Invasion bei Anzio

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Infanterie und Heeres-Flakartillerie an der Nettunofront

Die Invasion bei Anzio oder Operation Shingle vom 22. Januar bis 25. Mai 1944 war die anglo-amerikanische Invasion auf italienisches Festland mit verschiedenen militärischen und politischen Zielen. Im Kern sollten durch das Unternehmen die deutschen Truppen an der Gustav-Linie durch eine Seelandung bei Anzio und Nettuno sowie Rom bedroht werden. Im englischen Fachterminus war dies ein „strategic end run“.

Geschichte

Deutsche Gegenangriffe vom 2. bis 12. Februar
Im Gegensatz zu einem strategischen Ausweichmanöver ohne Angriff auf die Front des umgangenen Gegners wird bei einem taktischen „End Run“ die Front nahe umgangen und im Rücken angegriffen. Hier am 17./18. Januar 1944 an der Gustavlinie. Mit dem Ausweichmanöver end run wird im amerikanischen Football die Defensive line des Gegners durch den Ballhalter umgangen.
Deutsche Fallschirmjäger bei Anzio, darunter der frischgebackene Ritterkreuzträger Oberleutnant Johann Engelhardt (links oben, Mitte)
Spielfilm „Schlacht um Anzio“, 1968; oben die VS-amerikanische, unten die italienische Plakatversion

Ende 1943 hatte sich nach der feindlichen Invasion Siziliens sowie der Invasion auf dem italienischen Festland im September 1943 der Italienfeldzug der Alliierten an der Gustav-Linie festgelaufen. Die angekündigte Invasion in Frankreich war schon um ein halbes Jahr überfällig, Aktionismus sollte in Italien bewiesen werden. Geplant wurde eine Landung hinter der deutschen Gustav-Linie in Nähe zu Rom. Die meisten Landungsfahrzeuge waren aber schon für Frankreich abgestellt. Winston Churchill bevorzugte eine schnelle Landung von zwei Divisionen zur Eroberung von Rom. Harold Alexander wollte eine Landung von fünf Divisionen mit Ziel Gustav-Linie und Mark Clark als Kommandeur der Alliierten in Italien eine Division für eine zeitlich begrenzte Landung von wenigen Tagen, um gegnerische Kräfte zu binden. Drei deutsche Divisionen waren Reserve unter direktem Kommando von Generalfeldmarschall Kesselring, acht weitere geschwächte Divisionen waren als 14. Armee über Italien verteilt. Stadtkommandant Generalleutnant Kurt Mälzer sollte die italienischen Einheiten Roms aufteilen, ein Teil blieb zur Verteidigung der Stadt, der Rest wurde der 14. Armee, seit dem 25. Januar unter Generaloberst Eberhard von Mackensen, unterstellt, dazu kam jeweils eine kampferprobte Division vom Balkan und aus Frankreich.

Der Landung gingen ab dem 16. Januar Angriffe der 5. US-Armee auf die Gustav-Linie voraus (→ Schlacht um Monte Cassino). Diese veranlaßten Generaloberst Heinrich von Vietinghoff, Unterstützung bei GFM Kesselring anzufordern. Daraufhin wurden die 29. und die 90. Panzer-Grenadier-Division von Rom abgezogen und zur Verteidigungslinie befohlen.

Invasion

Am 22. Januar 1944 landete das VI. US-Korps unter John Lucas mit 36.000 Soldaten und 2.300 Fahrzeugen. In den Morgenstunden des 22. Januar 1944 landeten britische und VS-Truppen mit Hilfe von neun Transportschiffen und 226 Landungsbooten in der Nähe von Anzio und Nettuno. Insgesamt wurden 36.000 Soldaten und 3.200 Fahrzeuge abgesetzt. Der Widerstand der wenigen deutschen Verteidiger am Landungsabschnitt war vorerst gering. Die Alliierten hatten 13 Gefallene zu beklagen, weitere 97 Soldaten wurden verwundet. Annähernd 200 deutsche Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft.

Generalfeldmarschall Kesselring wurde am 22. Januar um 3 Uhr morgens von der alliierten Landung informiert. Gegen 5 Uhr befahl er der 4. Fallschirmjäger-Division und Teilen der Fallschirm-Panzer-Division 1 „Hermann Göring“ die Verteidigung der Straßen von Anzio zu den Albaner Bergen (mit PaK).

