Drayß, Adam (Köpenickiade)

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Adam Drayß, auch: Drays (Lebensrune.png 14. Februar 1912 in Grünstadt bei Frankenthal in der Pfalz; Todesrune.png ?), war ein deutscher Soldat der Wehrmacht und Hochstapler im Zweiten Weltkrieg. Um Begünstigungen zu erhalten, machte der Gefreite Drayß sich selbst innerhalb 12 Wochen zum Kriegshelden, Ritterkreuzträger und Hauptmann des Heeres. Die Reaktionen auf seinen Betrug reichten von einem empörten „standrechtlich erschießen“ bis zu einem halbbewundernden „dreistes Husarenstück“.

Werdegang

Drayß wurde 1912 in Grünstadt geboren und wuchs im 13 Kilometer entfernten Frankenthal auf. Als Soldat diente Drayß im Zweiten Weltkrieg vorerst im Infanterie-Ersatz-Bataillon 19, im Infanterie-Regiment 289 und im Infanterie-Ersatz-Bataillon 480. Von den vielen fabulierten und getragenen Auszeichnungen erhielt Drayß tatsächlich nur das SA-Sportabzeichen in Bronze im Jahre 1939. Als er sich Anfang Juni 1940 in ein Lazarett begab (ggf. akutes Drückeberger-Syndrom) und erfuhr, daß eine notwendige Zahnbehandlung samt Brückenersatz seine Mittel überstieg, reifte wohl in ihm der Plan, sich die Behandlung als Kriegsheld subventionieren zu lassen.

