Die Toteninsel
Die Toteninsel ist ein bekanntes Werk des deutschen Künstlers Arnold Böcklin. Die Erstfassung entstand 1880, bis 1886 erschienen vier weitere Fassungen des Bildes. Von den insgesamt fünf Werken sind nur vier erhalten, die vierte Fassung verbrannte wohl während des Zweiten Weltkrieges in der Reichshauptstadt. Die dritte Fassung, von 1933 bis 1945 im Privatbesitz Adolf Hitlers befindlich, galt ebenso lange als verschollen, bis sie Anfang der 1980er Jahre wieder auftauchte. Es handelt sich bei dem Gemälde um das bekannteste Werk Böcklins, welches auch eine bis in die Gegenwart anhaltende starke Rezeption erfährt.
Inhaltsverzeichnis
Fassungen
Von dem Bild existieren insgesamt fünf Fassungen, bei welchen es sich um Auftragskunst handelte:
- 1. Fassung: 1880, Leinwand, 111x155 cm
- 2. Fassung: 1880, Holz, 74,5x122,5 cm
- 3. Fassung: 1883, Holz, 80x150 cm
- 4. Fassung: 1884, Metall, 81x151 cm
- 5. Fassung: 1886, Holz, 80x150 cm
Titel des Werkes
Die Bezeichnung „Toteninsel“ etablierte sich erst 1883 mit der dritten Fassung des Werkes. Eingeführt wurde der Begriff dabei durch den Kunsthändler Fritz Gurlitt, welcher Böcklin auch zu dieser neuen Fassung drängte. Dessen Intentionen dahinter sind nicht bekannt, man darf jedoch annehmen, daß er mit einem reißerischen Titel das Interesse der möglichen Käufer erhöhen wollte. Böcklin selbst sprach bis dahin bei dem Gemälde von einer „Gräberinsel“, einem „stillen Ort“ oder einfach nur „der Insel“. [1]
Bildbeschreibung (1. Fassung)
(...)
Unterschiede zwischen den Fassungen
Die zweite Fassung ist im Vergleich zur ersten zwar etwas kleiner ausgefallen, dafür jedoch bedeutend breiter. Der Grundaufbau der Insel wird beibehalten, jedoch werden die Hell-Dunkel-Konstraste abgeschwächt, so sind etwa gewisse Stellen auf den Felswänden nicht mehr so unwirklich hell erscheinend wie noch zuvor.
Der vierte Fassung unterscheidet sich insgesamt, soweit man es anhand der Kopie erkennen kann, kaum von der vorangegangen Version. Es exietieren lediglich Unterschied in kleinen Details, der Aufbau der Insel wird nicht verändert, die halbkreisartige Anordnung der Felsen beibehalten.
Geschichte
Den Auftrag bzw. vielmehr den Anstoß zur „Toteninsel“ erhielt Böcklin 1980 durch Marie Berna, einer Dame aus Frankfurt am Main, welche Böcklins Werke bereits seit längerer Zeit zu schätzen wußte. In Begleitung des Grafen und reichsdeutschen Politikers Waldemar von Oriola, welchen sie später auch heiratete, suchte die Witwe im Frühjahr den Künstler in seinem Atelier in Florenz auf und bat ihn um „ein Bild zum Träumen“, wie sie es nannte, vorzüglich eine Landschaftskomposition. [2] [3] Böcklin wurde somit ein große künstlerische Freiheit bei diesem Auftrag gelassen.
Böcklin machte sich an die Arbeit und im Mai des gleichen Jahres waren die ersten beiden Fassungen der Toteninsel vorhanden.[4] Die erste Version, welche sich heute in Basel befindet, hatte Böcklin zuerst unvollendet stehen gelassen und mit einer zweiten Fassung begonnen, da er die Bildidee in einem anderen Format ausführen wollte. [5] Die zweite Fassung war dann auch die, welche er Frau Berna übergab, die ursprüngliche Fassung stellte er erst später fertig.
Auf Drängen des Kunsthänderls Fritz Gurlitt malte Böcklin 1883 in Florenz eine dritte Version der Toteninsel. Im Vergleich zu den ersten beiden Fassungen liegt der Hauptunterschied bei dieser Fassung vor allem in der farblichen Gestaltung. Waren die ersten beiden noch sehr dunkel, fiel die dritte Fassung deutlich heller aus. Böcklin bekam von Gurlitt 8.000 Mark für das Werk gezahlt und schaffte es im Januar 1884 für 22.500 Mark, einem vielfachen des Abkaufpreises, in Worms an den Großkaufmann Cornelius Julius Schön weiterverkaufen. [6] Gurlitt, welcher dem Bild auch den Titel „Die Toteninsel“ gegeben hatte, sah den Handel mit Werken Böcklins als äußerst lukratives Geschäft und nutzte ihn hierbei auch aus. So verschwieg er gegenüber dem kaufmännisch nicht sehr kundigen Künstler etwa, wer die Bilder kaufte und zu welchem Preis. Er war vor allem daran interessiert, Böcklin die Bilder möglichst günstig herzugeben. 1889 kam es daher schließlich zum Bruch Böcklins mit Gurlitt. [7]
Nach der durch Gurlitt angeregten dritten Fassungen entstanden noch zwei weitere Fassungen des Gemäldes. Während die vierte Fassung einen privaten Käufer hatte, handelte es sich bei der fünften Fassung um einen Auftrag des Museums der bildenen Künste in Leipzig. Es wurde vermutet in der Forschung, daß Böcklin die letzten beiden Versionen eher widerwillig aus finanziellen Gründen malte, weitere Bestellung bezüglich „Toteninsel“-Motiven lehnte er jedoch in Zukunft ab. [8]
Während des Ersten Weltkrieges waren auf reichsdeutschen Feldpostkarten Böcklins „Toteninsel“ sowie Ableger davon sehr beliebt.
