Verbrechen
Unter einem Verbrechen wird gemeinhin ein schwerwiegender Verstoß gegen die Rechtsordnung einer Gesellschaft oder die Grundregeln menschlichen Zusammenlebens verstanden. Allgemein gesprochen handelt es sich um eine von ihrem Gesetzgeber als kriminell qualifizierte und mit Strafe bedrohte Verletzung eines Rechtsgutes durch den von einem oder mehreren Tätern schuldhaft gesetzten, verbrecherischen Akt.
Inhaltsverzeichnis
Normierung folgt Machtverhältnissen
Als Verbrechen lassen die in einer Körperschaft oder Gesellschaft jeweils herrschenden Kreise – regimeunabhängig – immer nur ein Verhalten normieren und bestrafen, das ihnen gravierend unerwünscht ist. Die Festlegung dessen, was in einer bestimmten Gesellschaftsordnung ein Vergehen oder Verbrechen sein soll, ist demgemäß nicht nur in letzter Konsequenz, sondern von Anfang an und stets Willkür.
Sollen, wie beispielsweise in der fremdbeherrschten BRD finanziell äußerst sozialschädliche Praktiken unbehelligt geschehen dürfen (wie im Zusammenhang mit Hedge Fonds), ermöglichen dies die Abgeordneten durch Nichtstun. Die Formulierung und Inkraftsetzung entsprechender Verbrechenstatbestände unterbleibt. Geht es darum, die herrschenden Kreise vor Kritik zu schützen, entwirft man hier mitunter Vergehensvorschriften, die aber nach Handhabung des Richters eine Bestrafung als Verbrechen nach sich ziehen können. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Tatsache, daß es in der BRD verboten ist, über bestimmte Gegenstände, über die Menschen sich eine Meinung bilden wollen, auch nur zu sprechen (vgl. → Holocaust-Mem). Tut man es trotzdem, kann ein solcher Verstoß – ohne de jure ein Verbrechen zu sein (vgl. § 130 StGB) – zu de facto lebenslanger Haft in einem BRD-Gefängnis führen (→ Fall Horst Mahler). In anderen Herrschaftsordnungen im Lauf der Geschichte führte das gleiche „Delikt“ des unerwünschten Sprechens auf den Scheiterhaufen (→ Fall Giordano Bruno) oder in den GULag.
Die Zusammenhänge der machtbedingten Festlegung von Verhaltensweisen als Verbrechen oder Vergehen dem Blick der Allgemeinheit zu entziehen und wortreich zu verschleiern, ist zuerst Aufgabe der Strafrechtswissenschaft eines Landes.
Strafrechtssystematik
Die etablierte Rechtswissenschaft versteht unter einem Verbrechen in erster Linie die strafbare Handlung (Straftat) an sich und als solche. Gesellschaftswissenschaftlich befaßt sich die Kriminologie mit dem Phänomen des Verbrechens und seinen Erscheinungsformen und Ursachen. Mit den Mitteln und Methoden der Verbrechensbekämpfung und -aufklärung beschäftigt sich die Kriminalistik.
In der Systematik der strafbaren Handlungen stellt das Verbrechen die schwerste Form der Straftat dar und steht in dieser Betrachtungsweise dem Vergehen als minderschwerem Straftatbestand und der Ordnungswidrigkeit gegenüber. Besonders schwere (ursprünglich: mit dem Verlust des Lebens zu ahndende) Verbrechen werden auch als Kapitalverbrechen (von lat. caput = „Haupt“) bezeichnet.
Historische Einordnung
Die Differenzierung zwischen strafbaren Handlungen unterschiedlicher Schwere ist bereits sehr früh in der Rechtsgeschichte belegt. Schon in der Constitutio Criminalis Carolina wurde zwischen causae maiores und causae minores (schwerwiegenden und minderschweren Anklagegründen) unterschieden; diese Trennung war für die Form der Bestrafung ausschlaggebend: Lebens-, Leibes- und Ehrenstrafen oder Geldbuße und kurzzeitiges Gefängnis.
Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) von 1871 unterschied zwischen drei Stufen der Schwere der Straftat: Verbrechen, Vergehen und Übertretung. Von der Zuordnung der Tat zu einer der drei Kategorien hing wiederum die Strafart ab; für Verbrechen konnte u. U. auf Todesstrafe oder auf Zuchthaus erkannt werden, Vergehen wurden mit Gefängnis und Übertretungen in der Regel nur mit einer Geldstrafe oder kurzer Haft geahndet.
Mit einer Vorschriftenänderung von 1974/75 trat im Besatzungskonstrukt BRD an die Stelle dieser Dreiteilung die heute geltende Zweiteilung: Seither sind nur noch Verbrechen und Vergehen strafbare Handlungen. Die Übertretungen wurden abgeschafft und zum Teil durch Ordnungswidrigkeiten ersetzt. Die Zuchthausstrafe wurde abgeschafft, die Gefängnisstrafe in Freiheitsstrafe umbenannt, wobei nun auch bei Verbrechen auf Geldstrafe erkannt werden kann, was im Zweifelsfall wohlhabenden Straftätern zugute kommt. Der De-facto-Freikauf bei schweren Verbrechen – zum Teil ganz ohne (überprüfbares) Verfahren – ist in der BRD gang und gäbe.
Formeller Verbrechensbegriff der BRD
Nach BRD-Strafrechtsdogmatik ist Verbrechen die subjektiv-objektive Verletzung des Rechts in seiner besonderen und allgemeinen gesetzlichen Festlegung in einem Maß, daß die rechtliche Selbständigkeit der betroffenen Person oder Gemeinschaft grundlegend verändert wird (Kriminalrecht). Im BRD-Strafrecht werden gemäß § 12 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) als Verbrechen alle gesetzlich normierten Delikte bewertet, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. (z. B. Raub, Körperverletzung mit Todesfolge, schwere Brandstiftung, schwerer sexueller Mißbrauch, Rechtsbeugung). Delikte mit Androhung einer geringeren Mindeststrafe werden gemäß § 12 Abs. 2 StGB als Vergehen bezeichnet.
Ist ein Vergehen in besonderen Fällen mit höherer Strafe bedroht, so daß eine Mindeststrafe von einem Jahr oder mehr vorgesehen ist, bleibt die Tat dennoch ein Vergehen; Gleiches gilt entsprechend auch umgekehrt (§ 12 Abs. 3 StGB).
Der Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen wirkt sich auch auf die Strafbarkeit eines Tatversuchs aus, der gemäß § 23 Abs. 1 StGB bei Verbrechen immer strafbar ist, bei Vergehen dagegen nur dann, wenn es im Gesetz ausdrücklich so bestimmt ist (versuchter Hausfriedensbruch ist demnach z. B. nicht strafbar). Auch ist die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen grundsätzlich strafbar, die zu einem Vergehen jedoch nicht. Von Bedeutung ist der Unterschied auch für den Straftatbestand der Bedrohung (§ 241 StGB), der nur mit der Androhung eines Verbrechens, nicht aber eines Vergehens verwirklicht werden kann. Auch für den Verlust von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit spielt nach § 45 Abs. 1 StGB die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen eine Rolle.
Aus der Einteilung der Straftaten in Verbrechen und Vergehen ergeben sich auch strafprozeßrechtliche Konsequenzen, etwa für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte. Des weiteren hat ein Angeklagter, dem ein Verbrechen vorgeworfen wird, nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) immer Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers, wenn er selbst keinen Rechtsanwalt als Verteidiger benennt.
Der Strafbefehl ist nur für Vergehen vorgesehen (§ 407 StPO), und auch eine Einstellung des Verfahrens nach § 153, § 153a, § 154d StPO kommt bei Verbrechen nicht in Frage.
Siehe auch
- Reichsverweisung
- Nulla poena sine lege
- Nobelpreisträger Alexis Carrel über Maßnahmen gegen Verbrecher
Literatur
- Norbert Borrmann: Das große Lexikon des Verbrechens. Täter, Motive und Hintergründe. Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-896-02506-6 [525 S.]