Kinski, Klaus

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Klaus Kinski (1926–1991)

Klaus Günter Karl Nakszyński (Lebensrune.png 18. Oktober 1926 in Zoppot, Freie Stadt Danzig, Todesrune.png 23. November 1991 in Lagunitas, Kalifornien) – besser bekannt unter seinem Künstlernamen Klaus Kinski – war ein deutscher Bühnen- und Filmschauspieler. Er verkörperte oft das Böse, Dämonische oder Übersteigerte, z. B. in Edgar-Wallace-Filmen, Italowestern sowie Filmen von Werner Herzog, der 1999 mit dem Dokumentarfilm „Mein liebster Feind“ an die gemeinsame Arbeit erinnerte; Kinski ist auch als Rezitator bekannt. Er spielte in Filmklassikern wie „Nosferatu – Phantom der Nacht“ oder „Aguirre, der Zorn Gottes“. Seine Entgleisungen in der Öffentlichkeit festigten seinen Rang als Idol und Legende.

Werdegang

Klaus Kinski war der Sohn eines Apothekers (nach anderen Angaben war der Vater ein erfolgloser Opernsänger) und einer Danziger Pfarrerstochter. Um 1931 übersiedelte die Familie nach Berlin. In Berlin besuchte Kinski bis zur Untersekunda (nach anderen Angaben bis zur Obertertia) das humanistische Prinz-Heinrich-Gymnasium. Eigenen Berichten zufolge hatte er eine konflikthafte Kindheit und mußte früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Während des Krieges nahm er an einem HJ-Wehrertüchtigungslager in Holland teil und geriet in britische Kriegsgefangenschaft. Dort, im Gefangenenlager, sammelte er mit einem von ihm zusammengestellten Ensemble seine ersten Schauspielerfahrungen.

Auch ohne Schauspielerausbildung erhielt Klaus Kinski nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft erste Bühnenengagements in Tübingen und Baden-Baden. 1946 holte ihn Boleslaw Barlog nach Berlin, wo er u. a. im Schloßpark-Theater in Gerhart Hauptmanns „Die Ratten“ zu sehen war. Anschließend war er 1947/48 am Theater in der Kaiserallee engagiert. Man sah ihn dort u. a. in Jean Cocteaus „Die Schreibmaschine“ und Henrik Ibsens „Die Gespenster“. In den Kammerspielen des Deutschen Theaters trat er 1952 in Shakespeares „Maß für Maß“ auf. Glänzende Kritiken erhielt er bei den Berliner Festwochen im selben Jahr für seine Darstellung des Fürsten Myschkin in Hans Werner Henzes Ballettpantomime „Der Idiot“ (nach Dostojewski). Nachdem er mit Boleslaw Barlog gebrochen hatte, indem er ihm die Scheiben seiner Privatwohnung einwarf, übernahm er, durchaus erfolgreich, verschiedene Gastrollen an deutschen und österreichischen Bühnen. Breite Beachtung fand er ab 1953 als Rezitator, vor allem mit Gedichten Villons, Rimbauds und Schillers.

Kinski verursachte Schlagzeilen. So warf er dem Regisseur Barlog die Fensterscheiben ein, trat als Frau im Pyjama auf usw. Da seine genialisch-geniale – wenn auch oft allzu exaltierte – Interpretationskunst gerne mit einer Neigung zu exzentrischen Ausfällen und rüden Publikumsbeschimpfungen verbunden war, gerieten seine Rezitationsveranstaltungen zu Aktionsdarbietungen und nicht selten zu handfesten Skandalen. Seine eigene Inszenierung von Jean Cocteaus Einpersonenstück „La voix humaine“ (Die geliebte Stimme), vorgestellt in einem Saal am Berliner Kurfürstendamm, wurde wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses gewaltsam abgesetzt. Dessen ungeachtet hatte Kinski mit seinen Rezitationstourneen zeitweise großen Erfolg. Allein 1961 trat er mit seiner „Ein-Mann-Wanderbühne“ über hundertmal in der Bundesrepublik, in Österreich und der Schweiz auf. Außerdem produzierte er rund 25 Schallplatten mit seinen Rezitationen. Sein Versuch von 1971, mit Texten aus dem Neuen Testament noch einmal an diese früheren Rezensionsfolge anzuknüpfen, geriet allerdings zum Fiasko: Sein Auftritt in der Berliner Deutschlandhalle mußte nach Tumulten abgebrochen werden. Seine letzte Bühnenrolle hatte Kinski bereits 1959 unter Rudolf Noelte an der Freien Volksbühne Berlin in einem Theaterabend unter dem Titel „Illusionen“ gespielt.