In den Tagen zuvor wurden Angriffe auf die Gustavlinie unternommen, um von der Landung abzulenken und deutsche Verstärkungen dorthin zu locken. Dazu gehörte auch ein mißlungenes Landungsunternehmen am 17./18. Januars, ein „tactical end run“. Zudem wurde weiter nördlich eine Scheinlandung angedeutet. Bis zum Morgen des 23. Januars waren eine VS-amerikanische Division und eine englische Brigade im Brückenkopf ohne Gegenwehr angelandet. Lucas entschied trotz der leichten Landung, den Brückenkopf zu befestigen und Truppen anzulanden, anstatt weiter vorzurücken. Er wurde abgelöst. Man erwartete von ihm die Störung des Nachschubs von Rom zur Front und die Verbreitung von Panik unter den deutschen Truppen in der Gustav-Linie. Abgesehen davon, daß die Vorräte an der Front für Tage ausreichten und Ersatznachschublinien vorhanden waren, hätten die kampferfahrenen Truppen von 1944 durch einen derartig isolierten Versuch nie Panik bekommen. Von deutscher Seite rückten gegen Anzio eine Reservedivision Kesselrings, eine Reservedivision der 10.& nbsp;Armee, zwei Divisionen der 14. Armee und einige Kampfgruppen der Gustav-Linie vor.

Am 29. Januar begannen die englischen Angriffe zur Vergrößerung des beherrschten Raumes, blieben aber schnell stecken. Am 30. Januar folgten die Vorstöße der VS-Amerikaner, die im Kampf gegen die Panzerdivision „Hermann Göring“ zwei Elite-Ranger-Bataillone opferten. Auf deutscher Seite wurden die Kampfgruppen vergrößert und dabei zu sehr massiert. Zwei Divisionen griffen am 3. Februar von Norden her auf Anzio an. Bis zum 5. Februar wurden die Engländer auf ihre Ausgangslinie zurückgedrängt.

Bis zum 10. Februar wurde den Engländern Aprila (die Fabrik) abgenommen. Am 14. Februar führten die Deutschen einen großangelegten Angriff auf den Brückenkopf durch, der jedoch aufgrund alliierter Überlegenheit zur Luft und zu Wasser keinen Erfolg hatte. Der deutsche Hauptangriff, das Unternehmen „Fischfang“, begann am 16. Februar. Die Geländegewinne waren gering. Die gegnerische Artillerie hatte genug Rohre an Land und auf See, Munition an Land und in der Luft und war eingeschossen. Am Abend wurden die VS-amerikanischen Linien durchbrochen. Am 17. Februar kamen die VS-Amerikaner trotz ihrer Überlegenheit an Material und Truppenstärke soweit in Bedrängnis, daß die alliierten Befehlshaber in Erwägung zogen, den Abschnitt gegen die erbittert kämpfenden deutschen und italienischen Truppen aufzugeben. Allerdings konnte zuletzt auch dieser Angriff sowie ein weiterer, der Ende Februar stattfand, erfolgreich abgewehrt werden.

In den folgenden zwei Wochen griff die Wehrmacht weiter an, ohne den Brückenkopf zu zerstören. Teile der deutschen Truppen wurden in den nächsten drei Monaten immer mehr abgezogen, während die Alliierten ihre Verbände für eine Offensive wieder auffüllten und nächtliche Unternehmen mit Kommando-Einheiten und „Rangern“ durchführten. In der Offensive vom Mai wurden die deutschen Stellungen an der Gustav-Linie genommen, während das VI. Korps ab dem 23. Mai aus dem Brückenkopf heraus in einer politischen Entscheidung nach Norden auf Rom marschierte. Hätte man den Weg nach Osten hinter die Gustavlinie genommen, wären große Teile der 10. deutschen Armee eingeschlossen worden.

Luftwaffe und Kriegsmarine

Während der Invasionslandung und in den Wochen danach versuchten deutsche Kampfflieger des Kampfgeschwaders 40 und des Kampfgeschwaders 100, die See-Einheiten mit ferngesteuerten Bomben des Typs FX 1400 und Hs 293 anzugreifen.

Durch Luftangriffe versenkt wurden:

  • am 23. Januar 1944 der Zerstörer HMS „Janus“,
  • am 24. Januar 1944 das Schiff „St. David“ mit 2702 BRT,
  • am 29. Januar 1944 der Kreuzer HMS „Spartan“ und der Truppentransporter „Samuel Huntington“ (7181 BRT),
  • am 16. Februar 1944 der Truppentransporter „Elihu Yale“ (7176 BRT).

