Freisler, Roland
Roland Freisler ( 30. Oktober 1893 in Celle; 3. Februar 1945 in Berlin) war ein deutscher Jurist und Politiker (NSDAP). Von August 1942 bis zu seinem Tod war er Präsident des Volksgerichtshofes.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend
Roland Freisler entstammte einer alten hessischen Bauern- und Lehrerfamilie. Geboren wurde er in Niedersachsen am 30. Oktober 1893 in Celle. Er studierte Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft.
Erster Weltkrieg
Er nahm am Sturm auf Langemarck als Kriegsfreiwilliger teil, wurde dort verwundet, kam nach Wiederherstellung an die Ostfront und geriet in Wolhynien in russische Kriegsgefangenschaft. Er flüchtete schließlich 1920 aus Rußland in die Heimat zurück. Diese Flucht wurde ausdrücklich als Flucht aus der Gefangenschaft vom Deutschen Reich anerkannt.
Weimarer Republik
Roland Freisler beendete dann in Jena sein Studium der Rechtswissenschaft, bestand das Referendarexamen und 1923 das Assessorexamen mit gut. Außerdem promovierte er mit dem Prädikat „summa cum laude“ zum Doktor. Freisler ließ sich in Kassel als Rechtsanwalt nieder. Schon 1923 war er nationalsozialistischer Strafverteidiger und in der Folgezeit war er zu einem der temperamentvollsten, gefürchtesten und bei der NSDAP tüchtigsten und beliebtesten Strafverteidiger geworden. Prozesse, in denen Freisler verteidigte, galten als gewonnen. Sie waren fast immer eine Sensation. 1924 wurde er Staatsverordneter in Kassel, dann Kommunallandtagsabgeordneter. 1932 wurde er Mitglied des Preußischen Landtages. Roland Freisler war insbesondere auch als Reichsredner der NSDAP im ganzen Deutschen Reich bekannt geworden. Seine Versammlungen waren stets überfüllt, er scheute sich auch nicht, in Saalschlachten aktiv mit einzugreifen, wenn es einmal notwendig wurde.
Roland Freisler erhob in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung Kassel vom 23. Juni 1930 den massiven Vorwurf gegen den Kasseler Polizeipräsidenten Adolf Hohenstein („der jüdische frühere Rechtsanwalt“) und den Polizei-Oberstleutnant Otto Schulz („der sozialdemokratische Kommandeur der Schutzpolizei“), sie hätten am 18. Juni in den Straßen der Stadt „Blut fließen sehen“ wollen und dabei den Mord am später als Blutzeuge der Bewegung geehrten Heinrich Messerschmidt billigend in Kauf genommen.[1]
Drittes Reich
Im März 1933 wurde er vom preußischen Justizminister Hanns Kerrl als Ministerialdirektor und Leiter der Personalabteilung ins Preußische Justizministerium berufen. Am 20. Mai des gleichen Jahres übernahm er das Amt des Staatssekretärs. Im November 1933 wurde er Mitglied des Deutschen Reichstages.
An der bis heute gesetzgeberisch nicht korrigierten nationalsozialistischen Strafrechtsreform, insbesondere der Formulierung der Tatbestände der Tötungsdelikte entsprechend der Tätertypenlehre (Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches vom 4. September 1941 – RGBl. I 1941 S.549), hatte er maßgeblichen Anteil. Er verblieb bis zu seiner Berufung zum Volksgerichtshof 1942 im Reichsjustizministerium. Am 20. August 1942 wurde Freisler von Adolf Hitler als Nachfolger Otto Thieracks, der zum Reichsjustizminister befördert worden war, zum Präsidenten des Volksgerichtshofs ernannt. Der Volksgerichtshof war 1934 zur Verhandlung von Hochverrats- und Landesverratssachen errichtet worden. Später wurde die Zuständigkeit auf andere Staatsschutzdelikte erweitert.
