Dulles, Allen
Allen Welsh Dulles ( 7. April 1893 in Watertown, Staat Neuyork; 29. Januar 1969 in Washington D.C.) war von 1953 bis 1961 Direktor der CIA.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Allen Welsh Dulles wurde am 7. April 1893 in Watertown, Neuyork, als Sohn eines presbyterianischen Geistlichen geboren; er ist der jüngere Bruder des Außenministers der Eisenhower-Regierung John Foster Dulles.[1]
Nach staatswissenschaftlichem und juristischem Studium an der Princeton-Universität trat er 1916 nach einjährigem Aufenthalt als Lehrer für Englisch in Allahabad/Indien in den Diplomatischen Dienst der Vereinigten Staaten. Hier wurde er 1917 als Legationssekretär zunächst der VS-Botschaft in Wien, dann der VS-Gesandtschaft in Bern zugeteilt und gehörte 1918 der amerikanischen Delegation für die Friedensverhandlungen in Paris an, von wo er im Oktober 1919 nach Berlin versetzt wurde. Im folgenden Jahre in das Staatsdepartement in Washington berufen, ging er noch im gleichen Jahr mit der VS-Delegation nach Konstantinopel. In den Jahren 1922 bis 1926 leitete er die Nahost-Abteilung des Staatsdepartements. Im gleichen Jahr promovierte er an der George Washington-Universität zum Dr. jur.
Weiter vertrat er in Genua die Vereinigten Staaten auf der Internationalen Waffenhandels-Konferenz 1925, auf der vorbereitenden Abrüstungskommission 1926, auf der Drei-Mächte-Flotten-Konferenz 1927 und schließlich als Berater der amerikanischen Delegation auf der Allgemeinen Abrüstungskonferenz 1932/33 in Genua. Schon 1926 war Dulles aus dem diplomatischen Dienst ausgeschieden und als Partner seines Bruders in die Neuyorker Anwaltsfirma „Sullivan and Cromwell“ eingetreten. Daneben war er jahrelang Direktor der amerikanischen Bank Note Co. Sein fortdauerndes Interesse an der Außenpolitik der VSA zeigte sich jedoch in seiner führenden Mitarbeit im Rat für internationale Beziehungen in Neuyork.
Im Zweiten Weltkrieg war er Chef des Office of Strategic Services (OSS), d. h., des amerikanischen Nachrichtendienstes in Europa mit Sitz in Bern.[2] Durch seine Vermittlung wurde im Frühjahr 1945 die Kapitulation der deutschen Italien-Armee herbeigeführt. Dulles stand während des Krieges auch mit deutschen Oppositionskreisen in Verbindung. Hierüber verfaßte er kurz nach dem Krieg einen eingehenden Bericht. Weiter ausgebaut wurde dieser Bericht über ein erregendes Kapitel des Zweiten Weltkrieges in dem Buch „Unternehmen Sunrise“ (1966; in Zusammenarbeit mit Gero von Schulze-Gaevernitz). Er verurteilt dabei die „bedingungslose Kapitulation“ und die Behauptung einer Kollektivschuld des deutschen Volkes. Dulles hatte während des Krieges auch Kontakt zu Kreisen des deutschen „Widerstandes“.
Als Dulles damit beauftragt wurde, einen Vorschlag zum Aufbau der Organisation zu erarbeiten, die später als Central Intelligence Agency (CIA) bekannt wurde, setzte er eine Beratergruppe aus einem halben Dutzend Personen ein, die alle Wall-Street-Bankiers oder -Rechtsanwälte waren. Ursprünglich wollte Dulles bereits 1949 als „Director of Central Intelligence“ (DCI) Chef der CIA werden, aber als sich der damals amtierende Präsident Harry S. Truman bei den Präsidentschaftswahlen 1948 gegen den republikanischen Gouverneur von Neuyork, Thomas Dewey, durchsetzte – dessen Redenschreiber Dulles war –, gerieten seine Pläne erst einmal ins Stocken.
Auf seine Erfahrungen in Fragen des Geheimdienstes griff die Regierung Truman am 25. August 1951 durch Ernennung zum stellvertretenden Direktor der Central Intelligence Agency (CIA) zurück. Am 10. Februar 1953 löste er General Bedell Smith an der Spitze der CIA ab.
