Saur, Karl

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Wehrwirtschaftsführer Dipl.-Ing. Karl-Otto Saur; unter Albert Speer „Chef des Technischen Amtes im Rüstungsministerium“, 1944 „Stellvertretender Leiter des Rüstungsstabes“. Er war im Testament Hitlers als Nachfolger Speers zum Rüstungsminister benannt, von Reichspräsident Karl Dönitz jedoch wieder durch Speer abgelöst.

Karl-Otto Saur (Lebensrune.png 16. Februar 1902 in Düsseldorf; Todesrune.png 28. Juli 1966 in Pullach) war ein deutscher Ingenieur, Staatssekretär im Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion und Verleger.

Leben

Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes, u. a. für Karl-Otto Saur (Verleihungszeremonie durch Albert Speer) im Juni 1943.
Von links: Albert Speer, Adolf Hitler und Saur
Der Führer besucht Rügenwalde am 19. März 1943, um das überholte 80-cm-Eisenbahn-Sondergeschütz „Dora“[1] zu besichtigen; von links: General der Artillerie Alfred Jodl (Chef des Wehrmachtsführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht, OKW), Dr.-Ing. Albert Speer (Reichsminister für Bewaffnung und Munition), Adolf Hitler (Führer und oberster Befehlshaber der Wehrmacht), Hauptdienstleiter Dipl.-Ing. Karl-Otto Saur (Staatssekretär im Reichsministerium für Bewaffnung und Munition), SS-Gruppenführer Julius Schaub (Chefadjutant des Führers Adolf Hitler), Generalleutnant Walter Buhle (Chef vom Heeresstab im Oberkommando der Wehrmacht) und Oberstleutnant Friedrich „Fritz“ Wilhelm Holzhäuer (Abteilungsleiter im Waffenamt Prüfwesen 6, Abteilung Panzer- und Motorisierung, beim Oberkommando des Heeres).

Nach dem Studium arbeitete er bei Thyssen-Krupp als Ingenieur und übernahm nach dem Tod seines Vaters kurzzeitig den elterlichen Maschinenbaubetrieb. Ab 1931 war er Mitglied der NSDAP und wurde Stellvertreter von Fritz Todt. In den folgenden Jahren war er entscheidend am Ausbau des NSBDT und des Hauptamtes für Technik in der Reichsleitung der NSDAP beteiligt. Unter anderem ließ er eine Kartei zur Erfassung der Daten über alle deutschen Ingenieure einrichten und konzipierte das „Haus der deutschen Technik“ in München, das als Ergänzung und Erweiterung des Deutschen Museums eine Dauerausstellung zur Technik in der Gegenwart enthalten sollte.

Als Fritz Todt 1942 bei einem Flugzeugabsturz umkam, wurde Saur Amtsleiter des neuen Rüstungsministers Albert Speer. Am 20. April 1945 wurde er mit der höchsten Stufe des Kriegsverdienstkreuzes, dem goldenen Ritterkreuz, ausgezeichnet, einer Auszeichnung, die nur zweimal verliehen wurde.

Als nach vernichtenden Luftangriffen auf die deutschen Flugzeugwerke im März 1944 der „Jägerstab“ unter der gleichberechtigten Führung von Speer und Milch gegründet wurde, um die Produktion von Verteidigungsflugzeugen zum Schutz gegen die übermächtige britische und amerikanische Luftwaffe wieder in Gang zu bringen, erhielt Saur auf Wunsch Hitlers die funktional entscheidende Position des Stabschefs, die er auch nach der Umwandlung des Jägerstabs in den Rüstungsstab im August 1944 behielt. Er wurde 1945 erster Inhaber des Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes in Gold.

„Es beginnt mit der Geschichte des am 18.10.1939 durch Verordnung Adolf Hitlers gestifteten Ordens: u. a. Klassen; Personengruppen, die für die Verleihung in Frage kamen; verzögerter Beginn der Verleihungen nach anfänglichen Mißbräuchen; Verleihungsbefugnis (die im Laufe des Krieges ausgeweitet wurde) etc. Spezielle Abschnitte behandeln die Verleihung an Frauen, die Tragweise, die Herstellung, die Herstellerfirmen. Ein eigener Abschnitt behandelt das Goldene Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz mit und ohne Schwerter, über dessen Stiftung, Herstellung und vor allem die beiden Verleihungen widersprüchliche Ansichten bestehen, die [Jörg] Nimmergut – wie auch sonst – mit Quellenangaben dokumentiert und belegt (allein auf diesen Abschnitt beziehen sich 26 Fußnoten): ‚Wenn die beiden Verleihungen erfolgt sind, ist der seltene Fall eingetreten, daß Dipl.-Ing. Saur als einziger drei Ritterkreuze des Kriegsverdienstkreuzes besaß: Ritterkreuz 13.1.1944, Ritterkreuz mit Schwertern 5.6.1943, Goldenes Ritterkreuz 20.4.1945‘ (S. 2178); die Verleihung des letzteren erschließt sich aus einem – hier abgebildeten – Brief des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion Albert Speer, in dem er an Franz Hahne, den zweiten Ordensempfänger, unter dem 20. April 1945 schreibt, daß der Führer ‚auf meinen Vorschlag Ihnen und unserem Herrn Saur als ersten Deutschen diese neue Auszeichnung verliehen‘ hat.“[2]

Adolf Hitler legte in seinem politischen Testament Karl-Otto Saur als neuen Rüstungsminister und Nachfolger von Albert Speer fest. Diese Anordnung wurde später von Karl Dönitz jedoch nicht mehr umgesetzt, der Albert Speer in dieser Position behielt. Speer rächte sich an dem ehemaligen Konkurrenten Saur indem er ihn in seinen verleumderischen Nachkriegspublikationen ausführlich in den Dreck zog.

