Türkensteuer

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Das Finanzamt in der Feudalzeit: Bauern liefern ihre Steuern ab. Wer kein Bargeld hatte, brachte den Gegenwert in Naturalien.

Die Türkensteuer war eine Steuer im Rahmen der allumfassenden Reichstürkenhilfe (damals: Türkenhülfe), die für den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation auf dessen Bitten hin von den Reichsständen zur Abwehr der „Türkengefahr“ und Aufrechterhaltung der Reichsmacht und Reichsherrlichkeit während der Türkenkriege aufgebracht wurde.

Geschichte

Seit dem Fall Konstantinopels im Jahre 1453 wurden die westwärts und auf dem Balkan vorstoßenden osmanischen Heere zu einer ständigen Bedrohung für die Herrscher Europas und damit für das Heilige Römische Reich. Nahezu im gesamten 16. und 17. Jahrhundert war diese Bedrohung präsent.

„Das expandierende osmanische Reich (Untergang des oströmischen Reiches mit der Eroberung Byzanz' 1453, Höhepunkt unter Sultan Süleyman dem Prächtigen im 16. Jh., schrittweiser Niedergang seit dem ausgehenden 17. Jh.) bedrohte vom 15. bis ins 18. Jh. die südöstliche Flanke des Reiches, d. h. die Territorien der Habsburger und damit des Kaisers (Höhepunkt: Belagerung Wiens 1683). Zur militärischen Abwehr dieser Bedrohung war der Kaiser auf finanzielle Unterstützung der Reichsstände angewiesen. Diese ‚Türkensteuern‘ konnte er nach frühneuzeitlichem Rechtsverständnis nicht einfach von ihnen erheben, sondern er mußte sie darum bitten; diese Bitte mußte er auf Reichstagen vortragen. Die Reichsstände konnten ihm die Hilfe nicht einfach verweigern; sie konnten sich dafür aber Zugeständnisse machen lassen. Auf diese Weise gelang es etwa den protestantischen Reichsständen auf den Reichstagen der 1520er Jahre, die Durchführung des ‚Wormser Edikts‘ gegen Luther immer wieder zu verschleppen.“

Die Reichstürkenhilfe stellte eine Reaktion auf diese Lage dar. Das geschah entweder durch Geld oder durch Entsendung von Truppenkontingenten (Reichsarmee) im Falle einer akuten Bedrohung der Reichsgrenzen. Zu diesem Zwecke wurde auch von der Bevölkerung eine Türkensteuer (Gemeiner Pfennig oder auch Reichspfennig) erhoben, um die Türkenkriege zu finanzieren. Die Reichsstände wiederum waren es, die die Türkensteuern von der Bevölkerung einzogen. Die Reichstürkenhilfe war keineswegs eine feste Einrichtung, sondern unterlag ständig Änderungen. Dies lag zum einen an den dauernd wechselnden politischen Verhältnissen, zum anderen an der Beschaffenheit der Hilfe an sich.

Türkensteuerliste

Zur Ermittlung und Erhebung der Sonderabgabe wurde die „Türkensteuerliste“ geschaffen, in der das Türkengeld eingetragen wurde. Erstmals erfolgte die Ausschreibung am 10. März 1481 und unterlag der Verwendung durch die Reichsstände, denn es sollte „nur mit Rat und Wissen derer, so von den Landen hierzu geordnet, ausgegeben und gebrauchet werden.“

Es war eine allgemeine Vermögens- und Kopfsteuer, welche zur Deckung der Kosten einer dem Kaiser Friedrich III. gegen die „ungläubigen Türken“ zu leistenden bewaffneten Hilfe erhoben wurde.

Die Aufstellung der nächsten Reichstürkenhilfe ging auf den Wormser Reichsmatrikel von 1521 zurück. Dieser Matrikel wurde zum bevorstehenden Romzug Kaiser Karls V. erstellt. Es kam auch zur Unterstützung des Reiches für Staaten, die außerhalb des Reiches lagen, jedoch durch ihre geographische Lage für das Reich eine Art „Pufferzone“ bedeuteten. Diese Pufferzone war die Militärgrenze. Dazu zählten u. a. das Königreich Ungarn und die italienischen Seerepubliken Venedig und Dalmatien. Dennoch gelang es den Türken, diese größtenteils nach der Ersten Wiener Türkenbelagerung zu besetzen.

Seit dem Sieg der deutschen Reichstruppen und somit der Niederlage der Türken vor Wien im Jahre 1683 in der Schlacht am Kahlenberg blieben diese zwar in Europa zunächst präsent, wurden im Laufe der folgenden beiden Jahrhunderte aber weitgehend verdrängt, unter anderem durch die russische Südexpansion.

Bedeutung hat die Türkensteuer auch für Historiker und Chronisten, da die aufgestellten Steuerlisten in vielen Fällen den ersten Nachweis von Einwohnerzahlen für Gemeinden bilden.

