SS-Verfügungstruppe
Die SS-Verfügungstruppe (SS-VT) war eine stehende, kasernierte und bewaffnete Sondereinheit der SS ab Herbst 1934. Die SS-VT bildete neben der Leibstandarte SS Adolf Hitler und den SS-Totenkopfverbänden den Kern der späteren Waffen-SS. Am 10. Oktober 1939 wurde aus der Zusammenlegung der SS-Verfügungstruppe mit Teilen der SS-Totenkopfverbände die SS-Verfügungsdivision (VT-Division) gebildet. Eintrittsalter war offiziell 18 Jahre, 17-Jährige konnten jedoch mit der schriftlichen Einwilligung der Eltern eintreten.
Inhaltsverzeichnis
Aufstellung und Gliederung
1938 umfaßten die bewaffneten SS-Verbände folgende Einheiten, in denen insgesamt rund 23.000 Mann dienten[1]:
- Verfügungstruppe (VT) (1939)
- SS-Inspektion/VT (Berlin)
- SS-Sanitätsabteilung/VT
- Leibstandarte SS Adolf Hitler
- SS-Standarte „Deutschland“/VT
- SS-Standarte „Germania“/VT[2]
- SS-Standarte „Der Führer“/VT
- SS-Nachrichten-Sturmbann/VT
- SS-Pionier-Sturmbann/VT (Dresden)
- im April 1935 aufgestellt, später als SS-Pionier-Bataillon (noch später „Reich“) geführt
- SS-Artillerie-Standarte/VT
- mit Wirkung vom 1. Juni 1939 in Münsterlager als erste ihrer Art aufgestellt, später gehörte das Regiment zum Kern der SS-Division „Reich“. Den Ersatz stellte die dafür gebildete SS-Artillerie-Ersatz-Abteilung, die aber erst bei der Mobilmachung gebildet wurde.
- SS-Kradschützen-Bataillon II
- im November 1938 aufgestellt und im Juni 1939 aufgelöst; aus dem Bataillon wurde dann die Aufklärungs-Abteilung/SS-VT (später „Reich“) und Fliegerabwehr-Maschinengewehr-Abteilung/SS-VT
- SS-Kradschützen-Bataillon N[3] (Nürnberg)
- im November 1938 aus dem Nürnberger SS-Sturmbann N (im Oktober 1936 aufgestellt[4]) aufgestellt und im Juni 1939 aufgelöst; aus dem Bataillon wurde dann die Panzerabwehr-Abteilung/SS-VT
- SS-Regiment z. b. V. Ellwangen
- im November 1938 als Stab für die beiden Kradschützen-Bataillone aufgestellt
- SS-Inspektion/VT (Berlin)
- SS-Totenkopfverbände (TV)
- SS-Inspektion/TV (Oranienburg)
- SS-Totenkopfstandarte „Oberbayern“
- SS-Totenkopfstandarte „Brandenburg“
- SS-Totenkopfstandarte „Thüringen“
- SS-Junkerschulen
- SS-Junkerschule Tölz
- SS-Junkerschule Braunschweig
- SS-Sondersturmbann Führungshauptamt[5]
Regimenter
Es wurden bis Juni 1938 drei Regimenter aufgestellt, die offiziell als „SS-Standarten der Verfügungstruppe“ (SS-St./VT) genannt wurden.
