Unternehmen „Margarethe“
Unternehmen „Margarethe“ (eigentlich Unternehmen „Margarethe I“) war der deutsche Deckname für die Militäroperation zur Besetzung Ungarns im Falle eines Waffenverrates während des Zweiten Weltkriegs, die am 19. März 1944 durchgeführt wurde. Ein geplantes Unternehmen „Margarethe II“ zur Besetzung Rumäniens fand dagegen nicht mehr statt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Direktive Adolf Hitlers vom 12. März 1944
I.)
- Seit längerer Zeit ist mir und der Reichsregierung bekannt, daß die Ungarische Regierung Kallay den Verrat Ungarns an den verbündeten europäischen Nationen vorbereitet hat. Das in Ungarn alles beherrschende Judentum und einzelne reaktionäre oder jüdisch-versippte und korrupte Elemente der ungarischen Aristokratie haben das uns befreundete ungarische Volk in diese Lage gebracht. Unwiderlegliche Beweise liegen vor, daß auch einige höhere Offiziere der ungarischen Wehrmacht zu den Verrätern gehören. Dieser Verrat sollte schon im vergangenen Jahr gleichzeitig mit dem italienischen stattfinden. Nur die schnellen und energischen Gegenmaßnahmen der deutschen Wehrmacht gegen die italienischen Badoglio-Truppen schreckten damals die ungarischen Verräter ab.
- Wie damals, so ist der Plan der Verräter auch heute, ihre Freunde und Bundesgenossen im Stich zu lassen und dann in den Rücken zu fallen.
- Die ernsten Warnungen, die wir wiederholt an die Ungarische Regierung gerichtet haben, sind leider vergeblich geblieben. Vielmehr hat sich die Regierung Kallay in ihrer ehrlosen Haltung und völligen Verblendung immer tiefer in den Verrat verstrickt und ihre Vorbereitungen beendet, um nunmehr zum Feind übergehen zu können.
- In dem Schicksalskampf gegen den Bolschewismus und seine englisch-amerikanischen Helfershelfer bedeutet diese Entwicklung in Ungarn die schwerste Gefahr für die kämpfenden Truppen aller verbündeten europäischen Staaten und für den Bestand der ungarischen Nation selbst.
- Ich bin nicht gewillt, der Entwicklung dieses Planes solange zuzusehen, bis wir, wie im Falle Italien, durch den vollzogenen Verrat überrascht werden; ich habe mich daher entschlossen, diese Verräterclique nunmehr zu beseitigen. Deutsche Truppen werden in Ungarn einmarschieren und das Land vorübergehend besetzen. Damit soll der Weg für eine nationale ungarische Regierung freigemacht werden, die die wahren Interessen des Ungarntums vertritt und die treu ihrer Bündnispflicht und im Geiste der alten Freundschaft und Waffenbrüderschaft zwischen dem deutschen und dem ungarischen Volk alle Kräfte des Landes für den Endsieg der gemeinsamen Sache einsetzt.
- Der Aufmarsch der hierfür vorgesehenen deutschen Verbände, denen in erster Linie die Besetzung der Lebensadern des Landes zufallen wird, ist durch Sonderbefehle, die den Zweck der Kräftezusammenziehung tarnen, so geregelt, daß er im wesentlichen bis 15.3. abgeschlossen ist.
- Beginn der Operation wird durch OKW mit Stichwort „Margarethe I, x-Tag — ...“ befohlen. x-Tag ist der Tag des Grenzübertritts der auf Landmarsch verwiesenen Teile.
II.)
- Mit den militärischen Vorbereitungen und der Gesamtleitung der Operation wird Ob. Südost beauftragt, der seinen vorgeschobenen Gefechtsstand sofort nach Wien (Dienstgebäude Stellv. Gen.Kdo. XVII. A.K.) verlegt. Seine Vertretung im Südostraum übernimmt für die Dauer der Operation Generaloberst Löhr. Dem Ob. Südost obliegt zugleich Führung der an der Operation teilnehmenden Heereskräfte sowie — falls verbündete Kräfte teilnehmen — die Aufgabe, ihre Operationen mit den eigenen Bewegungen in Übereinstimmung zu bringen. Ob.d.L. weist den mit der Führung der Luftwaffenkräfte beauftragten Stab auf engste Zusammenarbeit mit Ob. Südost an.