„Aus den Steuerlisten um die Mitte des 16. Jahrhunderts erfahren wir erste Namensverzeichnisse der Familien in den Ortschaften unserer Gegend. Diese Listen geben gleichzeitig Auskunft über die Anzahl der steuerpflichtigen Personen, das Vermögen der Bauern, den Jahreslohn der Knechte und Mägde sowie der Jungen und Mädchen, soweit sie ein steuerpflichtiges Einkommen hatten. Dazu ein kurzer Rückblick in die Geschichte. Nicht die Franzosen galten in früheren Jahrhunderten als Erbfeinde der Deutschen (wie noch bis zum Zweiten Weltkrieg), sondern die Türken waren damals die ‚christlichen Erbfeinde‘. Seit 1526 bedrohten sie die Südostgrenze des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Noch 1683 belagerten sie unter ihrem Großwesir Kara Mustafa die Reichshauptstadt Wien, und erst 1789 wurde Belgrad von dem deutschen Feldmarschall Laudon endgültig zurückerobert. Zur Abwehr der Türkengefahr benötigte der Kaiser Geld. Es war die Zeit der Reformationswirren. Um Mittel für seine Türkenkriege zu erhalten, war der Kaiser als katholischer Souverän bereit, konfessionelle Zugeständnisse an die reformatorische evangelische Bewegung zu machen. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1548 genehmigte Karl V. (1519–1556) den protestantischen Ständen wieder den Laienkelch und die Priesterehe. Aus dieser Entscheidung wird verständlich, warum in jener Zeit auch bei uns so viele Pfarrer verheiratet waren. Das wird bei Pfr. Schug in seiner Pfarrbeschreibung allenthalben deutlich. Der Laienkelch (Austeilung der hl. Kommunion in beiderlei Gestalt) hatte bis zum 12./13. Jh. in der gesamten Kirche bestanden. Das Zweite Vatikanische Konzil hob 1963 das Verbot wieder auf. Das Zölibat, 1139 durch Papst Innozenz II (1130–1143) Kirchengesetz, ist bis heute umstritten.
Im November 1548 berief der Trierer Erzbischof und Kurfürst, Johann V. Graf von Isenburg (1547–1556) die geistlichen und weltlichen Landstände ein. Die geistlichen Landstände wurden durch kirchliche Würdenträger repräsentiert (Äbte, Dechanten u. a.). Die weitliehen Landstände waren der hohe und niedere Adel, sowie Vertreter der Städte und Gemeinden. Auf diesem Landtag wurde die vom Reichstag zu Augsburg beschlossene Türkenhilfe für das Erzstift Trier verbindlich bestätigt. Die Türkenhilfe war eine außerordentliche Steuer. Sie diente zur Finanzierung der Kriege gegen die Türken. In einer Verordnung vom 24. Mai 1551 werden die Abgaben präzisiert. Danach mußte jeder Einwohner (Steuerpflichtige) ohne Ausnahme 0,5 % seines Vermögens als Türkenhilfe abführen. Wer weniger als 20 Gulden besaß, brauchte nur 4 Kreuzer zu zahlen. Knechte, Mägde und sonstige Diener zahlten von ihrem Jahreslohn für jeden Gulden einen Kreuzer Türkensteuer. Steuerfrei waren nur Kleider, Schmuck und Hausgeräte des täglichen Bedarfs, sowie die Dienstpferde, Waffen, Rüstung und Munition. Die Kleinodien und Zierate der Kirchen blieben ebenfalls steuerfrei. Das war bedeutsam, weil auch die Stifte, Kirchen, Klöster und Pfarreien zur Türkenhilfe/Türkensteuer herangezogen wurden.“[1]

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang von Hippel (Hg.): Türkensteuer und Bürgerzählung: Statistische Materialien zu Bevölkerung und Wirtschaft des Herzogtums Württemberg im 16. Jahrhundert. Kohlhammer, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-17-020763-9
  • Alfons Pausch: Türkensteuer im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Dokumente aus dem 16. Jahrhundert. Deubner, Köln 1986, ISBN 3-88606-107-8
  • Wolfgang Steglich: Die Reichstürkenhilfe in der Zeit Karls V. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen. 11, 1972, S. 7–55
  • Franz Pichler: Die steuerliche Belastung der steirischen Bevölkerung durch die Landesdefension gegen die Türken. In: Mitteilungen des steiermärkischen Landesarchives MStLA, Band 35/36, Jahrgang 1985/1986. Pichler, steuerliche Belastung (PDF-Datei; 3,02 MB)
  • Ascan Westermann: Die Türkenhilfe und die politisch-kirchlichen Parteien auf dem Reichstag zu Regensburg 1532. Kraus, Nendeln/Liechtenstein 1979 (Nachdruck der Ausgabe Heidelberg 1910), ISBN 3-262-01431-1

Fußnoten

  1. Erich Mertes: Türkensteuer in der Grafschaft Virneburg – Die Steuerlisten von 1552