- SS-Standarte 1 „Deutschland“ in München (Kommandeur: SS-Standartenführer Felix Steiner)
- SS-Standarte 2 „Germania“ in Hamburg (Kommandeur: SS-Standartenführer Karl Demelhuber)
- SS-Standarte 3 „Der Führer“ in Wien (Kommandeur: SS-Oberführer Georg Keppler)
Tabelle mit den Regimentern der SS-Verfügungstruppe (1938)
Standartenname | Sitz | Wehrmachtsergänzungsstelle | Bezeichnung vor Neunumerierung und Anmerkungen |
---|---|---|---|
Leibstandarte SS Adolf Hitler | Berlin-Lichterfelde | Ergänzungsstelle I | Vor dem 14. Dezember 1934: SS-Standarte 1 „Adolf Hitler“; Alle Bewerber, deren Wohnort in den Wehrkreisen I, II, III, IV und VIII liegt. Ferner alle Bewerber aus dem Reich, die die Mindestgröße von 180 cm erreichen. |
1. SS-Standarte „Deutschland“/VT | München | Ergänzungsstelle III | Vor dem 14. Dezember 1934: SS-Standarte 2 „Deutschland“; Alle Bewerber, deren Wohnort in den Wehrkreisen V, VII und XII liegt. |
2. SS-Standarte „Germania“/VT | Hamburg-Veddel | Ergänzungsstelle II | Vor dem 14. Dezember 1934: SS-Standarte 3 „Germania“; Alle Bewerber, deren Wohnort in den Wehrkreisen VI, IX, X und XI liegt. Ab Oktober 1936 unter Carl-Maria Demelhuber. Am 1. Dezember 1940 wurde „Germania“ an die SS-Division „Wiking“ abgegeben und durch das SS-Regiment (mot.) 11 ersetzt. |
3. SS-Standarte „Der Führer“/VT | Wien | Ergänzungsstelle IV | Aufstellung im März 1938 als SS-Standarte 3 „Der Führer“; Alle Bewerber, deren Wohnort in der Ostmark liegt. |
SS-VT-Standarten „Nordland“ und „Westland“
Anläßlich des Unternehmens „Weserübung“ und des Westfeldzuges 1940 wurden weitere Standarten für ausländische Freiwillige der Waffen-SS aufgestellt und vorerst der SS-Verfügungstruppe unterstellt, kurz darauf aber zur Aufstellung der Nordischen Division (Nr. 5) der Waffen-SS verwendet:
- SS-VT-Standarte „Nordland“
- Aufstellungsbefehl am 30. April 1940
- SS-VT-Standarte „Westland“
- Aufstellungsbefehl am 15. Juni 1940; I. Bataillon unter SS-Standartenführer Hilmar Wäckerle
Einsätze der Standarten
Beitritt Österreichs
Am 13. März 1938 nahmen Einheiten der SS-Standarten „Deutschland“ und „Germania“ sowie des SS-Nachrichten-Sturmbannes (früher aus Berlin-Adlershof, dann Unna/Westfalen) an der Wiedereingliederung Österreichs teil. Dort wurde unverzüglich aus Angehörigen der Standarte „Deutschland“ die neue SS-Standarte „Der Führer“ gebildet. Dessen Kader stammte also nicht mehr von der Allgemeinen SS, sondern von der Verfügungstruppe ab.
Sudetenland
Am 10. Oktober 1938 wurde die SS-Verfügungstruppe bei der Befreiung des Sudetenlandes eingesetzt.
Polenfeldzug
Während des Polenfeldzuges wurde die SS-Verfügungstruppe nicht im geschlossenen Verband eingesetzt, sondern war auf mehrere Großverbände der Wehrmacht verteilt worden. Die SS-Standarte „Deutschland“, die Nachrichten- und die Aufklärungs-Abteilung waren dem Stab der Panzer-Division „Kempf“ unterstellt. Die SS-Standarte „Germania“ wurde als Reserve der 14. Armee unter Generalmajor Wilhelm List eingesetzt. Der Pionier-Sturmbann der SS-Verfügungstruppe gehörte mit der Leibstandarte SS Adolf Hitler zur 10. Armee unter General der Artillerie von Reichenau. Die SS-Standarte „Der Führer“ wurde als Reserve der im Abschnitt des Westwalls eingesetzten 7. Armee unter General der Artillerie Dollmann in Alarmbereitschaft gehalten und nahm nicht aktiv am Feldzug teil.
SS-Standarte „Germania“ am Feind
Die SS-Standarte „Germania“ (ohne II. Sturmbann, das beim VIII. Armee-Korps eingesetzt war, und ohne Panzer-Späh-Zug, der bei der 5. Panzer-Division im Einsatz war, 2. und 3. Sturm waren Korps-Reserve beim Generalkommando XXII. Armeekorps) hatte einen Bereich von 15 bis 20 km als Flankensicherung des XXII. Armee-Korps zu decken. Eines der Kernelemente der Halbstandarte im Verlauf des Ganzen war der 15. Sturm, also die Kradschützen-Kompanie, unter der Führung von SS-Hauptsturmführer Johannes Mühlenkamp, die nach Sadowa Wiznia entsandt wurde, um die Straße Przemysl–Lemberg zu sperren. Am Nachmittag des 13. Septembers 1939 nahm diese Kompanie ein sich zurückziehendes polnisches Bataillon in Stärke von 500 Mann und Offizieren gefangen.