III.)
- Die erste Operationszone, die von der deutschen Wehrmacht besetzt wird, ist Westungarn bis zur Theiß. Diese Zone ist zunächst gegen Ostungarn abzuschirmen. Von der Entwicklung der politischen Lage hängt es ab, ob im Anschluß auch in Ostungarn einmarschiert wird.
IV.)
- Die Besetzung der Zone vollzieht sich durch den Vorstoß von vier konzentrisch auf Budapest angesetzten Angriffsgruppen.
- 1.) Aufgabe der Angriffsgruppen ist es, alle in ihrem Vormarschstreifen liegenden ungarischen Truppen des Heeres und der Luftwaffe sowie die Donauflottille zu entwaffnen, die gesamte Ausrüstung und die Munitionsbestände in Gewahrsam zu nehmen und mit allen darüber hinaus verfügbaren Truppen so rasch wie möglich auf Budapest vorzustoßen.
- Besonders wichtig ist ferner die Sicherung der für die Versorgung der Ost- und Südostfront benötigten Eisenbahnen und Brücken.
- Jeder Widerstand ist rücksichtslos zu brechen. Im übrigen ist jedes Mittel recht, das rasch zu dem erstrebten Ziele führt und eine Bedrohung im Rücken der vormarschierenden Truppen ausschließt.
- Ansatz der Kräfte im großen enthält die Anlage l.
- 2.) Eine besonders zusammengestellte Kampfgruppe ist im Zuge einer Eisenbahn-Transportbewegung und unter Ausnutzung der Wasserstraße vor Beginn der Operation in den Raum Budapest zu fahren. Sie hat im Zusammenwirken mit SS-Fallschirm-Jäger-Btl. und Fallschirmjägern der Div. „Brandenburg“, die im Raum Budapest zu landen sind, die kriegswichtigen Objekte in Budapest zu besetzen, um dadurch die einheitliche Führung der ungarischen Wehrmacht und des ungarischen Staates zu unterbinden. Zur Führung dieser Gruppe wird der Kommandeur der Division „Brandenburg“, Generalmajor von Pfuhlstein, mit seinem Stabe zur Verfügung gestellt.
- 3.) Unterlagen über ungarische Wehrmacht: s. Anlage 2.
- 4.) Richtlinien über das Verhalten gegenüber der ungarischen Wehrmacht, Polizei, Behörden und Bevölkerung folgen.
- 5.) Unterlagen über wichtigste Industriegebiete des Landes: Anlage 3.
V.)
- Die Durchführung der Operation ist durch starke Teile der Luftwaffe zu unterstützen. Aufgabe der Luftwaffe ist:
- a) Ausschalten der ungarischen Luftwaffe, soweit sie Widerstand leistet, und Besetzung der ungarischen Flugplätze.
- b) Überwachung und, soweit notwendig, Unterstützung des Vormarsches der Heereskräfte, hierbei Flakschutz der wichtigsten Theiß-, Donau-, Drau- und Mur-Brücken durch Zuteilung von Flakverbänden zu den einzelnen Kampfgruppen.
- c) Deckung der Gesamtoperation gegen etwaiges Eingreifen der alliierten Luftwaffe.
- d) Absetzen der Fallschirmjäger-Kräfte im Raum Budapest.
VI.)
- Reichsführer SS stellt, außer den vorgesehenen Verbänden der Waffen-SS, Kräfte der Polizei und des SD so bereit, daß sie bis 15.3. bei den wichtigsten Angriffsgruppen oder mit den Durchgangstransporten gem. Ziff. IV,2 am x-Tage in Budapest eintreffen. Einzelheiten sind in unmittelbarem Einvernehmen mit Ob. Südost festzulegen.
