Cioran, Emil

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Emil Cioran

Emil Michel Cioran (Lebensrune.png 8. April 1911 in Städterdorf, Siebenbürgen; Todesrune.png 20. Juni 1995 in Paris) war ein rumänischer Schriftsteller, philosophischer Essayist und Dichter. Er zählt zu den radikalsten und pessimistischsten Kulturkritikern der Nachkriegszeit. Zunächst war er ein begeisterter Anhänger des Nationalsozialismus und Deutschlands. Seine Deutschlandliebe blieb Cioran erhalten, er wandte sich jedoch von allen politischen Erwartungen nach Ende des Zweiten Weltkriegs ab und wählte Französisch als Sprache seiner Werke, wenngleich er ebenso fließend Deutsch sprach.

Ciorans überwiegend aphoristisches Lebenswerk ist die bedeutendste Quelle für gnostisches Denken im 20. Jahrhundert. Irrtümlich wird er (insbesondere auch in Lexika) oft als Schüler Nietzsches mißverstanden, gegen dessen unbedingte Lebensbejahung Cioran tatsächlich aber ein Leben lang Argumente gesammelt hat. Es liegt im Falle des Werkes von Cioran eben kein pessimistisch gewendeter Nietzscheanismus vor, auch kein Nihilismus – so fehlt in seinen Werken völlig jegliche Neigung zur nihilistischen Destruktivität –, sondern seine eindringlichen Schriften kennzeichnet ein fester Glaube daran, daß die irdische Existenz und ihre Zwänge die Verworfenheit und Verderbnis des Daseins selber gültig beweisen – genau das ist Gnosis; eine Position, die im 20. Jahrhundert so selten war, daß ihr Hauptvertreter Cioran zu Lebzeiten sogar von Literarhistorikern und Publizisten, die ihm persönlich nahestanden, nicht als Gnostiker erkannt wurde.

Leben

Cioran wurde als zweites von drei Geschwistern geboren. Der Vater Emilian praktizierte im Dorf als orthodoxer Priester. Ab 1921 besuchte er das Gymnasium in Hermannstadt, wo er Deutsch und Französisch lernte. 1928 begann er ein Studium der Philosophie in Bukarest. Bereits seit der Gymnasialzeit las er die (deutschen) Romantiker, Dostojewski, Nietzsche, Pascal, Ludwig Klages, Spengler, Weininger, Eduard von Hartmann, Philipp Mainländer.

Seit 1930 begann er – bis zu seinem Lebensende – an chronischer Schlaflosigkeit zu leiden, die ihm eines seiner Hauptthemen vorgab: das „Bewußtsein als Verhängnis“ (Alfred Seidel), der „Geist als Widersacher der Seele“ (Ludwig Klages), der Fluch der unfreiwilligen Luzidität, deren grausamer Blick alle Illusionen des Menschen über seine Lage im Universumn in Stücke reißt. Ab 1931 schrieb er für verschiedene Zeitschriften, hielt Vorträge im Rahmen kultureller und philosophischer Vereine und absolvierte 1932 sein Staatsexamen als Gymnasial-Lehrer für Philosophie und Literatur mit einer Schrift über den „Zeitgenössischen Intuitionismus“. Im selben Jahr schloß er sich der Gruppe „Criterion“ an (Nae Ionescu, Mircea Eliade, Constantin Noica u. a.).

Vom November 1933 bis Juli 1935 studierte Cioran, versehen mit einem Promotions-Stipendium der Humboldt-Stiftung, in Berlin sowie München pro forma Philosophie (bei Nicolai Hartmann und Ludwig Klages). Von Deutschland aus unternahm er rege publizistische Aktivitäten in rumänischen Blättern, die ideologisch die Ziele von CodreanusEiserner Garde“ unterstützten, und betrieb Buddhismus-Studien. 1934 erschien in Rumänien seine Aphorismensammlung „Auf den Gipfeln der Verzweiflung“, 1935/36 schrieb er an seinem „Buch der Täuschungen“ sowie „Die Verklärung Rumäniens“ (veröffentlicht 1937) und leistete seinen wenige Monate dauernden Militärdienst ab.

Von 1936 bis 1937 war er Studienrat für Philosophie am Andrei-Şaguna-Gymnasium von Kronstadt und reiste im November 1937 als Stipendiat des Bukarester Französischen Instituts nach Paris, unter dem Vorwand, eine Dissertation über Bergson zu erarbeiten. Cioran bereiste nun Frankreich mit dem Fahrrad. Wiederholte Spanien-Aufenthalte schlossen sich an.

