Semper-Talis-Denkmal
Das Semper-Talis-Denkmal in Potsdam wurde am 14. Juni 1924 neben der Potsdamer Garnisonkirche zu Ehren der Gefallenen des 1. Garde-Regiment zu Fuß des Garde-Korps und dessen angeschlossenen Truppenteilen im Ersten Weltkrieg eingeweiht. „Semper talis“[1] (aus dem Lateinischen für stets gleich bzw. immer die Gleichen) war der Wahlspruch des Regiments, aber auch des Traditionsvereins des 1. Garde-Regiments zu Fuß und seiner Nachfolgeverbände (Semper talis Bund e. V.) sowie des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Denkmalsweihe fand vom 13. bis 15. Juni 1924 in Potsdam statt, die feierliche Enthüllung des Gefallenendenkmals, geschaffen von dem Bildhauer Franz Dorrenbach, fand am 14. Juni 1924 statt.
Die Begrüßungsfeiern in Potsdam und Berlin am 13. Juni 1924
- „Von 7 Uhr abends an begannen sich in Potsdam die Säle im Café Sanssouci, im Konzerthaus und Alten Fritz zu füllen. Ueberall freudiges Begrüßen, Händeschütteln, Umarmen – nach langen Jahren ein Wiedersehen im alten lieben Potsdam! Zwar ist mancher grau geworden, mancher hat seine frühere Koppelweite an Umfang weit überschritten, aber die Augen leuchten noch wie früher, das Herz ist dasselbe geblieben wie damals, als es unter dem blauen Waffenrock mit den weißen Achselklappen schlug. Und dazwischen sehnige Gestalten, die Jüngeren, die im feldgrauen Rock des Regiments ihren Mann gestanden haben. Eiserne Kreuze zieren die Brust. Mit dem Festabzeichen, dem kleinen silbernen ‚Semper-talis‘-Band am Rock, fühlen sich Alle schnell wieder eins wie früher, eins mit ihren Kameraden, mit ihren Offizieren. Schon am Morgen, am Mittag und Nachmittag dieses Tages war der Schloßhof Zeuge manches freudigen Wiedersehens gewesen, wo die Kameraden des Unterbringungsausschusses unter der rührigen Führung der Kameraden Ballosch und Bothe und ihrer Helfer in selbstloser Aufopferung ihres Amtes gewaltet und die Quartierzettel, die Festfolgen, Festabzeichen und Eßmarken ausgeteilt hatten. Nun war am Abend die Hauptarbeit getan; aber ‚das Büro‘ mußte doch im Schloß bleiben, um etwa noch Ankommende zu versorgen. Aehnlich war es in Berlin, wo die Begrüßungsfeier schon um 5 Uhr nachmittags mit der Fahnenweihe des Vereins ehemaliger Kameraden Berlin stattfand. Hier war es bei Kamerad Klenske im alten Hause des Ersten Garde-Regiments, Pariser Platz 3, wo sich manches Wiedersehen abspielte und bei dem die Karten usw. abzuholen waren. In den Lokalen aber stieg die Freude mit jedem Wiedersehen höher:
- Die Musik setzte ein – und dann – lautlose Stille: Die Begrüßungsansprache beim Füsilierbataillon hält der Generaloberst v. Plessen, trotz seiner 82 Jahre mit jugendlichem Feuer und glänzender Beredsamkeit, beim II. Bataillon besteigt General v. Bartenwerffer die Bühne, beim I. Bataillon Major Graf zu Eulenburg, der das Bataillon im August 1914 in den Krieg führte. In Berlin sprach General Graf von der Goltz. An der lautlosen Stille der Zuhörer, der gespannten Aufmerksamkeit ist es zu sehen: der innere Zusammenhang zwischen Redner und Hörer ist schnell hergestellt, den Worten folgen die