Chronologie einer Köpenickiade

  • 8. Juni 1940
    • Einlieferung in das Lazarett Erfurt wegen angeblicher Gasvergiftung (im Westfeldzug)
    • Entschlußfassung zur Geschichte einer getürkten Ordensverleihung, da anstehende Zahnarztbehandlung in dem Falle von der Wehrmacht getragen werden würde
  • 12. Juni 1940
    • Kauf von Orden sowie Unteroffizier-Litzen
  • 13. Juni 1940
    • Informieren des behandelnden Arztes, daß ihm beide hohe Orden verliehen wurden und er befördert wurde. Dazu zeigte Drayß dem Mediziner ein mit Bleistift bekritzeltes Stück Papier vor. Der Militärarzt war sehr verwundert.
  • 14. Juni 1940
Calais, 27.05.1940
An den Gefreiten Adam Drayß:
Der Gefreite Drayß wird auf Grund seiner Leistung vom 25.05.1940 in Attleu vom Regimentskommandeur, Oberst Kessel, zum Uffz befördert und mit dem EK 1 ausgezeichnet.
  • 15. Juni 1940
  • 21. Juni 1940
    • Schreiben an seinen Vater, daß dieser den Bürgermeister über seine EK-Verleihung, 1. Klasse informieren soll, bekam Glückwünsche vom Frankenthaler Bürgermeister
  • 5. Juli 1940
    • Dankschreiben an den Bürgermeister und gleichzeitige Bitte um Geld, da er angeblich im Frankreichfeldzug alles verloren habe.
  • 9. Juli 1940
    • Besuch beim Oberbürgermeister in Nürnberg, auch hier Bitte um Geld
  • 29. Juli 1940
    • Beantragte bei zuständiger Sanitäts-Abteilung den notwendigen Zahnersatz. Dieser wurde abgelehnt. Darauf Drohung von Drayß, er würde als Träger des Eisernen Kreuzes ein direktes Beschwerderecht beim Oberbefehlshaber haben. Der Antrag wurde daraufhin genehmigt. Man versuchte Drayß zwecks Vereinbarung eines Behandlungstermines bei seiner Einheit anzurufen, dort wurde jedoch berichtet, er habe Sonderurlaub und müsse sich beim Führer in Berlin melden. Die Auskunft des Schreibstubensoldates geschah auf Bitten Drayß' an seinen Kameraden.
  • August 1940
  • 4. September 1940
    • Stabsarzt fertigte Schreiben für den Korpsarzt an: „Uffz Drayß ist Träger des Ritterkreuzes, des Sturmabzeichens und des silbernen VWA. In Anbetracht seiner soldatischen Leistungen wird um Brückenersatz gebeten.“ Der Brückenersatz wurde genehmigt, das Schreiben kam zurück. Drayß wurde gebeten, diese Unterlagen bei der Schreibstube abzugeben. Drayß entwendete das Schreiben, welches ihn offiziell als Ritterkreuzträger ausweist, vor der Abgabe der Unterlagen.
  • 11. September 1940
    • Erwirken einer Annullierung des Marschbefehls durch Vortäuschen der Zahnarztbehandlung.
  • 12. September 1940
    • Unter Vorlage des Schreibens kaufte er in Nürnberg bei „Militäreffekten Müller“ (vermutlich Max G. Müller) das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, welches noch im Geschäft angelegt wurde.
  • 13. September 1940
    • Drayß meldete bei der Schreibstube seiner Einheit die Verleihung des RK am 12. September 1940. Das RK sei ihm von General von Cochenhausen, Kommandierender General des Stellvertretenden Generalkommandos des XIII. Armee-Korps und Befehlshaber im Wehrkreis XIII (Nürnberg), verliehen worden. Die Urkunde habe der Nürnberger Oberbürgermeister behalten, um sie rahmen zu lassen. Sein Kompaniechef ließ ihn die Ritterkreuztat schildern. Drayß berichtete, er habe vor Dünkirchen mit 22 Kameraden 17 Kilometer hinter der französischen Hauptkampflinie im Feindesland einen französischen General samt 30 Stabsoffizieren sowie insgesamt 1.200 Soldaten gefangengenommen und wichtiges Kartenmaterial erbeutet. Der Kompaniechef gewährte ihm daraufhin sofort Tapferkeitsurlaub. Danach erneuter Besuch beim Oberbürgermeister von Nürnberg mit der erneuten Bitte um Geld (wie schon am 9. Juli) da er ja im Westfeldzug alles verloren hatte.
  • 14. September 1940
    • Ankunft in Frankenthal und Besuch beim dortigen Bürgermeister. Dieser wollte die Urkunde zur Ritterkreuzverleihung sehen. Drayß sagte, sein Divisionskommandeur wolle sie rahmen lassen. Als Beweis zeigte er das Schreiben der Sanitäts-Abteilung 1. Außerordentliche Ratssitzung des Stadtrates von Frankenthal (samt Sitzungsprotokoll, später vernichtet), dieser beriet bevorstehende Ehrungen des ersten Ritterkreuzträgers der Gemeinde. Drayß durfte sich in das Goldene Buch der Stadt eintragen, der Platz Bei den vier Ulmen wurde in Adam-Drayß-Platz umbenannt (im Volksmund später „Blamageplatz“) und er wurde Ehrenbürger von Frankenthal.
  • 15. September 1940
    • Besuch beim Fotografen und Anfertigung von Portraits, hier allerdings mit dem Infanterie-Sturmabzeichen statt mit dem allgemeinen Sturmabzeichen.
  • 16. September 1940
    • Am Vormittag Besuch bei Gauleiter Bürckel mit Presse. Kundgebung in Frankenthal vor 1.200 Menschen und dann Empfang im überfüllten „Frankenthaler Feierabendhaus“ mit bis zu 800 Zuhörern. Nachdem die Jungvolk-Fanfarenbläser den Fehrbelliner-Marsch gespielt hatten, schilderte Drayß seine Ritterkreuztat. Während des Vortrags beförderte er sich selbst zum Hauptmann und verlieh sich das Infanterie-Sturmabzeichen, welches er schon trug und gab an, daß er der einzige Soldat sei, dem beide Sturmabzeichen gleichzeitig verliehen wurden. Zum Abschluß noch der Treptower-Marsch.
  • 17. September 1940
    • Pressebericht über seinen Vortrag und seine Heldentat. Durch Anregung eines Offiziers wurde eine Überprüfung seiner Verleihung und Taten veranlaßt, diese verlief negativ. Drayß wurde noch am 17. September 1940 festgenommen.
  • 15. Februar 1941
    • Verkündung des Urteils: 10 Jahre Zuchthaus mit Aberkennung der Wehrwürdigkeit
  • 22. Oktober 1941
    • Verkauf von Ritterkreuzen und höheren Orden im Ordenshandel verboten
  • 10. Januar 1945
    • Entlassung aus dem Zuchthaus Germersheim, danach wurde Drayß einer Bewährungseinheit überstellt (Infanterie-Ersatzbataillon 500)
  • 11. Januar 1945
    • Überstellung in die 4. Kompanie/Grenadier-Bataillon 291 zum Dienst an der Kriegsfront

Ritterkreuz für Frankenthal

Im Januar 1942 konnte der Bevölkerung mit dem vormaligen Betriebsdirektor und Vorstandsmitglied der Firma KSB Korvettenkapitän Dr. Brill endlich ein Frankenthaler als Ritterkreuzträger vorgestellt werden. Beim Besuch seiner Heimatstadt bereiteten dem Kommandanten eines Minenlegers seine Arbeitskameraden bei der KSB einen großen Empfang.

Nachkriegszeit

Drayß überlebte wohl Krieg und Kriegsgefangenschaft, er soll nach dem Krieg in Ludwigshafen am Bodensee eine Baufirma besessen haben. Dort waren seine besondere Talente, die den Wahlspruch „Mehr sein als scheinen“ sicherlich nicht miteinschloß, gewiß von Vorteil.

Galerie

Siehe auch

Literatur

  • Rüdiger Kramer: Der Hauptmann von Frankenthal – Erzählung über eine Köpenickiade in einer pfälzischen Stadt während des Zweiten Weltkriegs, Iatros Verlag (2007), ISBN 978-3-937439-16-7