek. Die „Kreiskommission zur Untersuchung von Naziverbrechen in Kattowitz“ vernahm Morel im Zuge dessen zunächst als Zeuge im Rahmen einer Voruntersuchung. Ihm konnte nachgewiesen werden, daß er für mehr als 1.500 von ihm unterzeichnete Todesmeldungen persönlich verantwortlich war. Bis November 1992 sagte Morel zur Sache aus, fühlte sich aber trotz erdrückender Beweise noch sicher in Polen. Erst als der jüdische Publizist John Sack mit seinem 1993 in Neu York erschienenen Buch „An Eye for an Eye“ („Auge um Auge“)[1] über Salomon Morel und dessen Verbrechen[2] in Zgoda berichtete, wurde der Fall einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Als besonders grausamer Folterer und Mörder wird Salomon Morel entlarvt, der das zum Auschwitz-Komplex gehörende rot-polnische KL Schwientochlowitz (Swientochlowice) in Oberschlesien als Kommandant führte.
Bei John Sack erfährt man von schier unglaublichen Marterungen und grauenhaften Ermordungen Deutscher, die auf Geheiß Salomon (Schlomo) Morels geschahen oder die er persönlich vornahm. Die „Spezialität“ des rot-polnischen KL-Kommandanten habe darin bestanden, mit einem schweren Schemel wie besessen deutschen Gefangenen den Schädel einzuschlagen und dabei zu schreien, die Nazis hätten seine Eltern vergast (die in Wahrheit polnischen Antisemiten zum Opfer gefallen waren). Nach Sacks Recherchen waren damals viele der höheren Chargen im polnischen KL-System Oberschlesiens, zu dem auch das berüchtigte Lager Lamsdorf zählte, jüdisch.[1]
Als 1992 die polnische Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Verbrechen an polnischen Staatsbürgern, die er in der Nachkriegsära ebenfalls begangen hatte, zu ermitteln begann, setzte Morel sich nach Israel ab. 1997 wurde von Polen ein internationaler Haftbefehl beantragt und 1998 ein Auslieferungsantrag an Israel gestellt. Israel lehnte am 8. Dezember 1998 die Auslieferung des ehemaligen Lagerkommandanten Salomon Morel an Polen ab. Polnische Ermittler warfen Morel „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor.[3]
Im Jahre 2005 wurde von Israel der Auslieferungsantrag mit dem Hinweis auf Verjährung und dem herunterrechnen der Opferzahlen auf 600 abgelehnt.
Deutsche Übersetzung der israelischen Antwort auf den Auslieferungsantrag:
6. Juni 2005, Az. 6-98-11 An die zuständigen Behörden der Republik Polen Antwort: Der Antrag auf Auslieferung von Salomon Morel Wir bestätigen hiermit den Erhalt des Antrags auf Auslieferung von Salmon (sic!) Morel durch die Regierung von Polen, datiert auf den 5. April 2004. Nach Prüfung des Auslieferungsantrags und nachfolgenden Gesprächen mit unserem Justizminister möchten wir die ministerielle Entscheidung übermitteln, daß es keine Grundlage irgendeiner Art gibt, Herrn Morel auszuliefern. (1) Wie wir bereits in unserer vorangegangenen Korrespondenz an Sie erwähnten, sind die Anklagen gegen Herrn Morel in Israel nach gültigem Recht verjährt. Nichts in ihrem jüngsten Antrag ändert etwas an dieser grundsätzlichen Tatsache. Daher ist die Auslieferung von Herrn Morel nach den Gesetzen von Israel weder möglich noch erforderlich gemäß den Auslieferungsabkommen. Unsere Prüfung der Angelegenheit nötigt uns gleichwohl, auf die folgenden Aspekte hinzuweisen, die, wie wir sagen müssen, uns in Erstaunen versetzen, daß der Antrag überhaupt von Polen gestellt wurde. (2) Wir haben die Fakten des Falles vollständig untersucht und haben Morels persönliche Umstände und Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs und kurz danach berücksichtigt. Wir nehmen an, daß Morel während des Krieges Zeuge der Morde an seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Stiefschwester war durch einen polnischen Offizier. Später wurde sein anderer Bruder von polnischen Faschisten ermordet. Morel gelang die Flucht vor den Nazis und er schloß sich den Partisanen an. Als der Krieg zuende war, begann die Partisanen-Einheit, zu der er gehörte, mit der Tätigkeit in einem Gefängnis von Schlesien. Morel begann die Arbeit im Lager von Swietochlowice-Zgoda, das eine Zweigstelle des Konzentrationslagers Auschwitz während des Krieges war. (3) Wir gehen davon aus, daß Morel von März bis April 1945 einer der drei Kommandanten im Lager Swietochlowice-Zgoda war. Er diente dort mit zwei anderen Kommandanten, die heute nicht mehr leben. Im Juni 1945 wurde Morel einziger Kommandant des Lagers. Das Lager hatte 600 Häftlinge. Die Häftlinge des Lagers waren Nazi-Kollaborateure, und ihre Zahl blieb unverändert während der Zeit, die Morel als Kommandant tätig war (bis Ende 1945). Wir gehen davon aus, daß die Lebensbedingungen und die gesundheitlichen Verhältnisse im Lager zwar schwierig waren, aber durch die Umstände bedingt. Es ist daran zu erinnern, daß in der Nachkriegszeit