Kogon, Eugen

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Eugen Kogon

Eugen Kogon (geb. 2. Februar 1903 in München; gest. 24. Dezember 1987 in Königstein im Taunus) war ein Jude in Deutschland. Er betätigte sich als Publizist und Umerzieher der Nachkriegsgenerationen.

Leben

Eugen Kogon im Dienste der Alliierten

Eugen Kogon wurde 1903 in München geboren und wuchs elternlos in einer katholischen Pflegefamilie sowie in Internaten der Benediktiner (in Schweiklberg bei Vilshofen ab 1914) und der Dominikaner (in Vechta/Oldenburg ab 1920) auf.[1] Sein Vater war nach Kogons eigenen Angaben ein russischer Diplomat, seine Mutter eine jüdische Studentin, die aus der Nähe von Odessa stammte.[1]

Nachdem Kogon im Jahre 1922 das Abitur abgelegt hatte, studierte er Nationalökonomie und Soziologie in München, Florenz und Wien.[1] Er war erklärter Pazifist, trat aktiv für die Interessen der Arbeitnehmer ein und schloß sich als Schüler des Wiener Soziologen Othmar Spann der Ständestaatsbewegung an. Kogons Dissertation („Faschismus und Korporativstaat“; 1927) basierte auf dem Studium des italienischen Faschismus unter Mussolini bzw. dessen Ansatz eines sozial gerechten Ständestaates, mit dem sich Kogon während seines Florenz-Aufenthaltes 1925/26 beschäftigte.[1]

Wirken

Seine publizistische Laufbahn begann Eugen Kogon bei der Wiener sozialkatholisch-konservativen Wochenschrift „Schönere Zukunft“, deren Redakteur er von 1927 bis 1932 war. Von 1933 bis 1934 fungierte er als Chefredakteurs der Wiener Neuen Zeitung,[2] einem Organ der Christlichen Gewerkschaften, deren Berater er außerdem war.[3] Dort schrieb er 1933: „Das nationalsozialistische Deutschland hat das ungeheure Wagnis auf sich genommen, das Netz internationaler Ränke von klugen Diplomaten unablässig aus Scheinheiligkeit, Sorge, Angst und Neid und Verblendung gewebt, zu zerreißen [...]“ Die Auflösung des Reichstages durch Hitler zeuge von „Kühnheit und Selbstbewußtsein“. Dann beklatschte er Mussolinis Regime: Faschismus befreit, indem er bindet!“. Am 6. Dezember 1933 wetterte er gegen den „laizistischen, freimaurerischen, jüdischen Staat der sogenannten Demokratie mit ihrem alle Kultur vernichtenden falschen Gleichheits- und Freiheitsbegriff“.[4]

1934 zog Kogon sich aus der österreichischen Publizistik zurück und trat in die Vermögensverwaltung des Hauses Sachsen-Coburg-Gotha-Cohary ein. Auf Geschäftsreisen in Europa brachte er Gegner Deutschlands miteinander in Verbindung und finanzierte ihre Aktivitäten. Zweimal, 1936 und 1937, wurde er deshalb bei Aufenthalten in Deutschland von der Gestapo verhaftet und am 12. März 1938, einem Tag nach dem Beitritt Österreichs an das Deutsche Reich, kam es zur dritten Verhaftung, die im September 1939 zur Internierung im Konzentrationslager Buchenwald führte.[5] Dort arbeitete Kogon zeitweise als Arztschreiber des KL-Arztes Erwin Ding-Schuler, zu dem er nach Eigenauskunft eine fast vertrauensvolle Beziehung aufgebaut habe, und gehörte ab 1942 dem illegalen Lagerwiderstand in führender Position an.[6] Anfang April 1945 erfuhr Kogon angeblich, daß er auf einer Liste mit 46 namentlich genannten Häftlingen stünde, welche die SS kurz vor der Eroberung des Lagers noch exekutieren wollte. Wie er in seinem erstmals 1946 veröffentlichten Buch „Der SS-Staat“ behauptet, habe der im August 1945 verstorbene Ding-Schuler ihm aber das Leben gerettet, indem er ihn in einer Kiste aus Buchenwald herausschmuggelte.[7]