Sein erstes Filmprojekt, in dem er zusammen mit Thomas Harlan[1] die jüdische Leidensgeschichte auf die Leinwand bringen wollte, ging recht kläglich daneben.

Mit einer kleinen Rolle in Eugen Yorks „Morituri“ hatte sich Kinski schon 1948 dem Spielfilm zugewandt, der zunehmend seine eigentliche Domäne wurde und ihm zu einer internationalen Karriere verhalf, obwohl er selbst die meisten seiner an die 200 Filmrollen „zum Kotzen“ fand. Immerhin ließ er in verschiedenen Rollen seine großen schauspielerischen Möglichkeiten erkennen. Dann erfuhr die Öffentlichkeit von zwei Suizidversuchen. Seit den späten 1950er, frühen 1960er Jahren spielte er Schurken, pathologische Würger, Messerstecher u. ä. m.[2]

Kinski führte in diesen Jahren in Rom das exzentrische Leben eines gefragten internationalen Filmstars und gab durch sein aggressiv-ausschweifendes Verhalten der Boulevardpresse immer wieder Anlaß, sich mit seiner Person zu beschäftigen. Als Skandal empfunden wurde auch seine Autobiographie „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“ (1975). Für Schlagzeilen sorgte er u. a. auch anläßlich seiner dritten Eheschließung mit der vietnamesischen Sprachstudentin Minhoi Loanic im Mai 1971, mit der er einen Tag lang durch Rom tobte, Blumenbeete verwüstete, in Lokalen teures Geschirr zertrümmerte und sich schließlich mit Polizisten prügelte, die ihn zur Ordnung rufen wollten. Dem Einfluß dieser seiner dritten Frau wurde aber auch zugeschrieben, daß Kinski zumindest zeitweise sein hemmungsloses Luxusleben aufzugeben versuchte.

Zu einer fruchtbaren künstlerischen Herausforderung wurde die Zusammenarbeit mit Werner Herzog, der ihm in seinen Filmen erstaunliche schauspielerische Leistungen entlockte. Dazwischen drehte er allerdings weiterhin serienweise Trivialfilme im Killer- und Gruselgenre.

1980 übersiedelte Kinski von Rom nach Los Angeles, wo er (für die VSA) um die Staatsbürgerschaft bat. Er drehte in den folgenden Jahren einige Filme in Hollywood, doch gelang ihm auch dort kein großer Durchbruch. Vor lauter Profilierungssucht beleidigte Kinski sein Elternhaus, so daß seine Brüder ihn wegen „gemeiner Verleumdung und verlogener Selbstdarstellung“ attackierten.

Mißbrauchsvorwurf

Im Frühjahr 2013 gab die älteste Tochter Pola Kinski im Rahmen der Präsentation ihrer Autobiographie bekannt, daß ihr Vater sie in der Kindheit und noch als Jugendliche sexuell mißbraucht habe. Die daran anschließende Gerichtsbarkeit in Form öffentlicher Verurteilungen Klaus Kinskis durch ehemals nahestehende Personen verkörpert eine ganz neue Spielart von „Vergangenheitsbewältigung“, die es zuvor so nicht gab. Publizistische Schnellgerichte stehen nicht bloß über jedem ehrenden Angedenken und über der Totenruhe, sie kennen auch keine Revision. Sie repräsentieren vielmehr einen neuen Typus des Totengedenkens – die unablässige moralische Anklage Verstorbener nämlich –, ein neuer Typus des Totengedenkens, der – im Zeitalter unendlicher und leicht zugänglicher Weltnetzquellen – die Möglichkeit des ehrenvollen Sterbens überhaupt für jederman kategorisch in Frage stellt.