Bei seinem letztem Aufenthalt in der Heimat im Jahre 1940 wurde Ciorans „Apologie Codreanus“ von Radio Bukarest gesendet. 1941 begann er eine Tätigkeit an der Rumänischen Botschaft in Vichy, wo er aber bereits nach drei Monaten wieder entlassen wurde und nun als Staatenloser in verschiedenen Pariser Hotels lebte.

1942 lernte er Simone Boué, seine künftige Lebensgefährtin, kennen. Die Studienrätin ermöglichte ihm das ökonomische Überleben. 1943 machte er seine ersten Veröffentlichungen in französischer Sprache in Zeitungen unter dem Namen Emmanuel Cioran.

Nachkriegszeit

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges sagte sich Cioran von jeglichem politischen Engagement los und beschloß, nur noch auf Französisch zu schreiben. „Die Exercices négatifs“ entstanden, eine erste Fassung der Lehre vom Zerfall, die 1949 erschien.

Cioran wählte fortan für seine Autorenschaft die Initialen „E. M.“ anstelle seines Vornamens. Etwa zu dieser Zeit verfaßte er auch „Mon pays“ (posthum 1996 publiziertes Fragment), die Absage an sein einstiges pro-„gardistisches“ Denken. 1950 erhielt er den „Prix Rivarol“, lehnte es jedoch künftig ab, weitere Preise zu akzeptieren.

Zitate

  • „Auf dieser Erde gibt es keine Kultur, die sich durch so viele Errungenschaften, durch eine so reiche und komplexe Vielfalt, durch eine so überquellende und unendlich nuancenreiche Verschiedenartigkeit ausgezeichnet hätte. Die deutsche Tiefe ist nicht nur Inbrunst, sondern auch Mannigfaltigkeit der Ebenen (...) Diese Welt hat nur drei große Kulturen hervorgebracht: die indische, die griechische und die deutsche. Die meisten Genies hat Deutschland hervorgebracht. Obgleich bereits diese quantitative Einschätzung recht bezeichnend ist, gewinnt sie noch auf qualitativer Ebene, wenn man bedenkt, daß die Mehrheit dieser Genies in zwei Bereichen schöpferisch war, und zwar den tiefsten des Geistes: in der Metaphysik und in der Musik.“[1]
  • „Der Humanitarismus ist weniger als eine Illusion und der Pazifismus bloß politische Masturbation.“, in: Über Deutschland, S. 146
  • „Das ganze Leben lang werde ich wiederholen: Nicht jeder Mensch verdient, frei zu sein. Das Vorurteil der Freiheit für alle ist eine Schande.“, in: Über Deutschland, S. 149
  • „Das Glück ist nicht in der Begierde, sondern in der Abwesenheit von Begierde, genauer, in der Begeisterung für diese Abwesenheit.“, in: Die verfehlte Schöpfung

Schriften (chronologische Auswahl)