Umerzieher der Deutschen

Nach dem Sieg der Judenheit über das Deutsche Reich ließ Kogon sich mit seiner Familie in einem eigens für ihn beschlagnahmten Haus in der Nähe von Frankfurt am Main nieder. Als „Berater“ einer Gruppe Juden der Psychological Warfare Division (dt.: Abteilung für Psychologische Kriegführung)[8] des SHAEF schrieb er in Camp King innerhalb von vier Wochen auf 400 dicht beschriebene Schreibmaschinenseiten den sogenannten „Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar“, kurz „Buchenwald Report“, den er trotz strikter Kontrolle des Verlagswesen bereits 1946 in leicht überarbeiteter und erweiterter Form unter dem Titel „Der SS-Staat“ als Buch veröffentlichen durfte.[9][5] Obwohl – oder gerade weil – sich Kogon an vielen Stellen dieses unwissenschaftlichen Druckwerkes schlicht irrt und unsauber arbeitet – zum Beispiel kolportiert er darin auf einer Seite eine maßlos übertriebene Opferzahl von „wenigstens 3,5 Millionen, wahrscheinlich 4,5 Millionen“ für das Konzentrationslager Auschwitz, um auf der nächsten Seite gar 5,5 Millionen Todesopfer anzugeben[10] – gilt es in der BRD noch heute als Standardwerk über die Konzentrationslager und wurde Generationen bundesdeutscher Schüler als Geschichtsquelle Nr. 1 angedient. In deutscher Sprache wurde das Buch über 500.000mal verkauft (Stand 2007). Darüber hinaus gibt es Übersetzungen in zahlreiche Sprachen – ins Englische bspw. unter dem reißerischen Titel „The Theory and Practice of Hell“ (dt.: „Die Theorie und Praxis der Hölle“).

Am 16. April 1947 trat Kogon als Zeuge der alliierten Anklage beim Dachauer Schauprozeß gegen 31 ehemalige Angestellte des Konzentratonslagers Buchenwald auf.

Gründungsvater der BRD/EU

Im April 1946 begründete Kogon zusammen mit Walter Dirks die Monatsschrift für Kultur und Politik „Frankfurter Hefte“ (seit der Fusion mit der von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen Zeitschrift „Die Neue Gesellschaft“ 1984 unter dem neuen Titel „Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte“). Er setzte sich für einen Läuterungsprozeß in Deutschland ein, der die Vergangenheit nicht verdrängen, sondern aufarbeiten sollte. Obwohl Mitgründer der Frankfurter CDU, warf er der Politik der Adenauer-Ära vor, nicht rechtzeitig und gründlich genug zu reformieren. Zusammen mit Walter Dirks prägte er den Begriff der restaurativen Republik. Seine gesellschaftspolitische Zielvorstellung war ein „freiheitlicher Sozialismus aus christlicher Verantwortung“. Der Umerzieher Walter Jens würdigte ihn als einen (roten) Sozialisten, der für den Einzelnen kämpfe.

In der zweiten Hälfte der 1940er und der ersten Hälfte der 1950er Jahre war Eugen Kogon einer der führenden Männer der „Europäischen Bewegung“, die eine Europäische Föderation als Dritte Kraft zwischen den beiden großen Machtblöcken im beginnenden Ost-West-Konflikt anstrebte. Als führendes „deutsches“ Mitglied der Union der Europäischen Federalisten (UEF) leitete er im Herbst 1948 die Konstituierung eines nationalen Rates für Deutschland in die Wege und berief zu diesem Zweck einen vorläufigen Ausschuß nach Schöneberg im Taunus ein, der eine Liste mit rund 250 Personen erstellte, die den künftigen Deutschen Rat der Europäischen Bewegung bildeten. Bei der Gründung des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung am 13. Juni 1949 wurde Kogon zum Vorsitzenden des Exekutiv-Ausschusses bestellt, und von 1951 bis 1953 übernahm er das Präsidentenamt.[11]

Von 1951 bis 1968 lehrte Kogon als ordentlicher Professor Politikwissenschaft an der TH Darmstadt mit dem Ziel, das politische Bewußtsein der heranwachsenden technologischen Intelligenz zu entwickeln und zu stärken. Daneben nahm er als Publizist zu aktuellen politischen Fragen Stellung. Schwerpunkte seines Engagements waren seine Gegnerschaft gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands nach dem Krieg, gegen die Atomrüstung und gegen die Notstandsgesetzgebung sowie sein Eintreten für eine „Neue Ostpolitik“, für Entspannung und Abrüstung im Ost-West-Konflikt und für die „Friedensbewegung“. Zunehmend umweltbewußt und kapitalismuskritisch, sah er die industriewirtschaftliche Zivilisation in einer schweren Krise und setzte seine Hoffnung auf immer neue gesellschaftliche Gruppen: die Kirchen, die Jugend, die technologische Intelligenz und die Gewerkschaften, die er aus der engen Rolle einer reinen Interessenorganisation herauszuführen versuchte.

In den 1960er Jahren wurde Kogon Moderator im neuen Medium Fernsehen. Zeitweise leitete er die Sendungen „Blick in die Zeit“, „Perspektiven“ und vor allem (1964) das damals politisch heftig umstrittene „Panorama“.