Herzen ‚unsere Offiziere‘ stehen wieder vor der Front, wir sind mit ihnen eins im Fühlen und Denken, in der Treue und Liebe zu unserem alten Regiment, in der Begeisterung für unser Vaterland und unsere nationale Ehre. Das ist der Ton, auf den der Abend, der Begrüßungsabend, überall gestimmt ist. Das Programm wickelt sich weiter ab; Prologe, Musikstücke wechseln – aber die Hauptsache bleibt: Das Wiedersehen mit den alten Kameraden und Führern. Bis über Mitternacht sitzen in den überfüllten Lokalen die Gruppen in traulichem Gespräch zusammen, Kompagnieweise – alte Erinnerungen leben auf an die Dienstzeit – weißt Du noch damals? Ja, da waren wir noch jung! Und jetzt! Manche Sorge bedrückt das Herz, aber im Mitteilen an alte Kameraden wird sie leichter und leichter, grämliche Gedanken werden verscheucht, und alle fühlen sich wieder jung wie damals, fühlen sich wieder eins wie damals – und wenn jetzt das Vaterland uns braucht, wir sind alle wieder da! Denn es muß doch einmal anders werden! Erst in später Stunde trennen sich die letzten, trotzdem ein feierlicher aber auch anstrengender Tag bevorsteht.“
Die Weihe am 14. Juni 1924
- „Künstler und Steinmetz haben Wort gehalten, junge Kameraden der Traditionskompagnie noch gestern Hand mit angelegt, und die letzten Vorbereitungen zu treffen: Das Denkmal harrt der Weihe. Die Sonne hat sich heute in dichte Wolken gehüllt, so recht angetan, um die Festteilnehmer ernsten Gedanken geneigt zu machen. Das Glockenspiel der Garnisonkirche trägt dazu bei, die würdige Stimmung zu festigen. Der Organist, Prof. Becker, vielen von uns schon aus der Zeit vor dem großen Kriege bekannt, hätte keine bessere Auswahl aus seinem reichen Liederschatze treffen können: […] Unter diesen Klängen versammeln sich bis 10 Uhr vormittags die Kameraden zur Begrüßung durch Generalmajor Prinz Eitel-Friedrich von Preußen, Königliche Hoheit, und zum Feldgottesdienst auf dem Hof der alten so vertrauten Kaserne, die infolge der liebevollen Sorge des jetzigen Bataillonskommandeurs, Major v. Schauroth, innerlich wie äußerlich einen behaglichen freundlichen Eindruck macht und die besonders für den heutigen Tag mit Bannern und Grün festlich geschmückt ist. Sonst hat sich das alte Vaterhaus unseres Regiments natürlich kaum verändert. Aber stiller ist es darin geworden. Kein Wunder! Denn wo einst drei Bataillone ihr Heim hatten, sind jetzt nur drei Komapgnien des I. Bataillons Infanterie-Regiments 9 untergebracht. Heute freilich flutet hier mehr Leben denn je. Schnell finden sich unsere alten Grenadiere und Füsiliere zurecht. Man hat es ihnen dadurch erleichtert, daß die einzelnen Bataillone sich an altgewohnter Stelle versammeln, auf den gleichen Plätzen, von denen sie so oft zu ernster Arbeit hinausgezogen sind. Der rechte Flügel jeder Kompagnie ist durch eine Tafel bezeichnet. So herrscht sogleich eine gewisse Ordnung auf dem weiten Hof. Ein jeder übersieht hier zum ersten Mal die große Zahl der erschienenen Kompagniekameraden und entdeckt zu seiner Freude immer von neuen bekannte liebe Gesichter. Die Zeit reicht nicht, um alle zu begrüßen.
