Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) wurde 1865 in Kiel auf Anregung von Reinhold Werner und E. E. Meyer gegründet. Sitz der Gesellschaft wurde Bremen; erster Vorsitzer war der Bremer Kaufmann und Gründer des Norddeutschen Lloyd Konsul Hermann Henrich Meier. Die Rettungsstationen waren mit einfachen Raketenapparaten, Hosenbojen und offenen Ruderbooten ausgerüstet. Im Januar 1867 übernahm Seine Majestät König Wilhelm I. (Deutsches Reich) von Preußen die Schirmherrschaft über die DGzRS.
Die Seenotrettungsgesellschaft betreibt derzeit (Stand: Januar 2011) 54 Stationen an Nord- und Ostsee mit einer Rettungsflotte von insgesamt 61 leistungsfähigen Einheiten, vom kleinen Seenotrettungsboot bis zum 46-Meter-Seenotkreuzer, auf denen rund 800 freiwillige und 186 festangestellte Besatzungsmitglieder ihren Dienst tun.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die erste deutsche Rettungsfestung wurde 1809 in Memel geschaffen. Die Kaufmännische Korporation stiftete ein von Lotsen bemanntes Boot zur Rettung. 1839 ging die private Einrichtung in staatliche (preußische) Verwaltung über. Bei den flachen Küstengewässern wurden 1827 dort auch die in Deutschland ersten artilleristischen Ansätze durchgeführt, Bergeleinen zu gestrandeten Schiffen zu schießen.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts verunfallten jedes Jahr ungefähr 50 Schiffe vor den deutschen Nordseeinseln. Unzureichende Ausrüstung und das noch geltende Strandrecht standen Rettungsmaßnahmen oft im Wege. Eines der Unfälle mit den größten Auswirkungen war dabei der Untergang der Johanne 1854 vor Spiekeroog, das zum Lebensende von 84 Auswanderern führte. Von derartigen Schiffstragödien bewegt, kamen Aufforderungen zur Schöpfung eines nationalen Rettungswerkes auf. Als Vorläufer der DGzRS wurde am 2. März 1861 in Emden ein erster deutscher Verein zur Rettung Schiffbrüchiger mit Rettungsstationen auf Langeoog und Juist ins Leben gerufen; im selben Jahr folgten Gründungen weiterer derartiger Seenotrettungsvereine in Hamburg und Bremerhaven.
Am 29. Mai 1865 gingen diese Organisationen in Kiel auf in der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (Abk. DGzRS) mit dem Vorsatz, auf See verunglückte Menschen zu bergen. Zu den Gründern gehörten Adolph Bermpohl, Georg Breusing und Arwed Emminghaus. Erster Vorstehender war der Mitbegründer des Norddeutschen Lloyds Konsul Hermann Henrich Meier. Besonders mit dem Anliegen der DGzRS verbunden zeigte sich Prinz Heinrich von Preußen. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Hansestadt Rostock mit einer Flotte von 233 Segelschiffen an die Spitze der Ostseehäfen gerückt, sie hatte Stralsund, Danzig und Lübeck überrundet. Der starke Schiffsverkehr zur Warnow machte besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Seeunfälle notwendig, vor allem Rettungsmöglichkeiten. Das zeigte sich besonders drastisch, als im Herbst 1863 die Rostocker Brigg „Louise“ ostwärts der Warnow-Mündung mit Mann und Maus verloren ging. Die Warnemünder Bevölkerung mußte das Drama machtlos mit ansehen, sie stand „mit leeren Händen“ am Strand.
Diese Tragödie bewog die Stadt Rostock zur Anschaffung zweier Ruderrettungsboote auf eigene Kosten. Sie wurden der Lotsenbrüderschaft anvertraut. Zwei Jahre nach ihrer Gründung nahm die DGzRS ihre Arbeit auch an der Küste von Mecklenburg auf. Ihre erste Rettungsstation wurde Warnemünde. Sie übernahm zunächst die beiden Rostocker Rettungsboote, die dem Lotsendienst der Hansestadt und damit dem Lotsenkommandeur Stephan Jantzen unterstellt waren. Sogleich beschaffte sie jedoch ein noch leistungsfähigeres Rettungsboot vom amerikanischen Francis-Typ. Dafür entstand am Alten Strom ein Rettungsschuppen mit Schienenablaufbahn. Das Boot wurde auf den Namen „Vorwärts“ getauft – wie auch jeweils seine späteren Nachfolger. Warnemünde erhielt stets ein Boot modernsten Typs. So stellte die Station 1884 eines der ersten »Deutschen Rettungsboote« in Dienst, die der Stralsunder Schiffbauer Kirchhoff und der Rönnebecker Bootsbauer Havighorst gemeinsam entwickelt hatten. Diese Boote waren von hoher Stabilität, sprich Kentersicherheit. Sie machten sich die Francis-Idee der Verwendung von kanneliertem Eisen für die Außenhaut zunutze, hatten jedoch eine größere Tragfähigkeit. Diese Boote wogen nur 1,3 Tonnen und bewährten sich auch dort, wo sie mit einem Ablaufwagen durch Dünensand gefahren werden mußten. Das neue Warnemünder Boot erhielt wiederum den Traditionsnamen »Vorwärts«, der genau dem Wesen des unermüdlichen Lotsenchefs Stephan Jantzen entsprach.