VII.)
- Über alle vor dem x-Tage zu entsendenden Personen behalte ich mir die Entscheidung vor. Für Generalmajor von Pfuhlstein mit einigen Begleitern und die vom Reichsführer SS bestimmten Persönlichkeiten wird Entsendung genehmigt.
VIII.)
- Die für die Operation erforderlichen Karten sind auf Stichwort „Maiblume“ (je Division 1.200 Karten 1:75.000 und 800 Karten 1:200.000) zu empfangen
- a) durch Angriffsgruppe Süd beim Kriegskarten- und Vermessungs- [Zeile unleserlich]
- b) für Angriffsgruppe Südwest sind Karten beim Stab LXIX. A.K. z. b. V. ausgelagert,
- c) durch Angriffsgruppe Nordwest bei Karten-Vermessungsstelle Wien,
- d) durch Angriffsgruppe Nord bei Kartenstelle Krakau.
- Die Karten sind nach Ausgabe des Stichwortes in geschlossenen Ballen zu den Korps- und Divisionsstäben zu befördern und dürfen erst dort und zu einem möglichst späten Zeitpunkt geöffnet werden.
IX.)
- Auf strengste Geheimhaltung wird hingewiesen. Die Vorbereitungen sind bis zum Antreten bei den Angriffsgruppen Süd und Südwest als Bandenunternehmen, bei den Angriffsgruppen Nordwest und Nord als Truppenübungen zur Vorbereitung einer Frühjahrsoffensive im Osten zu tarnen. Die Unterrichtung von Personen, die sich ohne Zusammenhang mit der Operation „Margarethe“ schon vor dem x-Tag in Ungarn befinden, unterliegt meiner Genehmigung. Ihre Heranziehung am x-Tag ist Aufgabe des Generalmajors von Pfuhlstein. Ob. Südost und Ob.d.L. melden ihre Absichten und die beendete Bereitstellung OKW/WFSt bis 15.3.1944.
- gez. Adolf Hitler[1]
Schlachtordnung
- XXII. Gebirgs-Armee-Korps
- Kampfgruppe „Hildebrandt“
- Grenadier-Regiment 92 (mot); ehemaliger Sonderverband 287
- III./4. Regiment „Brandenburg“
- Panzer-Abteilung 202
- Sturmgeschütz-Brigade 201
- Brüko B 658 (mot)
- SS-Polizei-Regiment 5
- II./Flak-Regiment 25 (mot)
- Kampfgruppe „Brauner“
- 42. Jäger-Division (Teile)
- I./Flak-Regiment 6 (mot)
- 1. Kompanie/Pionier-Bataillon 45 (mot)
- I./Jäger-Regiment 54
- Panzerzug 64
- Brüko B 2. / 402 (mot)
- Kampfgruppe „Streckenbach“
- Kampfgruppe „Hildebrandt“
- LXIX. Armee-Korps z. b. V.
- Kampfgruppe „Stettner“
- 1. Gebirgs-Division
- Brüko B 42 (mot)
- Panzerzug 23
- Panzerzug 65
- Kampfgruppe „Zwade“
- 367. Infanterie-Division
- 18. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division „Horst Wessel“ (Teile; Kampfgruppe „Hörnicke“)
- Brüko B 815 (mot)
- Kampfgruppe „Stettner“
- LVIII. (Reserve-)Panzer-Korps
- Kampfgruppe „Bayerlein“
- Panzer-Lehr-Division
- Schwere-Artillerie-Abteilung 997
- Bau-Pionier-Bataillon 789
- Landschützen-Bataillon 503
- Kampfgruppe „Simon“
- Kampfgruppe „Bayerlein“
- LXXVIII. Armee-Korps z. b. V.