1933 gelangte die dritte Fassung von 1883 über den deutschen Kunsthandel schließlich in den Besitz von Adolf Hitler, das sich zuerst in dessen Privatgemächern auf dem Obersalzberg und ab 1940 in der Reichskanzlei in Berlin befand. [9] Hitler selbst hatte 1909 bereits eine Aquarell-Zeichnung mit dem Titel „Burg Utopia“ angefertigt, welche durch Böcklin beeinflußt worden sein könnte, wenn auch sehr frei darauf aufbauend. Auf einer Photographie vom 12. November 1940, welche Hitler und den sowjetischen Außenminister Molotow bei einem Staatsbesuch in der Reichshauptstadt zeigt, ist die „Toteninsel“ im Hintergrund an der Wand zu erkennen. [10] Nach 1945 galt dies als letzter bekannter Aufenthaltsort des Gemäldes, denn seither galt es als verschollen und tauchte erst in den 1980er Jahren überraschend wieder auf.
Ein ähnliches Schicksal erlitt die vierte Fassung, welche seit 1945 ebenso verschollen ist und als vernichtet gilt. Das Werk befand sich im niederländischen Den Haag und wurde dann nach Berlin gebracht, um es besser vor feindlichen Angriffen zu schützen. Vermutlich ist es aber im letzten Kriegsjahr verbrannt. Heute existiert nur noch eine schwarz-weiße Kopie des Werkes, das Original ist der Nachwelt wohl für immer verschollen.
Vorlagen
Die Forschung hat immer wieder versucht, Vorlagen auszumachen, welche Böcklin zu seinem Werk inspiriert haben können. Neben wirklichen Landschaften im Gebiet des Mittelmeeres hat man auch literarische Werke als mögliche Inspiration angeführt. Es handelt sich dabei jedoch nach wie vor um Spekulation, eine endgültige und sichere Aussage diesbezüglich kann nicht gemacht werden.
Reallandschaftliche Vorlagen
Da die Toteninsel mediterran gehalten ist und Böcklin als sogenannter „Deutschrömer“ viel Zeit in Italien verbrachte, war es ein naheliegender Gedanke, daß Böcklin eine reale Insel als Vorbild für seine „Toteninsel“ gehabt haben könnte. Dies wäre auch keine Besonderheit, so ist etwa von Caspar David Friedrich bekannt, daß dieser viele Landschaften seiner pommerschen Heimat als Vorlage für diverse Werke nutze. Im Laufe der Zeit kristallisierten sich in der Böcklin-Forschung verschiedene Orte heraus, welche hierfür in Frage kämen:
- Vor dem kroatischen St. Jurai (dt. Heiliger Georg), einem Fischerdorf, befindet sich eine kleine Insel, welche als Friedhof fungiert. Die Gemeinsamkeiten mit Böcklins Bild liegen zum einen in der Tatsache, daß es sich um eine eigene Friedhofsinsel handelt, zum anderen, daß auf St. Jurai hohe Zypressen markant das Bild der kleinen Insel prägen. Sollte St. Jurai tatsächlich Vorbild gewesen sein, so konnte Böcklin es allerdings nur aus zweiter Hand wissen, denn er war niemals in dieser Gegend. [11]
- Pontikonissi: Neben St. Jurai geriet auch die nahe Korfu liegende ionische Insel Pontikonissi in den Verdacht, Böcklin als Vorlage gedient zu haben. Sowohl die Form der Insel, ihre Steinmauern am Ufer sowie die ebenso vorhandenen Zypressen machen eine Assoziation mit der „Toteninsel“ möglich. Hier muß jedoch auch wieder angemerkt werden, daß Böcklin sich nie dort befunden hatte. [12] Interessant ist in diesem Zusammenhang noch, daß Richard Dehmel um 1900 den Ferienort Pontikonissi mit der Begründung verließ, der Ort habe zu viele Ähnlichkeiten mit Böcklins Gemälde gehabt, was auf Dauer nicht zu ertragen gewesen sei. [13]
- Ischia: Eine weitere Insel, welche man als mögliche Vorlage ausmachte, ist das im Golf von Neapel gelegene Ischia. Hier bietet sich vor allem das an der Ostseite gelegene Castello Aragonese, eine ehemalige Festung Alfonsos von Aragon, als Vorlage an. Die vielen Öffnungen in den zum Großteil sehr glatten Mauern lassen sich gut als Inspiration für die Felsengräber in Böcklins Gemälde deuten. Im Gegensatz zu St. Jurai und Pontikonissi ist ein Besuch Böcklins auf Ischia für das Jahr 1879, als wenige Jahre vor dem Entstehen der ersten Fassung des Gemäldes belegt. [14] Der Aussage seines Schülers Friedrich Albert Schmidt nach soll sich Böcklin selbst diesem gegenüber geäußert haben, der Anblick der Festung habe ihn zu dem Bild motiviert. [15]
- In diesem Kontext ist noch zu erwähnen, daß Böcklin auch von den etruskischen Felsengräbern in Italien inspiriert worden sein könnte. Zu seiner Lebenszeit rückten diese auch näher in den Blickpunkt der Forschung, nachdem sie zuvor weniger Beachtung gefunden hatten.
