Realität
Als Realität (von lat. realitas, von res, „Ding“) wird im allgemeinen Sprachgebrauch in der Regel die Gesamtheit der Dinge bezeichnet, die innerhalb und außerhalb des Denkens und unabhängig von einer Vorstellung existieren sollen. Demzufolge wird der Begriff in der alltäglichen Sprache auch zumeist mit Wirklichkeit gleichgesetzt. Diese allgemein verbreitete Definition wird häufig als scheinbarer Konsens betrachtet, da „Realität“ erst im Bewußtsein konstruiert wird, die Wirklichkeit hingegen auch unabhängig davon existiert.
Inhaltsverzeichnis
Philosophie
Das Problem vom Realen und Idealen, d.h. die Frage, was in der menschlichen Erkenntnis subjektiv und was objektiv sei, ist eines der Hauptprobleme in der Geschichte der Philosophie.
In der antiken Philosophie wurde im allgemeinen der Materie, sowie dem Raum und der Zeit zugesprochen, das einzig Beharrende, Ewige und damit Reale darzustellen. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant dagegen lehrte, daß auch der Materie nebst Raum und Zeit nur eine scheinbare Realität zukommen kann, da jene erst in der Anschauung, also durch den Intellekt sowie den Sinnesorganen des Menschen als solche erkannt werden und Realität erhalten. Diese Erkenntnis ist aber keine absolute, sondern bloß eine relative, da der menschliche Intellekt durch seine Sinnesorgane nur eine Vorstellung der Materie erhält, nicht aber die Erkenntnis, was die Materie und die durch sie sich darstellenden Dinge (Gegenständlichkeiten) an und für sich seien. Dieses Unerkennbare nannte Kant „Das Ding an sich“, welches man nicht weiter bestimmen könne.
Von Kants Philosophie ausgehend erkannte Arthur Schopenhauer, daß eine Bestimmung dieses „Dinges an sich“ für den Menschen zwar nicht anhand der Anschauung, außerhalb unseres Erkenntnisapparates (also durch die Betrachtung der sich uns durch unsere Sinnesorgane sich darstellenden Materie und aller Dinge) möglich sei, aber indirekt durch eine immanente Philosophie, also indem der einzelne Mensch (als solcher selbst ebenfalls der Welt und ihren Erscheinungen zugehörig) das in allen äußeren Gegenständlichkeiten stets unerkennbare „Ding an sich“ auch in sich selbst wiederfindet, als sein eigenes und inneres Wesen, welches Schopenhauer als „Wille“ benannte. Diesen Willen, d. h. der in allen Dingen vorhandene Trieb zum Dasein, welcher sich in den lebenden Individuen zum Lebenstrieb steigert, erkannte Schopenhauer als den (metaphysischen) Urgrund allen Daseins, also mithin auch des Daseins von Materie, Raum und Zeit. Der Wille ist demnach also das einzig Beharrende und damit Reale, während der Materie, Zeit und Raum nur eine scheinbare Realität zukommen.
Religion
Die Auffassung, daß die diesseitige Welt samt aller in ihr erscheinenden Dinge und Gesetzlichkeiten bloß eine scheinbare Realität hat, während die eigentliche Realität nur dem „Ding an sich“ in allen Erscheinungen zukommt, welches der einzelne Mensch nur in sich selbst zu finden vermag, findet sich am deutlichsten im Buddhismus, aber auch im Hinduismus sowie - wenn auch indirekt - im neutestamentarischen Christentum.
Konstruktion
Realität wird erst im Bewußtsein konstruiert. Sie ist somit die Summe des eigenen Erlebens und der individuellen Erfahrungen mit der umgebenden wahrgenommenen Welt. Die Umwelt wirkt auf das Bewußtsein, das Bewußtsein definiert die Umwelt. Was wir von der Gesellschaft und ihrer Welt zu wissen glauben, wissen wir fast ausschließlich durch die Massenmedien. Die scheinbare Realität wird dann aus Schlußfolgerungen der erfolgten Eindrücke konstruiert. Ändert sich unsere Wahrnehmung der Welt, ändert sich somit auch zwangsläufig die Realität.
Siehe auch: Konstruktivismus
Realität und Medien
In früheren Zeiten wirkte die natürliche Umgebung unmittelbar auf die Menschen. Demzufolge war die Wahrnehmung der Realität auf die unmittelbare Umwelt begrenzt. Es entstanden naturnahe Rituale und Götterglauben. Der Zusammenhalt der Sippe war Resultat dieses unmittelbaren Realitätserlebens. Mit Einbruch der Massenmedien verzerrte sich das Bild der Realität mehr und mehr zu dem, wie die Medien diese definierten und interpretierten. Es entstand ein künstliches Bild, das mit der unmittelbaren Realität nichts mehr zu tun hat. Wer demzufolge die Medien kontrolliert, konstruiert die Realität, wer die Realität konstruiert, der kontrolliert die Menschen.
