Technischer Dienst (BDJ)
Der Technische Dienst (zuerst „Technischer Dienst des BDJ“, ab Mitte 1952 nur noch „die Organisation“ genannt) war eine Teil- oder Unterorganisation des Bundes Deutscher Jugend von Anfang 1951 bis Ende 1952. Der paramilitärische „BDJ/TD“ war die erste bewaffnete Truppe Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, ein „Stoßtrupp gegen den Kommunismus“. Ihre über 2.000 Mitglieder sollen u. a. ehemalige Offiziere von SS-Jagdverbänden, Brandenburger, Meereskämpfer, Fallschirmjäger und ehemalige Angehörige anderer Sondereinsatzkräfte der Wehrmacht, der Waffen-SS, der Luftwaffe und der Abwehr vorwiegend im Alter von 35 bis 50 Jahren[1] gewesen sein. Da weder die beteiligten Geheimdienste noch die NATO Dokumente über die sogenannten „Stay-behind“-Netzwerke (Engl.: zurückbleiben) veröffentlicht haben, existieren über die Identität und die Zahl der beteiligten Personen nur wenige Angaben.
Der Technische Dienst war antikommunistisch und deutschnational, politisch waren die wehrhaften Ziele der Organisation gegen KPD, SPD, aber auch gegen alle antideutschen Bestrebungen aus dem In- und Ausland gerichtet.
Inhaltsverzeichnis
Struktur und Ausbildung
Ab 1946/47 verhärteten sich die Fronten im Kalten Krieg. Die Alliierten und später die NATO hatten begriffen, daß Stalin und die UdSSR die wahren Feinde des Weltfriedens darstellten. Da insbesondere die Amerikaner nicht vorhatten, im Falle eines Angriffes auf Deutschland und den Westen erneut einen Krieg in Europa zu führen, haben sie darauf gedrungen, deutsche Soldaten zu bewaffnen, eine „Geheimarmee“ im Untergrund aufzubauen, um den Partisanenkampf im zu erwartenden besetzten deutschen Gebiet zu führen.
Die „Überroll“-Offiziere trainierten zusammen mit VS-amerikanischen und britischen Spezialeinheiten. Im Umfeld der Mitglieder der Geheimarmee gab es einen Kreis von zivilen Unterstützern, die erst im Ernstfall des Einmarsches von sowjetischen Truppen zum Zwecke der zusätzlichen politischen und ökonomischen Kriegsführung aktiviert werden sollten. Die Einheiten wurden von den Geheimdiensten mit Maschinengewehren, Sprengstoff, Munition und Funkgeräten ausgestattet. Diese wurden in geheimen Waffenlagern versteckt, die sich in Erdverstecken, vor allem in Waldgebieten, oder in unterirdischen Bunkern befanden. Ebenfalls besaß der BDJ/TD einen Stab und einen eigenen Abwehrdienst. Trainiert wurden die Guerillakämpfer u. a. in der Gegend um die „Partisanenvilla“ (einschließlich unterirdischer Schießanlage und einem Bunker) in Wald-Michelbach in Hessen (weshalb sie von den Medien auch als „die Partisanen vom Odenwald“ betitelt wurden), auf dem Truppenübungsplatz in Grafenwöhr, im Toten Gebirge (Steiermark), aber auch im Ausland.
Auftrag nach einer Invasion:
- 1. Beschaffung und Übermittlung kriegswichtiger Nachrichten. Dazu gehören Truppenbewegungen, Lagepläne usw.
- 2. Schutz und gegebenenfalls Schleusung wichtiger Persönlichkeiten: Politiker, Wissenschaftler, Militärs und Verwaltungsbeamter.[2]
- 3. Feindaufklärung, Sabotage und Guerillakrieg gegen die Besatzer.
Es gilt als gesichert, daß der TD unter der Anleitung des „Counter Intelligence Corps (CIC)“ und des BND-Vorläufers „Organisation Gehlen“ Geheimdienstaktionen in der sowjetischen Besatzungszone durchführte und sowohl KPD- als auch SPD-Organisationen infiltrierte.
Beim Eintrag in das Vereinsregister am Amtsgericht in Frankfurt 1950 wurde ein Vereinsvermögen von 1,7 Millionen DM angegeben. Das „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen“ und das Innenministerium machten für den BDJ/TD Bundesmittel frei. Mitfinanziert wurde die patriotische Widerstandsorganisation ebenfalls von Coca Cola, Bosch, Salamander und Reemtsma, aber Hauptgeldgeber und Lieferant von Waffen (die teilweise aus konfiszierten Beständen der Wehrmacht stammten) war der VS-Auslandsgeheimdienst, ab September 1947 als CIA bekannt.[3]
Prominente Mitglieder des BDJ und des Technischen Dienstes waren u. a. Paul Egon Heinrich Lüth („Stalin ist mitten unter uns“), Adolf von Thadden, Friedhelm Busse, Emil Peters, Erhard Peters, Dieter von Glahn[4], Karl Ney u. v. m. Namhafte Politiker wie Kurt Georg Kiesinger (CDU), Martin Euler (FDP) oder Wolfgang Mischnik traten als Redner beim BDJ auf, auch Bundeskanzler Konrad Adenauer grüßte die Untergrundkämpfer per Telegramm auf einer BDJ-Kundgebung und posierte mit zehn Uniformierten zum Fototermin.