primitive Verhältnisse, Armut und Mangel an Lebensmitteln in ganz Polen herrschten. (4) Was die Typhus-Epidemie betrifft, so war diese entsprechend den Verhältnissen im Lager und in ganz Polen zu jener Zeit wohl schwer zu vermeiden gewesen. Bedauerlicherweise hat es Todesopfer als Folge der Epidemie gegeben, allerdings lag die Zahl der Todesopfer im Lager von Swietochlowice-Zgoda zwischen 60 und 100, aber nicht 1.500 wie behauptet. Wir möchten betonen, daß es unwahrscheinlich klingt, daß 1.500 Gefangene starben als Folge der Typhus-Epidemie, wenn es nur 600 Gefangene im Lager gab. Wenige Jahre später qualifizierte sich Morel als Jurist und setzte seine berufliche Karriere im Gefängnisdienst fort, in der Abteilung für Gefängnisverwaltung. Während seines Dienstes erlangte er das Amt eines Regionalgefängnis-Leiters von Schlesien, das er während mehr als 20 Jahren Dienst innehatte bis 1968, nach einer Welle des Antisemitismus in Polen, während derer Morel aus dem Amt entlassen wurde. (5) Nach dem Sturz des Kommunismus Ende der 1980er Jahre und der Machtübernahme durch die Solidarnoscz-Bewegung in Polen legten einige Deutsche, die nach Polen emigriert waren, Beweise vor, die das Lager Swietochlowice-Zgoda betreffen. Einige dieser Beweise waren verfälscht worden. Es wird angenommen, daß einige der Beweise parteilich sein könnten, weil sie zu einer Zeit von akutem Antisemitismus vorgelegt wurden und gegen jüdische Bürger gerichtet wurden. 1993 emigrierte Morel von Polen nach Israel und wurde israelischer Bürger. Heute, im Alter von 86 Jahren, leidet er an ernsthaften Gesundheitsstörungen. Der Staat Israel hat entschieden, Morel nicht an Polen auszuliefern, einen israelischen Bürger und betagten Überlebenden des Holocaust aus Gründen wie oben genannt und wegen seines bedenklichen Gesundheitszustandes. (6) Außerdem, bei Berücksichtigung der Tatsachen, scheint uns keine Grundlage vorzuliegen, Herrn Morel schwerer Verbrechen anzuklagen, wie Verbrechen des „Völkermords“ oder „Verbrechen gegen die polnische Nation“. Wenn überhaupt, so erscheint es uns, daß Herr Morel und seine Familie offenkundig Opfer von Verbrechen und Völkermord waren, die von Nazis und ihren polnischen Kollaborateuren verübt worden waren. (7) Wie wir in unserem Brief vom 2. September 1998 geschrieben haben, der ihren ersten Antrag auf Auslieferung von Herrn Morel zurückwies, wirft der Auslieferungsantrag viele Fragen auf, welche die Ereignisse der frühen Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs betreffen, während derer schätzungsweise eintausend Juden von polnischen Bürgern in Polen ermordet wurden. Viele Zeugenaussagen und Bestätigungen über diese Morde sind in Yad Vashem in Jerusalem dokumentiert und in verschiedenen Institutionen weltweit. Die zuvor erwähnten Nachkriegsmorde an Juden wurden durch polnische Behörden untersucht, aber viele der Verantwortlichen für diese Verbrechen sind nicht vor Gericht gestellt worden. Es ist sowohl erschreckend wie beschämend, daß Morels Verfolgung entgegen seinem zuvor genannten persönlichen und historischen Hintergrund weiter betrieben wird, und daß ein Antrag auf seine Auslieferung an den Staat Israel gerichtet wird. Gal Levertov, Staatsanwalt |
Zwei Jahre nach dieser Antwort gab Israel 2007 bekannt, daß Morel in seinem israelischen Exil „verstorben“ sei.
Schwientochlowitz, so John Sack, sei bei weitem nicht das einzige Lager unter jüdischer Leitung gewesen, und: „Es war nicht einmal das schlimmste.“ Als oberster rot-polnischer KL-Leiter habe ein Chaim Studniberg gewirkt; er lebte bis 1987 unter anderem Namen in Tel Aviv, verkündete in Israel die Philosophie „Nur ein toter Araber ist ein guter Araber“ und rief beim Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon aus: „Wir haben die Endlösung für das Araberproblem gefunden.“[1]
Literatur
- Thomas Goodrich: Summer, 1945 – Germany, Japan and the Harvest of Hate, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2018, ISBN 978-1979632560 [342 S.] – Morel wird im Buch behandelt
- Claus Nordbruch: Der deutsche Aderlaß. Wiedergutmachung an Deutschland und Entschädigung für Deutsche, Veröffentlichungen des Institutes für Deutsche Nachkriegsgeschichte Bd. 28, Grabert-Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2012, ISBN 978-3-87847-272-8, S. 451–456 [speziell zu Morel]
- John Sack: Auge um Auge, Kabel, Hamburg 1995, ISBN 3822503398
Verweise
- Daniell (sic) Pföhringer: Der Tod sprach polnisch: Das Lager Schwientochlowitz, Compact online, 10. September 2022
- Ausführlicher Bericht über Morel und das Lager Zgoda
- Israels Antwort auf den Auslieferungsantrag, Institut für Nationales Gedenken.(englisch)
- Kurzbericht der BBC, 2005 (englisch)
- CBS News Sendung „60 Minutes“, 1993 (englisch)