Mythologische Vorlagen
Da Böcklin in seinen Werken sich gerne auf das griechische Altertum bezog (vor allem der arkadische Hirtengott Pan spielt hierbei eine große Rolle), lag die Vermutung nahe, daß der „Toteninsel“ ein mythologisches Motiv zugrunde liegen könnte.
Hierbei lag vor allem der Fährmann Charon, welcher in der griechischen Mythologie gegen eine Bezahlung in Form einer Münze im Mund des Toten, Verstorbene über das Totengewässer des Acheron übersetzt, der Forschung im Auge. Charon wurde auch nationenübergreifend von diversen Künstlern mit seinem Boot dargestellt, das Motiv war somit in der Kunst präsent und dürfte auch zu Lebzeiten Böcklins Assoziationen beim Betrachten der „Toteninsel“ geweckt haben. Interessant ist hierbei jedoch, daß das Boot und der Fährmann in den ersten beiden Fassungen des Werkes ursprünglich nicht vorhanden waren und erst relativ spät noch eingefügt wurden. Wenn das Motiv der Überfahrt über den Acheron Böcklin als Inspiration diente, so kann dies nicht für das Gesamtwerk, sondern nur ein einzelnes Bildelement dienen.
Das Bild setzt jedoch für den Betrachter keinerlei Vorkenntnisse der griechischen Mythologie voraus.
Literarische Vorlagen
Ebenso wurden literarische Werke als Vorlage für das Gemälde vermutet, hierbei vor allem Jean Paul (Friedrich Richter), dessen Werke Böcklin kannte und schätzte.
Deutung des Werkes
(...)
Die Lebensinsel
1888 erstellte Böcklin mit „Die Lebensinsel“ ein weiteres Werk, das eine Invertierung der „Toteninsel“ darstellt.
Rezeption in der Kunst
In der Kunst wurde die „Toteninsel“ sehr häufig rezipiert und diverse Kunstwerke lehnen sich auch an diese an, sowohl bei Zeitgenossen Böcklins als auch spätere Künstler. Meist handelt es sich dabei jedoch um die dritte Fassung des Bildes, welches als Vorlage diente.
Siegfried Zademack
Der deutsche Künstler Siegfried Zademack griff in einigen seiner Werken das Motiv der „Toteninsel“ mehrfach auf:
Sonstige Werke
Adolf Hitler: „Burg Utopia“, Aquarell, 18x25cm, Privatsammlung. (Wohl angeregt durch Böcklin oder die populäre Rezeption des Bildes.)
Version der „Toteninsel“ des deutschen Künstlers H. R. Giger, orientiert an der fünften Fassung des Bildes.
Netzfund.[16]
Mario Weit: „Toteninsel, frei nach Arnold Böcklin“, Fotographie (bearbeitet). [17]
Karl-Heinz Hoffmann: „Toteninsel“ (Entwurf), 1958. (Sehr frei nach der Vorlage.)
Rezeption in der Musik
Der deutsche Komponist Max Reger komponierte 1913 „Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin“, wo der dritte Titel sich auf „Die Toteninsel“ bezieht. Hierbei wurde versucht, die Stimmung des Gemäldes musikalisch umzusetzen.
Verwendete Literatur
- Dorothea Christ: Arnold Böcklin. Die Gemälde im Kunstmuseum Basel, Basel 1990.
- Andrea Linnebach: Arnold Böcklin und die Antike. Mythos ◦ Geschichte ◦ Gegenwart, Hirmer Verlag, München 1991.
- Franz Zelger: Arnold Böcklin. Die Toteninsel. Selbstheroisierung und Abgesang der abendländischen Kultur (Fischer-Taschenbücher, Bd. 10514), Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1991.
Netzverweise
- Toteninsel.net (Seite, die dem Werk gewidmet ist)