Auflösung
Zum Technischen Dienst (TD) gehörte Hans Otto, ehemaliger SS-Hauptsturmführer, vormals für das „Referat lf (laufende?) Gegner“ verantwortlich, nun Leiter der Abteilung Organisation im TD. Am 9. September 1952 stellte sich Otto der Frankfurter Kriminalpolizei. Dem späteren Untersuchungsbericht zufolge gab er an, einer „Widerstandsgruppe anzugehören, die es sich zur Aufgabe gestellt habe, im Falle eines russischen Vormarsches Brücken zu sprengen und Sabotageaktionen durchzuführen. […] Die Mitglieder seien zum größten Teil ehemalige Offiziere der Luftwaffe, des Heeres und der Waffen-SS. […] Die Mittel zur Finanzierung seien von einem amerikanischen Staatsangehörigen mit Namen Sterling Garwood zur Verfügung gestellt worden. Innenpolitisch seien die Ziele der Organisation gegen KPD und SPD gerichtet.“
Zahlreiche BDJ- und TD-Mitglieder wurden am 13. September 1952 festgenommen, die Ermittlungen verliefen jedoch im Sande. Schon am 30. September urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, daß alle verhafteten Mitglieder der Gruppe freizulassen sind. Der CIC[5] übernahm die von der deutschen Polizei inhaftierten BDJ-Mitglieder und verweigerte im folgenden den Zugriff der deutschen Behörden, die beabsichtigten, Anklagen aufgrund unerlaubten Waffenbesitzes und geplanten Mordes zu erheben. CIC-Agenten beschlagnahmten weiterhin alle noch verfügbaren Unterlagen und verweigerten die Übergabe an die deutschen Behörden. Infolge der in Deutschland eingeleiteten Untersuchungen des Falles gestanden VS-Behörden ein, den BDJ für die Ausbildung von Guerilla-Kämpfern für einen eventuellen Krieg mit der Sowjetunion finanziert und unterstützt zu haben. Die Ermittlungsverfahren wurden spätestens 1955 endgültig eingestellt, dies wurde 1957 vom Bundesgerichtshof juristisch bestätigt.
- „Die BDJ-Affäre hat in den verschiedenen Hauptquartieren des amerikanischen Geheimdienstes große Unruhe ausgelöst. Der ‚Technische Dienst‘ in Deutschland ist eine Abteilung eines umfassenden Partisanennetzwerks, das von den Vereinigten Staaten unterstützt wird und sich über ganz Europa verteilt.“ Der Spiegel, 1952
Nach dem Verbot des BDJ Anfang 1953 traten viele Mitglieder der NATO-Untergrundorganisation „Gladio“ bei, andere gingen 1955 zur neugegründeten Bundeswehr, wieder andere wurden vom BND rekrutiert. Neben der militärischen Vorbereitung auf den Ernstfall beschäftigte sich der Technische Dienst mit Kommunismus-Sympathisanten in der Bundesrepublik. Die TD-Agenten legten „schwarze Listen“ von Personen, die „aus dem Verkehr gezogen“ werden sollten, an. Als der Technische Dienst Ende 1952 aufgelöst wurde, blieb die Sammelarbeit der Mitarbeiter nicht umsonst. Der Verfassungsschutz in Hannover, so berichtete 1990 der ehemalige Abwehroffizier Dieter von Glahn, habe nach dessen Gründung die Sympathisantenkartei und Portfolien des TD komplett übernommen.
Siehe auch
Literatur
- Leo A. Müller: Gladio, das Erbe des Kalten Krieges. Der NATO-Geheimbund und seine deutschen Vorläufer, Rowohlt (1993), ISBN 978-3499129933
- Daniele Ganser: Nato-Geheimarmeen in Europa: Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung, Orell Fuessli (2009), ISBN 978-3280061060
- Christopher Simpson: Blowback: The First Full Account of America's Recruitment of Nazis ..., Collier Books - Macmillan (1989), ISBN 978-0020449959
- Zentralsekretariat der Jungsozialisten (Hrsg.), Partisan gegen Bezahlung. Das dunkle Spiel des BDJ, Neue Vorwärts Verlag (1952)
- Norbert Juretzko: Bedingt dienstbereit: Im Herzen des BND - die Abrechnung eines Aussteigers, Ullstein (2005), ISBN 978-3548367958
Verweise
- Umerziehungsliteratur: ArtikelAlles für Deutschland, Der Spiegel,
- Umerziehungsliteratur: ArtikelAngreifen und Zerstören, Der Spiegel,
- Bundesarchiv: Aufdeckung einer Geheimorganisation in Hessen
- Guerilla von Staats wegen, Süddeutsche