Familie

Klaus Kinski war in erster Ehe mit Gislint Kühlbeck verheiratet. Aus dieser Verbindung stammt seine Tochter Pola (Lebensrune.png 1952), die ebenfalls Schauspielerin wurde. Aus seiner zweiten Ehe (1960–1968) mit Ruth Brigitte Tocki stammt seine Tochter Nastassja (Lebensrune.png 1961), deren internationale Filmkarriere sich mit der des Vaters durchaus messen kann. Aus der Ehe (1971–1981) mit der Vietnamesin Minhoi Geneviève ging der Sohn Nanhoï (Lebensrune.png 1976) hervor. Alle diese Ehen wurden geschieden. 1987 schloß Klaus Kinski seine vierte Ehe mit der 17jährigen Italienerin Debora Caprioglio, die sich aber 1989 wieder von ihm trennte.

Klaus Kinski starb am 23. November 1991 im Alter von 65 Jahren in Lagunitas in Kalifornien.

Legendenbildung

Der renommierte Psychiater Borwin Bandelow (insbesondere mit Forschungen zur Angststörung hervorgetreten) hat in einem viel beachteten Buch die Psychopathologie der Berühmtheit untersucht. Dazu sammelte er viele Jahre Anekdoten über bekannte Persönlichkeiten aus der boulevardjournalistischen Sphäre und versuchte, sie einer wissenschaftlichen Deutung zuzuführen. In seinen Schilderungen erscheint Klaus Kinski als der selbstschädigende, haltlose Narziß, der lässig mitteilt, einen „Amischlitten“ rasch wieder verkauft zu haben, „weil der Aschenbecher voll war“.

Die Darlegungen Bandelows – so anregend sie sind – wecken einen gewissen Zweifel, ob die vorgestellte wissenschaftliche Terminologie tatsächlich geeignet ist, eher „narzßtische“ von eher „manisch-depressiven“ Ausbrüchen klar zu trennen – und was mit einer derartigen Etikettierung therapeutisch eigentlich gewonnen wäre. Denn außer bei schweren Fällen von Suchtzerstörung meiden erfolgreiche, international bekannte Künstler bekanntermaßen jeden Versuch eines Wegtherapierens ihrer Allüren. Das aber ist nun gerade kein psychopathisches Verhalten, sondern dergleichen folgt vielmehr der klassischen magischen Auffassung, bei völlig unbekannten Ursachen (für Erfolg und Begabung) sich richtigerweise an strikte Regelroutinen zu halten. Diese Regelroutinen diagnostiziert dann ein Psychiater womöglich als „Zwangsstörung“, ohne aber selber die tatsächlichen Faktoren des Erfolges oder eben der Begabung benennen zu können.

Da jene akademisch überfrachtete Psychiatrie jedoch noch nie einen gesunden Menschen beschreiben oder gar vorzeigen konnte (etwa am Ende einer ihrer mitunter langjährigen Therapien), bleibt der begründete Verdacht im Raum, daß alle Strategien der Lebensbewältigung ihren Nutzen (auch vielleicht ihren versteckten Nutzen) haben, und daß darin die dauertherapierende Psychotherapie nur ein einzelnes – und vielleicht gar kein empfehlenswertes – Modell ist. Bandelow verlängert nicht nur die Legende Kinski, was zulässig ist, er gibt auch freimütig zu, nicht zu wissen, wie die psychischen Energien sich eigentlich herausbilden, die einen aus tausend Begabten zum epochalen Künstler machen.[3]

Werke

Klaus Kinski als Nazi-Darsteller in „Kinder, Mütter und ein General“ (1955)

Filmographie (Kinoproduktionen)

