Kranzbühler, Otto (1907)

Aus Metapedia
(Weitergeleitet von Otto Heinrich Kranzbühler)
Wechseln zu: Navigation, Suche
Marineoberstkriegsgerichtsrat (dem Kapitän zur See gleichgestellt) und Flottenrichter Otto Heinrich Kranzbühler

Otto Heinrich Kranzbühler (Lebensrune.png 8. Juli 1907 in Berlin; Todesrune.png 9. August 2004 in Tegernsee) war ein deutscher Jurist, Marinebeamter der Reichsmarine sowie der Kriegsmarine (zuletzt Marineoberstkriegsgerichtsrat) und Marinerichter. Beim Nürnberger Tribunal verteidigte er (ohne Dolmetscher, da er hervorragendes Englisch sprach)[1] u. a. Reichspräsident und Großadmiral Karl Dönitz, bei den Folgeprozessen Friedrich Flick als auch Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, und auch z. B. Oberst a. D. Hermann Souchon in der Nachkriegszeit.

Werdegang

Verteidiger Kranzbühler …
Otto Kranzbühler während eines englischsprachigen Interviews in der Nachkriegszeit
„Grundlagen der Disziplinargewalt“, Vortrag 1943
„Plädoyer zur Verteidigung von Großadmiral Karl Dönitz“, Juli 1946
  • 1925 Abitur
  • Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg, Bonn, Genf und Kiel
    • Trotz der kurzen Studienzeit fand er nebenbei Gelegenheit, begeisterter Segler zu werden.
  • 1928 Referendarexamen, dann Anstellung am Kieler Institut für Völkerrecht
  • 1929 Seeschiffer-Examen an der Seefahrtsschule in Flensburg
  • November 1933 bis Februar 1934 Anwärter für eine Mitgliedschaft bei der Reiter-SA
  • 1. Januar 1934 freiwillige Meldung zur Reichsmarine (ggf. gleich zum Marinejustizdienst)
  • Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg
  • 1937 als Referent in das Oberkommando der Kriegsmarine nach Berlin versetzt
  • spätestens 1938 Marine-Kriegsgerichtsrat (dem Korvettenkapitän gleichgestellt) in Berlin
  • 1940/41 Generalreferent und Marineoberkriegsgerichtsrat (dem Fregattenkapitän gleichgestellt) sowie stellvertretender Chef der Marinerechtsabteilung; als solcher hat er folgenden Runderlaß an alle Marinegerichte und höheren Gerichtsherren herauszugeben:
    • „Betr.: Schweigepflicht der Richter nach § 62 KStVO. […] In einem Strafverfahren hat der Gerichtsherr die Richter von ihrer Schweigepflicht nach § 62 KStVO entbunden und sie über das Zustandekommen des ihm unrichtig erscheinenden Urteils vernehmen lassen. Dieses Verfahren ist unzulässig. Die Geheimhaltung der Beratung und Abstimmung gilt als ein Grundrecht der Rechtspflege. Sie schützt die richterliche Unabhängigkeit. Die vorgesetzte Dienstbehörde ist daher nicht berechtigt, einen Richter von der Pflicht zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses zu befreien. Unzulässig ist es auch, die erkennenden Richter über die Vorgänge bei der Beratung und Abstimmung zu vernehmen […] Die Pflicht zur Geheimhaltung und die hierzu von der Rechtsprechung des Reichsgerichts entwickelten Grundsätze sind für das Kriegsverfahren bindend. Die Bestimmung der Kriegsstrafverordnung über die Schweigepflicht gehört zwar nicht zu den Bestimmungen, die in § 1 Abs. 2 KStVO ausdrücklich als zwingend angeführt sind. Ihr zwingender Charakter folgt aber aus ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die Rechtspflege. Da sie zu den Gerichtsverfassungsbestimmungen gehört, ist es auch nach den amtlichen Erläuterungen zur Kriegsstrafverfahrensordnung (Abschn. III Abs. 5) unzulässig, von ihr abzuweichen.“
  • 1942 Marineoberstkriegsgerichtsrat (dem Kapitän zur See gleichgestellt)
  • 1943 Marinerichter in Frankreich bis zum Rückzug nach der Invasion in der Normandie
  • September bis Dezember 1944 Marine-Chefrichter West in Wilhelmshaven
  • April 1945 zusammen mit seinen Mitarbeitern für vier Wochen verhaftet, anschließend auf Befehl der Engländer wieder nach Wilhelmshaven kommandiert, um die Marinegerichtsbarkeit wieder aufzubauen.
  • Flottenrichter beim Deutschen Minenräumdienst
  • Oktober 1945 über die Briten von Karl Dönitz gebeten, ihn zu verteidigen
  • 1948/49 Verteidigung von Hermann Röchling vor dem französischen Militärgericht in Rastatt
    • Kranzbühler war später Mitglied, zeitweise Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Röchling Industrie Verwaltung GmbH, Saarbrücken
  • 1950er Jahre für Krupp Leiter der Abwehrbemühungen der deutschen Industrie gegen die Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter
  • 25. Januar 1952 Leiter einer Delegation des Heidelberger Juristenkreises, die dessen Forderungen zur „Lösung der Kriegsverbrecherfrage“ an Konrad Adenauer übergab
    • Teilnehmer an den vierteljährlichen Tagungen des Heidelberger Juristenkreises teil, der die Revision der Urteile aus den alliierten Kriegsverbrecher- und NS-Prozessen koordinierte
  • 1953/54 Vertretung der I.G. Farbenindustrie AG i.L. im Verfahren des ehemaligen Zwangsarbeiters Rudolf Wachsmann vor dem amerikanischen Gericht in Mannheim sowie die Paul Sydow KG, Menden gegen die Forderungen einer ehemaligen Zwangsarbeiterin
  • 1956 im Aufsichtsrat der Rheinmetall Berlin AG und der Rheinmetall GmbH
    • Noch 1986 war Kranzbühler Aufsichtsratsmitglied bei Rheinmetall und beriet die Erbengemeinschaft der Familie Röchling, ehemals Mehrheitsgesellschafter bei Rheinmetall.
  • 1956 Vorsitz im Aufsichtsrat der Wasag-Chemie Aktiengesellschaft in Essen
„Nach dem Krieg und den Nürnberger Prozessen blieb Kranzbühler Rechtsanwalt und arbeitete in einer Kanzlei. Dem Rüstungshersteller Rheinmetall blieb er durch einen langjährigen Sitz im Verwaltungsrat verbunden. Sein Einfluß bei der Muttergesellschaft Thyssen Krupp brachte ihm den Beinamen ‚Graue Eminenz bei Krupp‘ ein.“[2]