Seit seiner Gründung 1944 hat dieses Amt und später auch Dulles viel Kritik über sich ergehen lassen müssen. Dulles hatte sich nämlich so gut wie völlige Freiheit von Kongreßkontrollen ausbedungen, seine Fonds waren geheim, seine Beamten brauchten in Kongreßuntersuchungen nicht auszusagen, er war nur dem Präsidenten direkt verantwortlich. Trotz aller Verketzerung wird die CIA als absolut notwendiges und trotz mancher Panne hervorragend funktionierendes Instrument angesehen.
In den letzten Jahren seiner Amtszeit wurde Dulles besonders häufig angegriffen, weil das von ihm errichtete Nachrichtennetz gelegentlich nicht rechtzeitig vor bedeutenden Umwälzungen in vielen Weltteilen warnen konnte. Weiter wurde beanstandet, daß Dulles zwei verschiedene Funktionen in seiner Hand vereinigt hatte: nämlich das Sammeln und Auswerten von Informationen und die praktische Durchführung von Geheimmissionen. Von den Aktionen der CIA, die auf Dulles Kappe gingen, wurden am bekanntesten der Sturz von Jacobo Árbenz Guzmán in Guatemala und von Mohammad Mossadegh im Iran, weiter der berüchtigte U-2-Zwischenfall (Garry Powers) und schließlich die gescheiterte Kuba-Invasion im Frühjahr 1961, bei der Landung in der Schweinebucht.
Im Zuge einer durchgreifenden Umorganisation der CIA wurde Dulles Ende September 1961 durch John Alex McCone abgelöst. Dulles trat in den Ruhestand und lebte in den letzten Jahren zurückgezogen in seinem Haus in Georgetown.
Von 1963 bis 1964 arbeitete er auf Drängen von Lyndon B. Johnson noch einmal in der Warren-Kommission zur Untersuchung des Mordes an Präsident John F. Kennedy mit.
Familiäre Verknüpfungen und Interessenkonflikte
Dulles war der jüngere Bruder von John Foster Dulles, dem damaligen Außenminister der VSA. Die Dulles-Brüder, Inhaber der bedeutendsten Anwaltskanzlei der Wall Street, bekleideten unter der Regierung von Dwight D. Eisenhower die beiden wichtigsten Ämter des Staates: Außenminister und CIA-Chef. Die Berlin-Beauftragte für das damalige West-Berlin im VS-Außenministerium, Eleanor Dulles, war die Schwester von Außenminister John Foster Dulles und CIA-Chef Allen Dulles.
Dulles war Seniorpartner der Rechtsanwaltskanzlei „Sullivan & Cromwell“, die über enge Verbindungen zur Wall Street verfügte und verschiedene amerikanische Großkonzerne in rechtlichen Fragen beriet, und gehörte dem Vorstand der international tätigen Investmentbank J. Henry Schroeder an. Zu seinen Mandanten gehörte auch u. a. Mohammed Reza Pahlewi, der spätere Schah von Persien. Seine internationalen Geschäfte führten während seiner Zeit als CIA-Direktor von 1953 bis 1961 zu zahllosen Interessenkonflikten.
Politischer Mord
Allen Dulles war fanatischer Befürworter politischer Morde. Unter anderem plante er die Ermordung Adolf Hitlers und später einer ganzen Reihe weiterer Regierungschefs anderer Länder – so zum Beispiel auch Fidel Castro, Patrice Lumumba und Rafael Trujillo.
Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete er von der Schweiz aus eng mit dem deutschen Verräter Hans Bernd Gisevius zusammen. Seit März 1945 traf Allen Dulles in Bern mit einer Reihe deutscher Unterhändler, dazu zählte der SS- und Polizeichef in Norditalien, SS-Obergruppenführer Karl Wolff, zu geheimen Verhandlungen zusammen, um das Projekt „Operation Sunrise“ des VS-Geheimdienstes OSS zu einem möglichen Waffenstillstand im Westen zu führen.