Ab 1887 unterhielt die DGzRS auch in Pillau, Memel und Mellneraggen Stationen. 1910 bestand vor der ganzen deutschen Küste, von Borkum bis Nimmersatt im Norden von Ostpreußen, ein durchgehendes und einheitlich ausgerüstetes Netz mit 129 Stationen. Protektor bzw. Schirmherr der DGzRS ist das amtierende Staatsoberhaupt Deutschlands. Erster Protektor der Rettungsgesellschaft war seit 1867 Seine Majestät König Wilhelm I. (Deutsches Reich) von Preußen; seit dem Zweiten Weltkrieg ist es der jeweilige BRD-Bundespräsident. Die Seenotretter der DGzRS arbeiten teils ehrenamtlich, teils als festangestellte Mitarbeiter, jedoch immer unter dem Grundsatz der Freiwilligkeit. Vom Bremer Senat wurde die DGzRS 1872 als juristische Person anerkannt. Die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nach dem internationalen Übereinkommen von 1979 über Suche und Rettung auf See (SAR) werden durch die DGzRS offiziell wahrgenommen. Die Ausrüstung bestand zunächst aus offenen Ruderrettungsbooten (RRB) und Korkschwimmwesten, später kamen einfache Raketenapparate mit Hosenbojen hinzu.
Ab 1911 gab es die ersten Motorrettungsboote, die jedoch zunächst noch sehr unzuverlässig waren. Erst mit der Entwicklung kompakter und robuster Dieselmotoren erfolgte nach dem Ersten Weltkrieg die Umstellung auf gedeckte Motorboote, ab 1955 als Küstenrettungsboote (KR) bzw. -schiffe (KRS) bezeichnet. Mit der Indienststellung des Seenotkreuzers Theodor Heuss im Jahre 1957 begann eine neue, wegweisende Ära im Bau moderner, vielseitig einsetzbarer Rettungsboote, die hin bis zum derzeit größten und modernsten Seenotkreuzer, der Hermann Marwede führte, einem 46 m langen Schiff.
Gegenwart
Die von der DGzRS in Bereitschaft gehaltenen leistungsfähigen Einheiten an Nord- und Ostsee sind dort stationiert, wo es die Revierverhältnisse und Verkehrsaufkommen vorrangig erfordern. Während die kleinen Seenotrettungsboote für Flachwasserreviere wie tideabhängige Wattengebiete und flache Küstenzonen vorgesehen sind, operieren die 46-Meter-Seenotkreuzer vor allem im Hochseerevier wie z. B. der Deutschen Bucht.
Die DGzRS betreibt auf 54 Stationen in Nord- und Ostsee derzeit 61 Rettungseinheiten (41 Rettungsboote und 20 Kreuzer). Die Bezeichnungen der Wassergefährte sind entweder Seenotkreuzer (SK) oder Seenotrettungsboote (SRB). Der Begriff Seenotkreuzer bezeichnet die größeren Kader der 20-Meter- bis 46-Meter-Ordnung. All diese Elemente haben ungeachtet unterschiedlicher Maße verbindende Merkmale. Ins Auge springend ist das in einer Heckwanne mitgeführte Beiboot, das so bezeichnete Tochterboot. Ebenfalls sind - die Seenotkreuzer der 20m-Klasse ausgenommen - alle Kreuzer so gebaut, daß die Besatzung während der 14 Tage langen Wachen an Bord verweilen kann.
Weitere bauliche Gemeinsamkeiten der Rettungskreuzer ist der zusätzliche offene oder überdachte, ein Deck höher gelegene Fahrstand, der im Gegensatz zur geschlossenen, ein Deck tiefer liegenden Brücke eine vollständige Rundumsicht bietet. Die großen Seenotkreuzer sind in der Regel mit hauptberuflich arbeitenden Seenotrettern besetzt, während die kleineren Seenotrettungsboote dagegen werden meist von Ehrenamtlichen betrieben. Ähnlich wie die Freiwilligen Feuerwehren arbeiten sie anderswo und eilen bei Seenot zu den Booten. Boote dieser Kategorie sind zwischen 6,8 und 10 Meter lang und besitzen an Bord über keinerlei Aufenthalts- oder Wohnbereiche.
Bei Seenoteinsätzen operieren mitunter mehrere Seenotrettungskreuzer gemeinsam. Gerade die größeren Seenotkreuzer sind für mehrtägigen, weitgehend autarken Einsatz auf See ausgerüstet.