- Grenadier-Regiment (mot) 1029 „Großdeutschland“
- Grenadier-Regiment (mot) 1030 „Feldherrnhalle“
- Alarm-Regiment/Division „Brandenburg“
- Bau-Pionier-Bataiilon 779
- Landschützen-Bataillon 837
- Brüko B2 / 412 (mot)
- Reserve-Einheiten
- 100. Jäger-Division (Belgrad)
- 21. Panzer-Division (Frankreich)
- Schwere Panzer-Abteilung 507 mit „Königstiger“
- Panzer-Abteilung 301 (Italien)
- Pionier-Regiment-Stab 679
Das Unternehmen
In den frühen Morgenstunden des 19. März begannen die deutschen Truppen nach Befehl des Oberbefehlshabers Südost Maximilian von Weichs ihren Einmarsch. Die beteiligten Verbände waren das XXII. Gebirgs-Armeekorps (Hubert Lanz) aus Serbien und Slawonien, das LXIX. Armeekorps (Ernst Dehner) aus Kroatien, das LVIII. Reserve-Panzerkorps (Walter Krüger) aus dem Raum Wien und das LXXVIII. Armeekorps z. b. V. aus dem Raum Krakau. Von Weichs’ Stabschef Hermann Foertsch koordinierte von Wien aus die Aktion.
Die Aktion war eine völlige Überraschung; sie verlief schnell und ohne Kämpfe. Einige deutsche Memoiren berichten, sie seien mit Blumen begrüßt worden. In den Einsatzbefehlen war die Entwaffnung der ungarischen Armee befohlen worden. Einige deutsche Einheiten führten diese auch durch, da man sie nicht rechtzeitig über die neue Situation informieren konnte. Der Chef der ungarischen Streitkräfte, Ferenc Szombathelyi, hatte aus dem Zug angewiesen, die Deutschen als Verbündete zu begrüßen. Horthys Sonderzug wurde auf der Rückfahrt absichtlich mehrfach aufgehalten, so daß er bei seinem Eintreffen in Budapest von einer deutschen Ehrenformation begrüßt wurde.
Veesenmayer wurde Horthy auf der Rückreise von Dietrich von Jagow als neuer Reichsbevollmächtigter in Ungarn vorgestellt. Als Befehlshaber der deutschen Truppen in Ungarn wurde Generalleutnant Hans von Greiffenberg eingesetzt, der zuvor Militärattaché an der Budapester Botschaft gewesen war. Die Besetzung ging auch mit der Einsetzung Otto Winkelmanns als Höherer SS- und Polizeiführer für Ungarn einher.
Zum neuen Regierungschef ernannte Horthy am 22. März nach längeren Verhandlungen – entgegen den ursprünglichen deutschen Wünschen – den bisherigen Gesandten in Deutschland, Döme Sztójay. Nach dem Verrat Horthys mit Hitler kam es im Herbst 1944 (Waffenstillstand mit der Sowjetunion) wurde dieser beim Unternehmen „Panzerfaust“ abgesetzt und interniert, es übernahm eine Pfeilkreuzler-Regierung unter Ferenc Szálasi.
Margarethe II
Das Unternehmen „Margarethe II“ war die geplante Besetzung Rumäniens für den Fall, daß die rumänische Regierung gegenüber der Sowjetunion kapitulieren oder den Waffenbruder Deutschland verraten sollte. Dies geschah tatsächlich im August 1944, die Operation wurde aber nicht durchgeführt:
Ab dem 20. August 1944 gelangen der Roten Armee große Erfolge bei der Schlacht von Jassy gegen die Heeresgruppe Südukraine. Angesichts dieser wurde Marschall Antonescu am 23. August verhaftet und gegen Abend eine Rundfunkerklärung verlesen, in der Rumänien das Ende seines Kampfes gegen die Sowjetunion bekanntgab. Zwei Tage später erklärte Rumänien auf Druck Stalins Deutschland den Krieg und fiel den einstigen Waffengefährten noch während der blutigen Schlacht in den Rücken.