Taktik (Militär)
Die Taktik ist die Führung der Truppen/Truppengattungen im Rahmen des Gefechts der verbundenen Waffen durch die untere und mittlere Kommandeursebene. Theoretiker auf diesem Gebiet werden „Militärtaktiker“ bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Für das Kaiserliche Heer erlangte die Stoßtrupptaktik des Ersten Weltkrieges auf Kompanieebene eine herausragende Bedeutung, die im Blitzkrieg des Zweiten Weltkrieges als operativer Bewegungskrieg bedingt durch Luftwaffe und schnelle Truppen auf größerer Ebene zur Anwendung kam.[1]
Zur taktischen Entscheidungsebene gehören u. a. die Kräftekonzentration im Angriff, die Kräfteauflösung im gegnerischen Sturmfeuer, das Halten von Reserven, Tarnung und Aufklärung. Entnommen sind diese Beispiele den Taktikfeldern Grundlagen, Kleinkampf, Angriff, Verteidigung und Täuschung. Maßnahmen, die im größeren Rahmen natürlich auch von der oberen Kommandoebene der Korps und Armeen vorbereitet und angeordnet werden können.
Auftragstaktik
Beim Führen mit Auftrag gibt der militärische Führer den Soldaten mindestens das Ziel, meist noch den Zeitansatz und die benötigten Kräfte vor. Auf Basis dieser Rahmenbedingungen soll der Geführte das Ziel selbständig verfolgen und erreichen. Dies bedeutet, daß der Ausführende in der Durchführung des Auftrages weitgehend frei ist. Dies sichert eine große Flexibilität in der Auftragsdurchführung und trägt wesentlich zur Entlastung höherer Führungsebenen bei.
Diese Taktik wurde schon von den Freikorps und Teile der Preußischen Armee während der Befreiungskriege hinter den feindlichen Linien angewandt, aber auch von den leichten Husaren der Avantgarde (Voraustruppe) bei den zahlreichen verbleibenden kleinen Gefechten im Siebten Koalitionskrieg nach der Schlacht bei Belle Alliance. Auch Helmuth von Moltke, der mit der preußischen Reiterei während des Deutschen Krieges unzufrieden war („ein nutzloser, kostspieliger Ballast für die Armee“), stellte diese neu auf und ließ sie äußerst erfolgreich im Deutsch-französischen Krieg agieren, jedoch nicht mehr an der Front, wo ein säbeltragender Reiterangriff den neuartigen Gewehren des Feindes aus 1.000 m zum Opfer gefallen wären, sondern als Späh-Kavallerie und Jagdkämpfer im Rücken des Feindes (seit 1866 erhielten Ulanen, Husaren und Dragoner genau zu diesem Zweck Französischunterricht). Sie empfangen für drei Tage Verpflegung und dürften autark handeln, allerdings resultatgebunden. Dieses schnelle und unabhängige Zuschlagen sollte im Zweiten Weltkrieg ihr Glanzstück in der Blitzkrieg-Taktik finden.
Das Führen mit Auftrag wurde seit 1888 nach Festlegung in den Dienstvorschriften auf allen Ebenen, seit 1906 unter der Bezeichnung Auftragstaktik angewandt. Führen mit Auftrag kann auch unabhängig von einer „Führung von vorne“ durch Offiziere durchgeführt werden. Auch Zug-, ggf. Truppführer erhielten diese Freiheit, wobei Offiziere an der Front zur Einschätzung der tatsächlichen Lage stets von Vorteil sein kann. So ist bekannt, daß deutsche Generäle und Feldmarschälle im Zweiten Weltkrieg wie zum Beispiel Erwin Rommel teilweise in vorderster Front mit vorrückten, um sich ein Bild vom Gefecht und vor allem vom Gegner machen zu können. Diese Informationen können dann in der Planung des Weiteren Vorgehens verwendet werden. Daraus resultieren eine effizientere und schnellere Führung der Soldaten, aber auch überdurchschnittlich hohe Verluste an Offizieren verglichen mit Armeen, die die Führung mit Befehl anwenden. Die deutsche Wehrmacht hatte im Zweiten Weltkrieg deswegen überproportional hohe Verluste. Mehr als 50 % der Offiziere wurden verwundet oder sind gefallen. Daher kamen oft Untergebene in Führungsverantwortung, die sie formal nicht ausfüllen konnten (Unteroffiziere als Zugführer oder Kompaniechefs waren keine Seltenheit). Auf Grund der Führerausbildung der Wehrmacht, zwei Ebenen höher auszubilden als es dem Dienstgrad entspräche, konnten diese Führerverluste jedoch ausgeglichen werden.