  • Revelațiile durerii („Entdeckungen des Schmerzes“), 1932, Editura Echinox 1990, ISBN 973-9114-01-6
  • Auf den Gipfeln der Verzweiflung. Frankfurt/M. 1989 (O. A.: Pe culmile disperării. 1934)
  • Das Buch der Täuschungen. Bibliothek Suhrkamp 1046, Frankfurt/M. 1990 (O. A.: Cartea amăgirilor. Bukarest 1936)
  • Schimbarea la față a României („Die Verklärung Rumäniens“), 1937
  • Von Tränen und von Heiligen, Frankfurt/M. 1988, umfangreiche Überarbeitung C. von Lacrimi si Sfînți (1937), als Des larmes et des saints (1986) in Paris
  • Gedankendämmerung. Suhrkamp Frankfurt/M. 1993. (O.A.: Amurgul gândurilor. Sibiu (Hermannstadt) 1940)
  • Über Frankreich. Suhrkamp 2010, ISBN 978-3-518-42146-8 („Despre Franta / De la France“)
  • Leidenschaftlicher Leitfaden. Suhrkamp 1996, ISBN 3-518-40765-1 (entstanden ≈ 1941–1944)
  • Lehre vom Zerfall. Übers. v. Paul Celan. Reinbek 1953, ISBN 3-608-93302-6 (O. A.: 1949)
  • Mon pays („Mein Land“) (≈ 1949, 1996 publiziertes Fragment)
  • Syllogismen der Bitterkeit. Frankfurt/M. 1969, ISBN 3-518-37107-X (O. A.: Syllogismes de l’ Amertume 1952)
  • Dasein als Versuchung. Stuttgart 1983, ISBN 3-608-95177-6 (Frz. Erstausgabe 1956)
  • Über das reaktionäre Denken. Zwei Essays (über Joseph de Maistre und Paul Valery). Frankfurt/M. 1980, ISBN 3-518-01643-1 (Erstauflage 1957)
  • Geschichte und Utopie. Stuttgart 1965, ISBN 3-608-93267-4 (O. A.: Histoire et utopie, 1960)
  • Der Absturz in die Zeit. Stuttgart 1972, ISBN 3-608-93392-1 (O. A.: La chute dans le temps. 1964)
  • Aufzeichnungen aus Talamanca (1966), weissbooks 2008, ISBN 978-3-940888-24-2 (Frz. E. A. 1997)
  • Die verfehlte Schöpfung. 1979 suhrkamp tb 550, ISBN 3-518-37050-2 (Erstausgabe 1969)
  • Cahiers 1957–1972 (Auswahl); Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-518-41274-4 (s. a. 2011)
  • Vom Nachteil, geboren zu sein: Gedanken und Aphorismen. 1979 suhrkamp tb 549, ISBN 3-518-37049-9 (Frz. E. A. 1973)
  • Gevierteilt. suhrkamp tb 1838 Frankfurt/M. 1982, ISBN 3-518-38338-8 (Erstausgabe 1979)
  • Widersprüchliche Konturen: Literarische Porträts. Frankfurt/M. 1986, ISBN 3-518-01898-1 (1985)
  • Der zersplitterte Fluch. Aphorismen. Frankfurt/M. 1987, ISBN 3-518-01948-1 (Frz. O. A. 1987)
  • Werke. Suhrkamp Quarto, 2008, ISBN 978-3-518-42007-2 (16 Hauptwerke, 2085 Seiten)
  • Über Deutschland. Aufsätze aus den Jahren 1931-1937. Hg., aus dem Rumänischen übersetzt, mit einer Nachbemerkung von Ferdinand Leopold, Suhrkamp 2011, ISBN 978-3-518-42197-0
  • Notizen 1957–1972. Hg. v. Simone Boué. Karolinger Verlag, Wien und Leipzig 2011 ISBN 978-3-85418-143-9
  • Apologie der Barbarei. Frühe Aufsätze 1932–41. Karolinger Verlag, Wien und Leipzig, 2016, ISBN 978-3854181699
  • Audio:
    • Cafard. Originaltonaufnahmen 1974–1990, hrsg. v. Thomas Knöfel und Klaus Sander. Audio-CD, 77 Minuten und Begleitbuch, 96 Seiten. Köln: veröffentlicht 1998, ISBN 3-932513-00-2
  • Beiträge:
    • Prometheus ist für immer kompromittiert. Aussichten auf die Nach-Geschichte. In: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): Die Zukunft der Vergangenheit: lebendige Geschichte, klagende Historiker (Herderbücherei 9508: Initiative 8, Freiburg im Breisgau – Basel – Wien 1975), ISBN 3-451-09508-4, S. 135–144 – Anm.: Dieser Text, übersetzt von Elmar Tophoven, findet sich auch als Kapitel „Nach der Geschichte“ in Gevierteilt, dort übersetzt von Bernd Mattheus.
    • Mehrere Beiträge in Der Pfahl. Jahrbuch aus dem Niemandsland zwischen Kunst und Wissenschaft
  • Gespräche:
    • Emile M. Cioran, Ein Gespräch: geführt von Gerd Bergfleth. Konkursbuchverlag, Tübingen 1985, ISBN 3-88769-301-9
    • E. M. Cioran; Ein Gespräch mit Sylvie Jaudeau: Erker Verlag, St Gallen 1992, ISBN 3-905546-21-3
    • Entretiens. Gallimard 1995 (versch. gesammelte Gespräche, Interviews)
  • Ausgewählte Texte:
    • Zersplitternde Gewißheiten. Ein E. M. Cioran-Lesebuch, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2002, ISBN 3-518-39778-8

Sekundärliteratur

  • Till Kinzel: E. M. Cioran: Lehre vom Zerfall (1949); in: Staatspolitisches Handbuch. Herausgegeben von Erik Lehnert und Karlheinz Weißmann. Bd. 2: Schlüsselwerke, Edition Antaios, Schnellroda 2010, ISBN 978-3-935063-55-5, S. 141–143

Verweise

Fußnoten

  1. Die Apologie Deutschlands (verfaßt 1933), in: Über Deutschland. Aufsätze aus den Jahren 1931–1937, Suhrkamp, Berlin 2011 (S. 65 ff. [S. 66 u. 69])