Besondere Bedeutung hat hierbei das Fernsehen. Speziell durch Spielfilme, die eine Realität vorgaukeln, die so gar nicht existiert, wird das Bewußtsein gezielt manipuliert. Nach dem Zweiten dreißigjährigen Krieg gegen Deutschland und der damit einhergehenden Zerstörung der Ufa definieren allein die Filmstudios im VS-amerikanischen jüdisch dominierten Hollywood das mittlerweile globale scheinbare Bild der Realität.
Realität in der Erinnerung
Zum Wert von Zeugenaussagen heißt es beispielsweise in einer Dokumentation des ZDF mit dem Thema: Das Gedächtnis lügt − Warum wir sind, wie wir sind:
- „Trauen Sie niemandem, der aus seiner Erinnerung erzählt, nicht einmal sich selbst. Denn: Unser Gedächtnis lügt, es schwindelt, es gaukelt uns Ereignisse in bunten Farben vor, die so nie stattgefunden haben. Diese Warnung steht zusammengefaßt unter der Arbeit der US-amerikanischen Gedächtnisforscherin Elizabeth Loftus, eine der führenden Wissenschaftlerinnen in ihrem Fach. Seit über 20 Jahren ‚manipulieren‘ sie und ihr Team die Erinnerung von gesunden, intelligenten Menschen. Durch einfaches Nachfragen erinnern sich die Probanden plötzlich an Ballonfahrten, spektakuläre Autounfälle und vieles mehr – nur: All das ist nie passiert. ‚False Memories‘ nennt die Wissenschaft das Erinnern an Ereignisse, die nichts mit unserem wirklichen Leben zu tun haben, sind wir auch noch so davon überzeugt. Aus dem Bereich der Neurowissenschaften kommt die Bestätigung für den unbequemen Befund. (…) Die renommierte Wissenschaftszeitschrift Science veröffentlichte vor kurzem einen Artikel mit erschütternden Fakten: Von 86 Fehlurteilen in den USA, davon 14 mit Todesstrafe, gingen drei Viertel auf Augenzeugenfehler zurück. Noch immer, wissen Loftus, Markowitsch und viele ihrer Kollegen, vertrauen allerdings Richter und Geschworene auf die Aussagen von Augenzeugen. (…)“[1]
Zitate
- „...das Reale ist das Ding an sich, in und für sich selbst, unabhängig von seinem Vorgestelltsein im Kopfe eines Anderen oder seinem eigenen.“ - Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena II, S. 734. Diogenes Verlag, Zürich, ISBN 3 257 20430 2
Siehe auch
- Realismus
- Schweigespirale
- Medienmanipulation
- Die Welt als Wille und Vorstellung
- Idealität
- Religion
- Falsche Erinnerung
Literatur
- Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, erster Band (1819; zweite, vermehrte Auflage 1844; dritte, verbesserte und beträchtlich vermehrte Auflage 1859, zweiter Band (1844) Ausgabe 1859 (PDF-Datei, 11MB)
- Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena, zwei Bände (1851, enthalten die Aphorismen zur Lebensweisheit, Ueber die Universitäts-Philosophie, Ueber Schriftstellerei und Stil u. v. a. m.): Band 1 (PDF-Datei), Band 2 (PDF-Datei)
- Arthur Schopenhauer: Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde (1813, Dissertation Schopenhauers; zweite, sehr verbesserte Auflage 1847); (PDF-Datei)
- Hans Keferstein: Die Realität der Außenwelt in der Philosophie von Descartes bis Fichte (1883); PDF-Datei)
- Paul Watzlawick: Wie wirklich ist die Wirklichkeit. (PDF-Datei) Piper Verlag, München 1976
- Jörg Starkmuth: Die Entstehung der Realität, wie das Bewußtsein die Welt erschafft. Selbstverlag, Bonn (über das Buch)
- Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien (eingeschränkte Voransicht auf Google-Bücher), VS Verlag, Wiesbaden 1996
Verweise
- Claus Janew: „Die Erschaffung der Realität: Wahrnehmung - Bewusstsein - Freier Wille“
- Jörg Starkmuth: „Sind wir die Schöpfer unserer Realität?“
- Zettels Raum: Realität in acht Päckchen
- Realität oder Illusion? Experimente zur Wahrnehmung und Täuschung