Der Gegensatz zum Führen mit Auftrag heißt „Führen mit Befehl“ und wird oftmals fälschlicherweise als Befehlstaktik bezeichnet. Führen mit Befehl wird insbesondere von angloamerikanischen oder russischen Streitkräften praktiziert.
Verhalten bei der Durchführung des Auftrags
Der Soldat wird mit einem Auftrag betraut, dessen Ziele und Effekte er kennen muß. Dadurch ist der Soldat nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, bei einer wesentlichen Lageänderung die Auftragsausführung so zu verändern, daß sie seiner Meinung nach bestem Wissen und Gewissen das wesentliche Ziel des ursprünglichen Auftrags erfüllen kann. Damit obliegt der eigentliche Auftrag keineswegs seiner freien Disposition, vielmehr hat er sich die Frage zu stellen: „Wie würde ich an Stelle meines Vorgesetzten bei gleicher Intention unter diesen veränderten Umständen entscheiden?“, der Soldat handelt also auf den Vorgesetzten zu. Er befolgt also den Befehl dem Sinn nach und nicht dem Buchstaben nach.
Dieses Abweichen vom ursprünglichen Auftrag setzt voraus, daß
- sich die Lage wesentlich geändert hat,
- der auftragserteilende Vorgesetzte zurzeit nicht erreichbar ist und
- ein sofortiges Handeln unumgänglich ist.
Waffen-SS
Die verwegene und erfolgreiche Taktik der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg galt auch danach als vorbildhaftes Lehrmaterial für Militärschulen weltweit:
„Ich war, um es gelinde auszudrücken, überrascht, als ich durch die Hallen von West Point wandelte, denn dort sah ich Bilder und Kunstwerke von einer großen Anzahl deutscher Waffen-SS-Soldaten. Darunter der General der Waffen-SS Felix Steiner, Kommandeur der berühmten Wikinger-Division. Als ich meine Überraschung darüber kund tat, wurde mir mitgeteilt, daß die Taktiken der Waffen-SS nicht nur in West Point, sondern in vielen Ländern einschließlich Rußland und Israel gelehrt werden. Als ich ihnen sagte, daß ich einst Angehöriger der Waffen-SS war, wurde ich von VS-amerikanischen Offizieren begierig über die SS und die Russen ausgefragt. Ich wurde behandelt, als ob ich der Held von Guadalcanal gewesen wäre.“[2][3] — André Bayle, französischer Buchautor und SS-Freiwilliger (SS-Division „Charlemagne“) an der Ostfront über die Verehrung der Waffen-SS und die Bewertung der Armeen an West Point.
Siehe auch
Literatur
- William Balck: Entwicklung der Taktik im Weltkriege, Berlin (1920) (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Robert Greene: 33 Gesetze der Strategie. Kompaktausgabe. Ein Joost Elffers Buch [Buch-Gestaltung]. Aus dem Englischen von Ingrid Proß-Gill. [Originalausgabe: The 33 Strategies of War. London, Profile Books Ltd. 2008] Carl Hanser Verlag, München 2015, ISBN 978-3-446-43873-6 [Enthält zahlreiche klassische Zitate zum Thema als Marginaliendruck]
Verweise
- Christian Riener: Theorie und Praxis der Taktik im Spiegel der Wissenschaftlichkeit, in: „Österreichische Militärische Zeitschrift“ (ÖMZ) Heft 3. 2010. S. 11-22.