- Vor der Front stehen die alten Offiziere. Hervorgehoben seien hier nur die Regimentskommandeure des Ersten Garde-Regiments zu Fuß: Generaloberst von Plessen (88-91), General der Infanterie Freiherr v. Plettenberg (98-02), Generalleutnant Freiherr v. Willisen (06-10), Generalleutnant v. Friedeburg (11-14), Generalmajor Prinz Eitel-Friedrich (14), Major Graf zu Eulenburg (16-18), vom Ersten Garde-Reserve-Regiment: Oberst v. Brederlow. Ferner sieht man die Prinzen des königlichen Hauses, deren militärischen Wiege nach alter Ueberlieferung stets beim Ersten Garde-Regiment gestanden hat: General der Infanterie Kronprinz Wilhelm (bei seiner 2. Komapgnie), Generalmajor Prinz Friedrich Wilhelm (bei der 4. Komp.), Oberst Prinz August Wilhelm (bei der 5. Komp.), Oberst Prinz Oskar (bei der 4.Komp.), Prinz Waldemar, General der Infanterie Fürst von Hohenzollern (beim Füs.-Batl.), Hauptmann Erbprinz Friedrich Viktor von Hohenzollern, Leutnant Prinz Albrecht von Hohenzollern. Ferner Generaloberst Freiherr v. Lyncker, die Generäle der Infanterie v. Strantz (bei der 9. Komp.), Frhr. v. Gayl beim 1. Btl., mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse von 1870/71, v. Plüskow (bei der Leib-Komp.), die Generalleutnants Nickisch v. Rosenegk (bei der 7.Komp.), v. Unruh (bei der 6. Komp.), Graf Finck v. Finckenstein (bei der 12. Komp.), Generalmajor Freiherr v. Humboldt-Dachroeden (beim Füs.-Batl.), die Obersten v. Leipzig (bei der Leib-Komp.), v. Rex (bei der 6. Komp.). v. Goerne (bei der Leib-Komp.), Major v. Griesheim (beim 1 G.Res.-R.). Den alten Veteranen aber war es eine besondere Freude, 3 Offiziere, die den Krieg 1870/71 im Ersten Garde-Regiment mitgemacht haben, wiederzusehen: General der Infanterie Brunsich Edler v. Brun (beim II. Batl.), Generalleutnant Graf v. Kanitz (bei der Leib-Komp.) und General der Infanterie v. Loewenfeld (bei der 7.Komp.), alle drei noch in staunenswerter Frische. Doch unser aller Gedanken wandern in diesem Augenblick fort von hier, weit, weit hinweg, über des Reiches Grenzen hinaus, in's Nachbarland zu ihm, dem allein es heute verwehrt ist, seinen Grenadieren und Füsilieren die Hand zu drücken, zu Ihm, dem Allerhöchsten Chef des Regiments, unserem geliebten Kaiser und König. Wer Ihm in den Reihen des Regiments bei einer Besichtigung, einer Parade, beim Feldgottesdienst am 9.8.1918, oder gar vor dem Feinde ins gütige Auge hat schauen dürfen, wer Ihm im langen Stall Aug' in Auge den Eid der Treue geschworen hat, der bleibt der Seine bis zum letzten Atemzuge. Und im Unglück nun erst recht!“
Das Denkmal
Das Denkmal trug auf seiner Vorderseite unter dem Reliefmedaillon die Inschrift:
- SEMPER TALIS
An der Vorderseite des Sockels war die Widmungsinschrift zu lesen:
- DEM ERSTEN
GARDE-REGIMENT ZU FUSS
UND
SEINEN TREUEN TOTEN
1914–1919
- DEM ERSTEN
Auf der Rückseite stand die Inschrift:
- Für Kaiser und Reich Für König und Vaterland starben im Weltkrieg den Heldentod im Ersten Garderegiment zu Fuß sein Regimentsführer Oberstleutnant von Bismarck,[2] 96 Offiziere, 480 Unteroffiziere, 4025 Mannschaften
- Im ersten Garde-Reserve-Regiment sein Führer Oberstleutnant von Schmidt, 106 Offiziere, 353 Unteroffiziere, 3059 Mannschaften und in anderen Truppenteilen zahllose aus beiden Regimentern stammende Kameraden.
Bei einem Terrorfliegerangriff der Royal Air Force auf Potsdam wurde das Denkmal am 14. April 1945 schwer getroffen. Ein Beschluß des Alliierten Kontrollrates bildete 1946 die Grundlage zur Beseitigung des Reste teilzerstörten Denkmals. Als besondere Demütigung wurden die wenigen noch lebenden Angehörigen des Garderegiments gezwungen, diese Sprengung durchführen:
- „[…] Durch Verräter erfuhren die damaligen kommunistischen Machthaber Namen von Kameraden, die in Potsdam wohnten und beim Ersten Garde-Regiment gedient hatten. Sie zwangen diese die Zertrümmerung des Ehrenmals zu vollziehen. Zu ihnen gehörte auch der Kamerad Offers. Er war Posten am Ehrenmal bei der Einweihungsfeier und wohnte 1945 in der Russischen Kolonie. Durch ein Trümmerstück wurde er tödlich verletzt. Man trug ihn tot vom Platze. […] Die Trümmer des Ehrenmals wurden in alle Winde zerstreut.“ — Erinnerungen an die Potsdamer Garnisonkirche[3]
Bildergalerie
Quelle
- Denkmalsweihe vom 13. bis 15. Juni 1924 in Potsdam, in: „Kriegstagebuch von Hans-Joachim Röhr aus Görlitz“, Band III