Nürnberger Tribunal

Auf scharfe Ablehnung trafen die Nürnberger Prozesse bei einer von Otto Kranzbühler selbst als „junge Radikale“ bezeichneten Gruppe von Anwälten. Für diese Anwälte war Nürnberg die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Kranzbühler und Laternser verstanden sich nicht einfach als Verteidiger eines Mandanten oder einer Personengruppe, sondern als Anwälte des deutschen Soldaten schlechthin. Erklärtes Ziel dieser Anwälte war es, wie Laternser formulierte, dass das „Schild der deutschen Wehrmacht rein bleiben“ müsse. Kranzbühler erschien die Einhegung des Krieges mit rechtlichen Mittel als fixe Idee. Noch in den achtziger Jahren behauptete Kranzbühler, die Atombombe habe mehr für den Frieden getan, als es die strafrechtliche Sanktionierung des Angriffskrieges je könne. […] Auch Alfred Seidl löste als Verteidiger des Gestapobeamten Walter Huppenkothen, der eine zentrale Rolle bei der Ermordung einiger prominenter Widerstandskämpfer wie Hans Oster gespielt hatte, mit seiner Behauptung, die Männer des 20. Juli 1944 seien Hochverräter gewesen, wütende Reaktionen aus. […] Nach den Landtagswahlen im Herbst 1978 wurde Seidl im neuen Kabinett nicht mehr berücksichtigt. Es dürfte wahrscheinlich sein, dass, wie die Presse mutmaßte, selbst dem neu gewählten Ministerpräsidenten von Bayern, Franz Josef Strauß, die Personalie Seidl zu heikel geworden war. Otto Kranzbühler wiederum kann als das „Gesicht“ der Nürnberger Verteidigung in der Bundesrepublik angesehen werden. Er war ein bereitwillig redender Zeitzeuge, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in „Stern“ oder später für „Spiegel“-TV seine Sicht auf Nürnberg kundtat. Mit seinen auf Vorträgen basierenden Schriften zu den Prozessen ist er in der Literatur zu Nürnberg bis heute als Referenz für die Sichtweise der Verteidiger zu finden. Als zentrales Mitglied des von Eduard Wahl geleiteten, sogenannten „Heidelberger Juristenkreises“ war Kranzbühler, zusammen mit seinem engen Mitstreiter Hellmut Becker, Verteidiger von Ernst von Weizsäcker, sowie als „Ghostwriter“ beziehungsweise Zulieferer für entsprechend interessierte Pressevertreter beziehungsweise der in der Nachkriegszeit blühenden Erinnerungsliteratur wesentlich an der Formung eines bestimmten Bildes von den Nürnberger Prozessen beteiligt gewesen. […] Indirekte Kontinuitätslinien finden sich bei Anwälten wie Seidl, Kranzbühler und Aschenauer. „Nürnberg“ stellt mit ihnen den Beginn einer neuen Generation von rechtskonservativen, teils rechtsextremistischen politischen Anwälten dar, die in Ansätzen auch argumentativ in der Tradition deutsch-nationaler Anwälte der Weimarer Republik standen. Nicht ohne Grund wurde Aschenauer im rechtsextremen Milieu mit einschlägigen Anwälten Weimars, wie dem Essener Anwalt Friedrich Grimm, verglichen. Allerdings gilt es bei der Interpretation der Nürnberger Verteidiger (wie auch bei allen Anwälten in politischen Prozessen) eine pauschale Gleichsetzung zwischen Mandant und Verteidiger zu vermeiden. Das Beispiel des späteren Anwalts am Bundesgerichtshofs Alfred Schilf, einem Freund des Schriftstellers Erich Kästner, der wegen seiner Verteidigung in Krupp-Prozess in der Presse der Ostzone offen bedroht wurde und deswegen gezwungen war, sich als Anwalt in der Stadt Nürnberg niederzulassen, kann hier als warnendes Beispiel dienen. Zugleich darf man der Strategie von politischen Anwälten nicht auf den Leim zu gehen, die sich durch die Behauptung, man habe ja nur wiederholt, was der Mandant gesagt habe, gegen jegliche Kritik von außen und Verantwortung für ihr Handeln immunisieren. Für einen Otto Kranzbühler war seine Verteidigertätigkeit ein Werkzeug zur Durchsetzung seiner politischen Weltvorstellung, ein Krieg mit anderen Mitteln, hinter dem die Interessen seines Mandanten mit dessen Einverständnis zurücktreten mussten. Dass Otto Kranzbühler die politische Zielsetzung seiner Verteidigung, anders als viele Kollegen, offen zugab, ist eine seltene Ausnahme.[3]