Um die Landungsflotte sowie die Versorgungsschiffe vor den deutschen Luftangriffen zu schützen, wurden drei alliierte Zerstörer (USS „Plunkett“, USS „Frederick C. Davis“ und USS „Herbert C. Jones“) eingesetzt, welche mit der Störung der Fernsteuersignale der ferngesteuerten deutschen Gleitbomben begannen. Diese Maßnahmen zeigten jedoch keinen vollen Erfolg. So wurde der mit Störsignalen arbeitende Zerstörer „Herbert C. Jones“ am 15. Februar 1944 durch einen Hs-293-Angriff beschädigt und der – nicht mit einem Störsender ausgerüstete – Zerstörer HMS „Inglefield“ am 25. Februar 1944 ebenfalls durch den Einsatz von Hs 293 versenkt.

Das deutsche U-Boot „U 410“ versenkte am 15. Februar 1944 das Liberty-Schiff „Fort St. Nicolas“ (7.154 BRT) und am 18. Februar den Kreuzer HMS „Penelope“. U 952 versenkte am 10. März 1944 die William B. Woods, ein Liberty-Schiff mit 7.176 BRT.

Insgesamt konnte die Kriegsmarine aber kaum eingreifen, Kriegsschiffe standen nicht zur Verfügung, und die Luftwaffe leistete beinahe unmenschliches, wurde aber von der zahlenmäßigen überlegenen Royal Air Force und der USAAF stark bedrängt.

Ergebnis

Weder hatten die Alliierten einen wirklichen Operationsplan noch wußte der deutsche Gegner die Lage zu nutzen. Man kann als Entschuldigung die übliche alliierte Überlegenheit an Material anführen. Dennoch, mit der personellen Überlegenheit durch schnelles Heranführen umliegender Truppen und den gegebenen materiellen Ressourcen hätte man in weniger als einem Vierteljahr den Feind schlagen müssen. Selbst der Luftraum konnte in Teilen ausreichend beherrscht werden, um die Landungsflotte zu schädigen.

Rom

Der Anzio-Brückenkopf führte schlußendlich zum Durchbruch nach der deutschen Niederlage bei der Schlacht um Monte Cassino. In der Nacht vom 2. auf den 3. Juni zogen sich die noch in der Cäsar-Linie vor Rom stehenden deutschen Verbände nördlich der Stadt zurück. Am 4. Juni marschierten die 1. US-Panzerdivision und die 36. US-Infanteriedivision in Rom ein. Der weitere Vormarsch der alliierten Armeen kam danach erst im Juli 1944 an der Arno-Linie bzw. Gotenstellung wieder zum Stehen.

Truppenstärke und Verluste

Deutsches Reich:

  • anfänglich ca. 20.000 Soldaten, jedoch weit verstreut
    • zusätzlich fünf italienische Bataillone mit 4.600 Mann
  • zum Schluß 135.000 Soldaten beim Ausbruch des Feindes aus dem Brückenkopf, ebenfalls weit verstreut (viele eingegraben oder in Ruhestellung 150 km entfernt)
    • besonders tapfer kämpfte das II. Bataillon „Vendetta“ und das SS-Füsilier-Bataillon 29 der 1. Sturmbrigade Italienische Freiwilligen-Legion. Für diese Leistungen erhielten die Soldaten von Heinrich Himmler die Erlaubnis, die SS-Runen nunmehr auf dem wie üblich schwarzen statt wie bisher roten Untergrund zu führen. Mehrere Soldaten erhielten Auszeichnungen, und die Regimentsfahne wurde mit einem silbernen Orden ausgezeichnet.
  • 5.000 Tote, 30.500 Verwundete oder Vermißte, 4.500 Kriegsgefangene

Alliierte:

  • 36.000 Soldaten und 2.300 Fahrzeuge
  • 29. Januar 1944: 69.000 Soldaten, 508 Artillerie 208 Panzer
  • zum Schluß 150.000+ Soldaten mit 1.500 Artillerie-Kanonen beim Ausbruch aus dem Brückenkopf
  • 7.000 Tote, 36.000 Verwundete oder Vermißte[1]
    • alleine am ersten Ausbruchstag, dem 23. Mai 1944 (ab 5.45 Uhr), verlor die VS-amerikanische 1st Armored Division (gepanzerte Infanterie-Divison) 100 Panzer und 955 Mann

Bildergalerie

Siehe auch

Literatur

  • Rick Atkinson: The Day of Battle – The War in Sicily and Italy 1943–1944, 2002
  • Bidwell/Graham: Tug of War – The Battle for Italy 1943–1945, 1986
  • Christopher Perello: Operation Shingle: The Anzio Gamble. In: World at War, Heft 33, 2013/14, S. 6–20
  • Jörg Staiger: Anzio-Nettuno – eine Schlacht der Führungsfehler, 1962

Fußnoten

  1. Carlo d’Este: Fatal Decision – Anzio and the Battle for Rome, Harper (1991), Seite 490