Europäische Union (EU)
Die Europäische Union (EU) geht zurück auf Bestrebungen der VSA nach dem Zweiten Weltkrieg. Das „American Committee for a United Europe“ (ACUE), das von der Rockefeller Stiftung finanziert wurde und dem hochrangige Geheimdienstleute des Vorläufers der CIA, des OSS, wie William Joseph Donovan, Allen Dulles und der erste CIA-Direktor und ehemalige Botschafter der VSA in der Sowjetunion, Bedell Smith, angehörten, bastelten schon 1948 an der Europäischen Union (EU). Die Truppe berief dann im Mai 1948 die „European Conference on Federation“ in Den Haag ein, mit vielen Delegierten aus einer ganzen Reihe europäischer Staaten, darunter Winston Churchill. Von hier aus wurden dann die Weichen für die spätere EU gestellt.[3]
MK-Ultra
Ende der 1940er Jahre wurde Dulles Präsident des Council on Foreign Relations (CFR), der Beratungsgesellschaft für künftige VS-amerikanische Außenpolitik. Dulles initiierte 1953 das CIA-Programm MK-Ultra, bei dem man hoffte, Menschen durch Psychodrogen gefügig zu machen oder verdeckt zu vergiften. John F. Kennedy entließ im Jahre 1961 Dulles, dessen völlig außer Kontrolle geratene CIA er zerschlagen wollte. Dazu führte ebenfalls die mißglückte Landung in der Schweinebucht von Kuba. Dulles war danach Mitglied der Warren-Kommission, die das Attentat auf Kennedy „aufklären“ sollte.
Politische Verwicklungen
In einem Gespräch mit dem jüdischen Autor Tim Weiner heißt es:[4]
- „Sie schreiben, dass CIA-Chef Allen Dulles in den heißesten Tagen des Kalten Krieges ein Hilfsangebot von Axel Springer erhalten habe. Was meinen Sie damit?“
Tim Weiner:
- „Ich habe mit Tom Polgar gesprochen, einem echten Kerl aus der Frühzeit der CIA. Polgar erzählte, daß Axel Springer Mitte der 50er Jahre angeboten hat, der CIA bei der Herstellung von Propagandamaterial zu helfen. Das war nicht für das Publikum in Deutschland bestimmt, sondern für die Dritte Welt, zum Beispiel für Afrika. So weit ich weiß, hat Springer schlicht und einfach Papier und Druckerschwärze beigesteuert. Er mochte Dulles, und sein Angebot kam von Herzen.“
Richard Nixon sagte anläßlich des Todes von Dulles:[5]
- „AT ELEVEN O'CLOCK last night, America lost a most valued public servant and the world lost a dedicated and courageous defender of freedom. The death of Allen Dulles came at a time when his qualities of deliberation, integrity, and intelligence are more than ever those on which free men must rely. He served his country in the great tradition of his family and with unstinting devotion to duty. During the years he served as Director of the Central Intelligence Agency, I had the opportunity to meet with him on many occasions. My impression of him then is my impression now: He was a man who brought civility, intelligence, and great dedication to everything he did. In the nature of his task, his achievements were known to only a few. But because of him--the world is a safer place today. I know that all Americans join with Director Helms, Mrs. Nixon, and with me in extending our deepest sympathy to his family.“
Auszeichnungen
Dulles wurde mit mehreren ausländischen Orden ausgezeichnet, u. a. mit dem Großkreuz der Ehrenlegion.
Familie
Dulles war verheiratet und hatte drei Kinder. Sein einziger Sohn wurde in Korea schwer verwundet. Im Alter von 75 Jahren starb Dulles am 29. Januar 1969 an den Folgen einer Grippe mit Lungenentzündung in Washington.
Verweise
- Der Chef-Terrorist: Vor 40 Jahren starb CIA-Direktor Allen Dulles
- Die schmutzigen Tricks des Allen Dulles:
- Psychologische Kriegführung: Der Putsch des US-Geheimdienstes CIA in Guatemala (Ossietzky 18/2004)
- Markus Kompa im Gespräch mit dem Dulles-Biograph David Talbot: „Das Schachbrett des Teufels“, Heise.de, 4. September 2016