Zu einem Prozeß vor dem Volksgerichtshof unter Vorsitz Herrn Freislers Anfang 1945 heißt es von einem Augenzeugen:[2]
- „Nur einmal habe ich dort einen ehemaligen Kreisleiter wegen Defätismus verteidigt. Es war kurz vor dem Zusammenbruch. Das Hauptgebäude des Volksgerichtshofes war schon ein Opfer der Fliegerangriffe geworden. Die Sitzung fand im Kellergeschoß des Eingangshauses, sozusagen beim Pförtner, statt. Freisler führte den Vorsitz. Diese Verhandlung ist mir in schrecklicher Erinnerung geblieben. Mein Klient hatte Glück. Er war von einem anderen Kreisleiter denunziert worden. Hinter diesem stand die Gestapo, die meinen Klienten erledigen wollte. Der örtliche Anwalt aber hatte sich große Mühe gegeben, erhebliches Entlastungsmaterial zusammenzutragen, auch solches, das den Denunzianten in schlechtem Lichte erscheinen ließ. Freisler kannte die Akten sehr genau. Es war eine erstaunliche Leistung, da er sehr überlastet war. Durch das Studium der Akten war er zugunsten des Angeklagten gegen den Denunzianten eingenommen. Freisler führte die Verhandlung ganz allein. Es kam niemand zu Wort. Als erster Zeuge wurde der Denunziant vernommen und von Freisler fertiggemacht. Er war plötzlich der Angeklagte. Ich kam mir als Verteidiger völlig überflüssig vor. Mein Mandant wurde mit großem Pathos wegen erwiesener Unschuld freigesprochen und auch vor der Gestapo geschützt.“
Tod
Roland Freisler starb am 3. Februar 1945 während eines schweren US-amerikanischen Bombenangriffs auf Berlin, als er auf dem Weg zum Keller des Volksgerichtshofs von einem Bombensplitter tödlich verletzt wurde.
Schriften
- Grundsätzliches über die Betriebsorganisation (Schriften des Instituts für Wirtschaftsrecht an der Universität Jena, 3), Jena 1922
- Das Werden des Juristen im Dritten Reich [1. Teil], Berlin 1933
- Gedanken zum Erbhofrecht, 1933
- Das Deutsche Strafrecht (Zeitschrift), seit 1933
- Grundzüge eines Allgemeinen Deutschen Strafrechts. Denkschrift des Zentralausschusses der Akademie für Deutsches Recht, 1934 (höchstwahrscheinlich nur teilweise Beiträge)
- (zusammen mit Reichsminister Franz Gürtner) Das kommende deutsche Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1934 (Freisler wirkte „nur“ mit)
- (zusammen mit Gerd oder Walter Luetgebrune) Denkschrift des Zentralausschusses der Strafrechtsabteilung der Akademie für Deutsches Recht über die Grundzüge eines Allgemeinen Deutschen Strafrechts, Berlin 1934
- Richter und Gesetz, 1935 (Mit zip gepackte PDF-Datei)
- Gedanken zur Technik des werdenden Strafrechts und seiner Tatbestände, 1935
- Deutsches Strafrecht. Strafrecht, Strafrechtspolitik, Strafprozeß, Berlin 1935
- Zur Neugestaltung des Strafverfahrens, Berlin 1935
- (zusammen mit Reichsminister Franz Gürtner) Das neue Strafrecht Grundsätzliche Gedanken zum Geleit, Berlin 1936
- Vom alten zum neuen Ehescheidungsrecht. Kritik, Vorschlag, Begründung, Berlin 1937
- Der Ehrenschutz im neuen deutschen Strafverfahren (Beiträge zur Rechtserneuerung; 4)Gemeinschaftsarb. von Roland Freisler ..., Berlin 1937
- Nationalsozialistisches Recht und Rechtsdenken (Schriften des Reichsverbandes Deutscher Verwaltungsakademien), Berlin 1938
- Leitfaden für die Helfer der Ermittlungshilfe, Berlin 1938
- Das Jahrbuch des Deutschen Rechts, Ort und Datum unbekannt, aber vor 1935
- (zusammen mit Ludwig Grauert – Leiter der Polizeiabteilung des preußischen Innenministeriums) Das neue Recht in Preußen (Sammlung), Berlin 1. Band wahrsch. 1934 oder 1933, 2. Band 1935
- Die Wiedergeburt strafrechtlichen Denkens, Berlin 1940
- Kriminologie – unentbehrliche und gleichwertige Grundlage erfolgreicher Strafrechtspflege. In: Deutsches Strafrecht 7/8 (1942) 97–107
Literatur
- Fred Duswald: Zur Bewertung des Volksgerichtshofs, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Band 4, Edition Grabert im Hohenrain-Verlag, 3. Aufl., Tübingen 2017, S. 244–254