Filmographie (Fernsehproduktionen)

  • 1961: Die Kurve
  • 1963: Die Mondvögel
  • 1973: Occupation
  • 1975: Das Geheimnis des Lebens (Lifespan)
  • 1982: Zeit zu zweit (Dokumentarfilm)
  • 1983: Die Schöne und das Biest (Beauty And The Beast)
  • 1984: Hitchhiker, Episode 2/3: Blut an den Händen
  • 1987: Die Zeitfalle (Timestalkers)

Dokumentationen

  • 1978: Was ich bin, sind meine Filme
  • 1982: Burden of Dreams (ARD)
  • 1987: Herzog in Afrika (ARD)
  • 1995: Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund (ARD)
  • 1999: Mein liebster Feind
  • 1999: Please Kill Mr. Kinski (englisch)
  • 2000: Klaus Kinski – Ich bin kein Schauspieler (WDR, Arte), Regie: Christoph Rüter, Inhaltsangabe bei Christoph Rüter Filmproduktion
  • 2011: Klaus Kinski – Es war nicht mal da ruhig, wo ich nicht war (WDR)

Hörspiele

Schriften

  • Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund. Autobiographie. Rogner & Bernhard, München 1975, ISBN 3-8077-0050-1
  • Ich brauche Liebe. Autobiographie. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-04579-3
  • Paganini. Autobiographie. Heyne, München 1992, ISBN 3-453-05637-X
  • mit Peter Geyer: Jesus Christus Erlöser und Fieber – Tagebuch eines Aussätzigen. Suhrkamp, Frankfurt 2006, ISBN 3-518-45813-2
  • Paganini. Autobiographie, Urfassung mit Materialanhang. Belleville, München 2011

Literatur

  • Borwin Bandelow: Celebrities. Vom schwierigen Glück, berühmt zu sein. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006, ISBN 978-3-498-00647-1

Video

Wutausbruch von Klaus Kinski bei den Dreharbeiten von Fitzcarraldo. Nach der Aussage von Regisseur Werner Herzog in diesem Video boten ihm die Eingeborenen am Ende der Dreharbeiten an, Kinski zu ermorden, da sie sein Verhalten als unerträglich empfanden. Herzog lehnte ab.

Verweis

Fußnoten

  1. Thomas Harlan war der Sohn des Regisseurs Veit Harlan und der Schauspielerin Hilde Körber.
  2. Seine eigentliche Filmkarriere, auch in der BRD, begann Anfang der 1960er Jahre, als Kinski als Filmbösewicht mit pathologischem Einschlag für eine lange Reihe von meist zweitklassigen Wallace-Krimis, Italowestern, SS-Filmen u. a. entdeckt wurde.
  3. Borwin Bandelow: Celebrities. Vom schwierigen Glück, berühmt zu sein. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006, ISBN 978-3-498-00647-1. Bandelow schreibt wörtlich: „Was wäre gewesen, wenn Marilyn Monroe nicht Schauspielerin, Jimi Hendrix nicht Rockgitarrist und Edith Piaf nicht Chansonnière geworden wäre? [...] Was hätten sie gehabt, wenn sie nicht berühmt geworden wären? Eine Persönlichkeitsstörung allein mit all ihren negativen Aspekten, ohne die Chance, die eigenen Talente zur Geltung zu bringen [...]“ (S. 263). Dies ist nun nicht weniger als die totale Bankrotterklärung der Psychiatrie als medizinischer Wissenschaft. Oder, wie Kevin Spacey als „außerirdischer“ Psychiatrie-Insasse einmal zu seinem Klinikleiter sagte: „Wenn Sie Menschen heilen können, warum tun sie es dann nicht?“ So eindringlich die biographischen Schilderungen Bandelows sind, sie bezeugen als Summe, daß die jüdische Psychiatrie des 20. Jahrhunderts nicht weiß, was eine Seele ist, daß sie nicht weiß, was eine seelische Versehrung ist und daß sie auch nichts davon weiß, woher das Heil kommt.