Dokument Dönitz-49

„Eine Auswertung der unvollständigen Akten der Heeres-, Marine- und Luftwaffenjustiz läßt schließen, daß die Wehrmachtjustiz die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung von 1907 und der Genfer Kriegsgefangenenkonvention von 1929 strikt ausgelegt und angewandt hat. Somit kann man feststellen, daß die rechtfeindliche politische Einstellung der Machthaber in Deutschland keinesfalls die Verfolgung von deutschen Kriegsverbrechen unmöglich gemacht hat. Auf allen Kriegsschauplätzen, in Frankreich, Griechenland, Italien, Norwegen und in der Sowjetunion sind Plünderung, Vergewaltigung und Morde an Zivilisten geahndet worden. Im vierten Kapitel meines Buches ‚Die Wehrmacht-Untersuchungsstelle‘ habe ich einen Bruchteil der gesichteten Fälle beschrieben, die aber repräsentativ für die Haltung der Wehrmachtgerichte gelten. Nur in der Sowjetunion wurden aufgrund des Erlasses ‚Über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa‘ vom 13. Mai 1941 die Möglichkeiten der Wehrmachtjustiz teilweise eingeschränkt. Allerdings konnten die Kriegsgerichte einschreiten, und sie schritten auch ein, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Manneszucht oder die Sicherheit der Truppe erforderte. Außerdem gab der Oberbefehlshaber des Heeres, Generalfeldmarschall Walter von Brauchitsch, am 24. Mai 1941 einen Disziplinarerlaß heraus, in dem schärfste Aufrechterhaltung der Manneszucht gefordert wurde. Die von Hitler beabsichtigte Ausschaltung des Verfolgungszwanges in der Sowjetunion ist daher in der Praxis meistens durchlöchert worden. Neben den Feldurteilen im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg i.Br. und im Bundesarchiv-Zentralnachweisstelle in Kornelimünster liefern die Nürnberger Prozesse einschlägige Beweise, daß deutsche Morde an nicht-deutschen Zivilpersonen durch die Wehrmachtgerichte geahndet wurden. Otto Kranzbühler, der Verteidiger von Großadmiral Dönitz, hat dem Gericht zahlreiche Feldurteile vorgelegt sowie eine Kurzfassung, die als Dokument Dönitz-49 im Band XL der IMT-Dokumentenbände veröffentlicht wurde. Unter diesen Feldurteilen befinden sich viele, die zum Verständnis der Haltung der Wehrmachtsgerichte gegenüber Verbrechen deutscher Soldaten beitragen.“[4]

Familie

Otto war der jüngste Sohn des Konteradmirals Heinrich Otto Kranzbühler (1871–1946), Offizier der Kaiserlichen Marine, der Vorläufigen Reichsmarine sowie der Kriegsmarine, und dessen Ehefrau Mart(h)a Luise, geb. Gossler (Lebensrune.png 3. Dezember 1878 in Frankeneck, Rheinland-Pfalz). Er hatte fünf Geschwister: Annelise (1901–1945; am 30. September 1945 in Insterburg/Ostpreußen geschändet und ermordet), Dipl.-Ing. Hans Daniel Wolfgang Kranzbühler (Lebensrune.png 1906), Günther (1912–1942; als Wachtmeister am 3. Januar 1942 im Kriegs-Lazarett 2/541 Charkow gefallen), Marianne (Lebensrune.png 1914) und Renate (Lebensrune.png 1917).

Otto Heinrich heiratete am 16. Juni 1935 in Aachen seine Verlobte Marta Krings (Lebensrune.png 1911). Aus der Ehe sind vier Kinder entsprossen: Ursula, Gisela, Wolf Otto und Erika.

Werke (Auswahl)

  • Rückblick auf Nürnberg, Zeit-Verlag, Hamburg 1949

Fußnoten