Am Abend des 13. Septembers 1939 wurde die 15. Kompanie dann von stark überlegenen polnischen Kräften angegriffen. Die gegnerischen Kräfte setzten sich zusammen aus Fahnenjunkern und Offizieren der Krakauer Kriegsschule und zusätzlichen Teilen eines Kavallerie-Regiments, eines Artillerie-Regiments und Teilen einer Infanterie-Division. Die Polen hatten den Auftrag, sich bis Warschau durchzukämpfen. Im Schutz der Nacht und nur leicht ausgerüstet gaben sich die Polen als verbindungsuchende deutsche Soldaten aus, da wohl viele Polen deutsch sprachen, und machten die weit auseinanderliegenden deutschen Posten überraschend im Nahkampf nieder. Die 15. „Germania“-Kompanie, heftig angegangen von starken polnischen Stoßtrupps, welche unterstützt wurden von Artillerie und schweren MGs, zog sich bis 2.30 Uhr in der Nacht nach Norden zurück, dort ging Mühlenkamps Kradschützen-Kompanie gemeinsam mit der nach vorne gesandten 1. „Germania“-Kompanie beiderseits der Ortschaft Mala Omzola in Stellung. An Verlusten hatte der 15. Sturm vier Gefallene, drei Verwundete und 25 Vermißte, die zum schweren MG-Halbzug gehörten. Ebenfalls vermißt wurde der Kompaniechef, der sich jedoch zurückkämpfen konnte; mehrere Fahrzeuge des 3. Zuges wurden zurückgelassen.
Im Laufe des 14. Septembers 1939 konnten die bei Mala liegenden Kompanien mit Hilfe der III. Abteilung/Artillerie-Regiment 109 polnische Angriffe in Battailonsstärke, die von Minenwerfern (MW) oder Infanteriegeschützen (IG) unterstützt wurden, abwehren. Die Abwehrkämpfe der zahlenmäßig schwachen SS-Standarte „Germania“, die sich während dieser Kämpfe bis an den Südrand von Jaworow zurückziehen mußte, stets unter starkem Druck zahlenmäßig überlegener polnischer Kräfte, die eben mitunter jene waren, die schließlich von den Verbänden der 7. und 44. Infanterie-Division des Heeres bei Przemysl geworfen wurden, dauerten bis in den Morgen des 17. Septembers 1939 an. Am Morgen dieses Tages griffen Verbände der 7. Infanterie-Division bei Jaworow in die Kämpfe ein und konnten gemeinsam mit den „Germania“-Kompanien die feindlichen Kräfte zurücktreiben.[6]
SS-Inspektion (Verfügungstruppe)
Am 1. Oktober 1936 wurde die „Inspektion der SS-Verfügungstruppe“ im Berliner SS-Führungshauptamt eingerichtet. Dessen Kommandeur war der damalige SS-Brigadeführer Paul Hausser, der auch die SS-Junkerschule Braunschweig führte. Diese Inspektion wurde schließlich in das „Kommandoamt der SS-Verfügungstruppe“ umgewandelt. Die spätere Waffen-SS wurde entscheidend von Paul Hausser, Felix Steiner, Wilhelm Bittrich, Friedemann Götze, Georg Keppler und Cassius Freiherr von Montigny geprägt.
Ärmelstreifen und Kragenspiegel
Die vier Standarten der Verfügungstruppe trugen eigene Ärmelstreifen mit der jeweiligen Aufschrift „Adolf Hitler“, „Deutschland“, „Germania“ und „Der Führer“. Ebenfalls waren die Standarten am rechten Kragenspiegel (der Linke zeigte den Dienstgrad) zu erkennen: Die Leibstandarte trug -Runen ohne Zahl, „Deutschland“ 1, „Germania“ 2 und „Der Führer“ 3. Die Spiegel für Pionier-, Nachrichten- (mit Blitz) und Sanitätseinheiten ( S) wurden von der Allgemeinen SS übernommen und nur die SS-Runen im Spiegel ergänzt, z. B. trug der SS-Pionier-Sturmbann Dresden der SS-Verfügungstruppe als Kennung von 1935 bis Kriegsbeginn die gekreuzte Schaufel und Kreuzhacke auf einem Kragenspiegel mit den SS-Sigrunen.
Mit Kriegsbeginn und Bildung der Divisionen 1939/40 und somit der Umbenennung der Standarten in Regimenter, ließ man diese Kennzeichnungen auslaufen, wobei es immer noch Bilder von 1940 gibt, auf denen einzelne Soldaten der Waffen-SS die Kragenspiegel der Standarten tragen. Auch die meisten Ärmelstreifen entfielen oder wurden ausgetauscht, die SS-Regimenter „Germania“, „Westland“ und „Nordland“ der SS-Division „Wiking“ behielten jedoch ihre ursprünglichen Ärmelstreifen.