Die Menschen und der Terror (Aufzeichnung)

In „Die Menschen und der Terror“ sind zwei Auf­zeich­nun­gen von 1953 zu hören. Zum einen ein Ra­dio­ge­spräch zwi­schen Eugen Kogon, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer. Die drei Pro­fes­so­ren gehen von den Begrif­fen der Angst, der Neurose und der Ver­drän­gung aus und kom­men dann u. a. auf Phä­no­me­ne totalitärer Herr­schaft, An­pas­sung, Nationalismus und Ver­ding­li­chung zu spre­chen. Zum an­de­ren wird ein Vor­trag Hannah Arendts ver­le­sen, in dem es um den Ter­ror to­ta­li­tä­rer Herr­schaft (ins­be­son­de­re des Stalinismus) geht:

BRD-Referenzen und „Würdigungen“ und „Auszeichnungen“

  • 1960: Johann-Heinrich-Merck-Ehrung der Stadt Darmstadt
  • 1964: Goldplakette der Gewerkschaft der Polizei
  • 1968: Wilhelm-Leuschner-Medaille, für Verdienste um das Land Hessen
  • 1980: Buber-Rosenzweig-Medaille, von der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
  • 1982: Hessischer Kulturpreis
  • 1985 m. A.: Preis der Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus

Der Jude Alfred Grosser zählte Kogon zu den drei eigentlichen „Schöpfern von Europa“. Der Politologe Ernst-Otto Czempiel würdigte seinen Lehrer Kogon anläßlich dessen 100. Geburtstages 2003 als einen der wichtigsten „intellektuellen Gründungsväter der Bundesrepublik“.[12]

Eugen-Kogon-Preis

2002 stiftete die Stadt Königstein im Taunus den „Eugen-Kogon-Preis für gelebte Demokratie“. Bisherige Preisträger waren der ehemalige polnische Außenminister Władysław Bartoszewski, der deutsche Reformpädagoge Hartmut von Hentig, der französische Politologe Joseph Rovan und der ehemalige bayrische Unterrichts- und Kultusminister Hans Maier.

Mitgliedschaften

Kogon war u. a. Mitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der Martin-Niemöller-Stiftung.

Schriften (Auswahl)

  • Gesammelte Schriften in 8 Bänden, Beltz, Weinheim 1995–1999
    • 1. Ideologie und Praxis der Unmenschlichkeit, 1995
    • 2. Europäische Visionen, 1995
    • 3. Die restaurative Republik, 1996
    • 4. Liebe und tu was du willst, 1996
    • 5. Die reformierte Gesellschaft, 1997
    • 6. Dieses merkwürdige wichtige Leben, 1997
    • 7. Bedingungen der Humanität, 1998
    • 8. Die Idee des christlichen Ständestaats, 1999

Mitherausgeber

  • Kurt Fassmann unter Mitwirkung von Max Bill, Hoimar von Ditfurth u. a. (Hgg.): Die Großen – Leben und Leistung der sechshundert bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Welt, Kindler Verlag, Zürich 1977

Literatur

  • Karl Prümm: Walter Dirks und Eugen Kogon als katholische Publizisten der Weimarer Republik, Catholic Press, Heidelberg 1984
  • Jürgen Mittag: Vom Honoratiorenkreis zum Europanetzwerk: Sechs Jahrzehnte Europäische Bewegung Deutschland; in: 60 Jahre Europäische Bewegung Deutschland, Berlin 2009, S. 12–28 im Weltnetz

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Munzinger-Archiv GmbH, 2007
  2. Österreichische Nationalbibliothek: Die Neue Zeitung
  3. In dieser Zeit war er auch Berater der Zentralkommission der Christlichen Gewerkschaften Österreichs. In der Hoffnung, die Ständestaatsidee könne den Nationalsozialismus in Deutschland „verchristlichen“, arbeitete Kogon 1933-1934 für das christliche Gewerkschaftsblatt „Neue Zeitung“ und 1934 kurze Zeit für das Nachfolgeblatt „Österreichischer Beobachter“.
  4. Die Neue Zeitung, 6. Dezember 1933, Seite 1: Priester und neue Zeit. (Anno)
  5. 5,0 5,1 96-book.png Google-BücherS. Lillian Kremer: Holocaust Literature: Agosín to Lentin, Taylor & Francis, 2003, S. 684, ISBN 9780415929837
  6. Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, 1974, S. 318 ff.
  7. Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, 1974, S. 338 f.
  8. Die Kampfgruppe Rosenberg der Abteilung für Psychologische Kriegführung gehörte zu den ersten Alliierten, die das Lager Buchenwald betraten und bestand aus den Juden Albert G. Rosenberg, Max M. Kimenthal, Richard Akselrad, Alfred H. Sampson und Ernest S. Biberfeld.
  9. David A Hackett: The Buchenwald Report, Westview Press, 1997, ISBN 978-0813333632
  10. 96-book.png Google-BücherEugen Kogon: Der SS-Staat: das System der deutschen Konzentrationslager, W. Heyne, 13. Auflage, 1985, S. 176 f., ISBN 978-3453006713:

    „Auschwitz mit wenigstens 3,5 Millionen, wahrscheinlich 4,5 Millionen Todesopfern.“

    & 96-book.png  Faksimile Eugen Kogon: The Theory and Practice of Hell, Farrar, Straus and Giroux, 2006, S. 247 f., ISBN 978-0374529925
  11. 96-book.png PDF Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland e.V. (Hg.): 60 Jahre Europäische Bewegung Deutschland, S. 18
  12. NZZ, 1./2. Februar 2003