Thuiskon

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Tuisto (Thusco) – in Anton von Kleins und Ignaz Holzbauers Oper „Günther von Schwarzburg“ auch „Vater Teut“ – aus der „Chronica“ des Johannes Aventinus (Johann Georg Turmair)

Thuiskon (auch: Tuisto, Tuito, Tuiston, Tuisco, Tuiscon, Teuto oder Theuth) fungiert seit dem 16. Jahrhundert als urgermanischer Stammvater der deutschen Nation (Theuth → Theutsch → Deutsch) und wurde als solcher in unzähligen Werken zeitgenössischer Schriftsteller und Dichter verewigt. Auf zwei römischen Altaren des Hadrianswalles, die 1883 in Housesteads wiederentdeckt wurden, sind germanische Götter bildlich dargestellt. Die Römer nannten hier die „germanischen Bürger“ Tuihanten und lobten eine friesische Heeresabteilung (sicherlich Söldner im Dienste Roms), die ihr Gelübde erfüllt hatte.

Erläuterung

Tuiscon – aller Deutschen Vater
Tuisco in „Promptuarii Iconum Insigniorum“, 1553
Tuisco, dargestellt im 17. Jahrhundert; der Künstler verbindet christliche Bibelmärchen mit der Mythologie Germaniens. Tuisto/Thuiskon steht erhaben vor dem Turmbau zu Babel, nach der „Sprachverwirrung“ verlassen germanischsprechende Menschen Babel und wandern gen Norden in die neue Heimat (rechts im Bild mit Wäldern und einer auf einer Anhöhe befindlichen Burg symbolisiert).

Mit der Wiederentdeckung der Germania von Tacitus wurde auch der germanische Gott „Tuisto“ gleichsam wiederentdeckt und kurz darauf mit vielen Schreibvarianten Thuiskon genannt. Thuiskon gilt als Synonym für „Deutschland“, wie auch Matthias Claudius in seinem Vaterlandslied darstellt. Hertha gilt als Urmutter aller Germanen.

Thuiskon bei Bielfeld

In Bielfelds „Heldengedicht“ muß Thuiskon die Flur (das Land) Asaheims (wo sich das ursprüngliche, alte Asgard befand) auf Verlangen des Allvaters Wodan verlassen, um als geschlechterüberlebender Greis durch die Wälder Germaniens zu wandern mit dem Auftrag, „sein Volk [das Volk der Teutonen] zu retten vom drohenden Abgrund“. Thuiskon galt als „im Kampf erhaben“, der stets mit „Weib und blühenden Kindern“ reiste.

Jakob Grimm

Jakob Grimm stellte eine Genealogie germanischer Gottheiten auf: Tuisco → Mannus → Ingvio → Nerthus → Fravio. In der Forschung ist strittig, ob nun Tuisto oder Mannus (Mennor) tatsächlich Stamm- bzw. Urvater der Deutschen ist:

„Dieser ist der älteste Held der Deutschen, Sohn des Tuisco, den seinerseits die Erde geboren hatte. Von ihm stammt das gesamte Volk der Deutschen ab. ‚Mennor der êrste was genant, dem diutsche rede got tet bekannt‘.“

Verschiedene Interpretationen

Tuisto/Thuiskon weist durch die Zwitterhaftigkeit (der Name wird von germanisch twi = zwei abgeleitet und somit als „Zwitter“ erklärt, es könnte sich aber auch, wie manche forscher mutmaßen, um ein Doppelwesen, Gott/Mensch handeln) zwar Parallelen zum nordischen Urzeitriesen Ymir auf, ist aber als Urahn der Menschen nicht den Riesen zugehörig. Er ist nach Tacitus ein Sohn der Erde, ein erdentsprungener, zweigeschlechtlicher Gott. Als Vater des Mannus ist er Stammvater bzw. Urahn der Germanen und war schon bei den Cheruskern bekannt.

„In alten Liedern, der einzigen Art ihrer geschichtlichen Überlieferung, feiern die Germanen Tuisto, einen erdentsprossenen Gott. Ihm schreiben sie einen Sohn Mannus als Urvater und Gründer ihres Volkes zu, dem Mannus wiederum drei Söhne; nach deren Namen, heißt es, nennen sich die Stämme an der Meeresküste Ingävonen, die in der Mitte Herminonen und die übrigen Istävonen. Einige versichern – die Urzeit gibt ja für Vermutungen weiten Spielraum – jener Gott habe mehr Söhne gehabt und es gebe demnach mehr Volksnamen: Marser, Gambrivier, Sueben, Vandilier, und das seien die echten, alten Namen.“ — Tacitus

Nach anderer, seltener Deutung (z. B. Benjamin Hederich in seinem Gründlichen Mythologischen Lexikon aus dem Jahr 1770) soll er nicht selbst der Gott, sondern vielmehr als erster der Menschen der Sohn des Gottes Tuis sein, Tuisco hieße demnach „Sohn des Tuis” und soll ein später vergöttlichter Stammvater der Menschheit gewesen sein. Von Tuisto leiten sich auch die Wörter „Teutonen“ und „Deutsch“ ab.

Prof. Dr. Paul Herrmann vermutet in seiner Deutschen Mythologie in gemeinverständlicher Darstellung (1898), daß Tuisto (Tiwiskô) der Sohn des Tiwaz (Tius) ist (zum Teil setzt er ihn auch mit Tius gleich), während andere Thuiskon uneingeschränkt mit Tyr gleichsetzen.

Tuisco und Deutz (Versuch einer christlichen Umdeutung)

„Als Valerius Anshelm 1510 in Bern ein Kompendium der Weltgeschichte erstellte, stützte er sich bei den Ausführungen zur Entstehungsgeschichte der europäischen Völker auf zahlreiche antike Geschichtsschreiber. Von diesen ist der aus den ‚Antiquitates‘ (1498) des Annius von Viterbo bekannte Berosus (4. Jahrhundert v. Chr.) hervorzuheben, weil er sich mit der ältesten Geschichte der Deutschen und Tuyscon, dem Begründer Germaniens, sowie dessen Nachfahren befasst haben soll. Dieser Tuyscon, so schreibt Annius, werde auch von Tacitus bestätigt.1 In den Handschriftenüberlieferungen von Tacitus ‚Germania‘ kommt der erdgeborene Gott der Deutschen mit Namen wie ‚Titisto‘ oder ‚Tuiston‘ vor. Anshelm hält sich weitgehend an die Darstellung des Berosus aus den ‚Antiquitates‘.
In seinem lateinsprachigen Kompendium heißt der Urheber der Deutschen ‚Tuyschon‘. Ihm folgen die Könige Mannus, Ingaevon, Istevon, Herminon, Marsus, Gambrivus, Suevus, Vandalus, Teutan, Merkurius, Herkules Alemannus und Hunnus. Über ‚Tuyschon‘ führt Anshelm aus, er sei, wie Berosus bezeuge, als eines der Kinder Noahs vom Berg Adula über den Don an den Rhein gekommen. Er habe die Herrschaft über die Sarmaten und Germanen 156 Jahre nach der Sintflut und im vierten Regierungsjahr des Ninus an sich genommen sowie Gesetze und Schrift eingeführt. Von ‚Tuyschon‘ leitet Anshelm den Namen zweier Städte am Rhein ab: ‚A thuischone Thuyscum, & Thuischburgum opida Reni‘. Er meinte damit wahrscheinlich auch Deutz. [...]
In der frühen Neuzeit beschäftigen sich im deutschsprachigen Raum nicht wenige Chronisten mit Tuisco und Deutz. Auf fünf Autoren, die sich ausführlich zur Namengebung von Deutz sowie zu Tuiscos Namen, seiner Rolle als erster König der Deutschen und seiner Genealogie äußern, wird im Folgenden eingegangen. Johann Aventinus aus Abensberg in Bayern befasste sich gleich in drei historischen Schriften mit der Figur des Tuisco und der Stadt Deutz, nämlich in den Annales Ducum Boiariae, in der Bayerischen Chronik und in der Chronica von Ursprung, Herkommen und Taten der uralten Deutschen.“[1]

Gedicht

„Thuiskon“ von Friedrich Gottlieb Klopstock (1764):


Wenn die Strahlen vor der Dämrung nun entfliehn, und der Abendstern
Die sanfteren, entwölkten, die erfrischenden Schimmer nun
Nieder zu dem Haine der Barden senkt,
Und melodisch in dem Hain die Quell’ ihm ertönt;


So entsenket die Erscheinung des Thuiskon, wie Silber stäubt
Von fallendem Gewässer, sich dem Himmel, und komt zu euch,
Dichter, und zur Quelle. Die Eiche weht
Ihm Gelispel. So erklang der Schwan Venusin,


Da verwandelt er dahin flog. Und Thuiskon vernimts, und schwebt
In wehendem Geräusche des begrüßenden Hains, und horcht;
Aber nun empfangen, mit lauterm Gruß,
Mit der Sait’ ihn und Gesang, die Enkel um ihn.


Melodieen, wie der Telyn in Walhalla, ertönen ihm
Des wechselnden, des kühneren, des deutscheren Odenflugs,
Welcher, wie der Adler zur Wolk’ itzt steigt,
Dann herunter zu der Eiche Wipfel sich senkt.

Bildergalerie

Siehe auch

Literatur

  • Detlef Friedrich Bielfeld: Thuiskon – Ein Heldengedicht in zwanzig Gesängen, 2 Bände, Peter Philipp Wolf und Comp., Leipzig (1802–1805)

Fußnoten

  1. Ilse Haari-Oberg: Tuisco und Deutz – Zum Namen der Stadt Deutz in Chroniken der frühen Neuzeit. Eine historische und etymologische Studie