Am 15. Mai 1945 geriet Karl Saur in VS-amerikanische Kriegsgefangenschaft. 1948 wurde er gezwungen, als Zeuge beim sogenannten Nürnberger Krupp-Prozeß aufzutreten. 1949 gründete Saur ein Ingenieurbüro, das auch Nachschlagewerke verlegte. Daraus entstand der Saur-Verlag, benannt nach seinem Sohn Klaus Gerhard Saur. Der Erfolgsverlag wurde 1987 für 14 Millionen Dollar an Reed verkauft, Saur blieb jedoch bis 2002 Verlagsleiter.

Mit seinem eigenen Verlag hat er umfassende Handbücher zu fast allen Themen der Welt und in vielen Ländern mit Weitblick, Mut und finanziellem Erfolg herausgegeben. Zum Beispiel das „Verzeichnis aller lieferbarer Bücher“ – heute in der 71. Ausgabe – den „World Guide to Libraries“, das „Biografische Weltarchiv“ von 1600 bis heute, von dem bisher 580 Exemplare für je 18 000 Euro abgesetzt wurden. Im „Marburger Index“ beschreibt er auf 200 000 Seiten 1,5 Millionen Bilder von Anbeginn bis heute. 25 Redakteure haben zwölf Jahre daran gearbeitet.[3]

Neue Deutsche Biographie

Nach dem Besuch der Volksschule und der Oberrealschule in Freiburg (Br.) studierte S. 1921-26 an der Univ. Freiburg und den Technischen Hochschulen Karlsruhe und Hannover Betriebswirtschaft und Maschinenbau (Dipl.-Ing. 1926). Im Sommer 1926 trat er in die von Franz Bartscherer (1877–1960) kurz zuvor gegründete Betriebswirtschaftsstelle der August-Thyssen Hütte (ATH) in Duisburg ein. 1929 übernahm er die Leitung der Firma „Beyerle, Eisenkonstruktionen“ in Freiburg, an der seine Mutter beteiligt war. Nach dem Konkurs dieses Unternehmens kehrte S. im Okt. 1930 zu Thyssen zurück und leitete seit 1932 als Oberingenieur die Betriebswirtschaftsstelle, die in den 30er Jahren als die größte und erfolgreichste Einrichtung zur wissenschaftlichen Betriebsführung in der dt. Industrie galt. Er beteiligte sich an der wissenschaftlichen Diskussion über die betriebliche Rationalisierung und erhielt 1934 einen Lehrauftrag an der TH Hannover. Im Okt. 1931 schloß sich S. der NSDAP an. die sich damals ausdrücklich auf die Technische Intelligenz als Gestalterin des zukünftigen Staates berief, wurde aber erst nach der Bekanntschaft mit Fritz Todt (1891–1942) im März 1935 parteipolitisch aktiv. Seit 1936 leitete S. ehrenamtlich das Gauamt des von Todt seit 1934 geführten Nationalsozialistischen Bundes Dt. Technik (NSBDT) in Essen und trat 1937 hauptamtlich in den Dienst von Todt. In den folgenden Jahren war er entscheidend am Ausbau des NSBDT und des Hauptamtes für Technik in der Reichsleitung der NSDAP beteiligt; u. a. ließ er eine Kartei zur Erfassung der Daten über alle dt. Ingenieure einrichten und konzipierte das „Haus der dt. Technik“ in München, das als Ergänzung und Erweiterung des Dt. Museums eine Dauerausstellung zur Technik in der Gegenwart enthalten sollte.
Seit 1938 war S. Vorsitzender des Vereins Haus der Dt. Technik e. V. und seit 1939 Stellvertreter Todts im Hauptamt für Technik und NSBDT. Nach Kriegsbeginn 1939 kurzzeitig zur Wehrmacht eingezogen, trat S. 1940 als Abteilungsleiter für industrielle Fertigung in das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition ein. Im April 1942 übernahm er die Leitung des Technischen Amts im „Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion“, das Albert Speer (1905–81) in Nachfolge Todts übernahm; seit Sept. 1943 war er für die Rüstungsendfertigung sämtlicher Waffen der Wehrmacht zuständig, die Luftwaffe ausgenommen, die Generalluftzeugmeister Erhard Milch (1892–1972) betreute. Als nach vernichtenden Luftangriffen auf die dt. Flugzeugwerke im März 1944 der „Jägerstab“ unter der gleichberechtigten Führung von Speer und Milch gegründet wurde, um die Produktion von Verteidigungsflugzeugen zum Schutz gegen die übermächtige brit. und amerik. Luftwaffe wieder in Gang zu bringen, erhielt S. auf Wunsch Hitlers die funktional entscheidende Position des Stabschefs, die er auch nach der Umwandlung des Jägerstabs in den Rüstungsstab im Aug. 1944 behielt. Seine in Hitlers Testament verfügte Ernennung zum Rüstungsminister trug seiner Rolle in den letzten Monaten des Krieges auch formal Rechnung.
Das Bild S.s als eines skrupellosen und zugleich devoten Nationalsozialisten, der mit nie nachlassender Energie nach dem Amt des Rüstungsministers gestrebt habe, wurde vornehmlich durch Albert Speer gezeichnet und von der jüngeren Forschung übernommen. Der rüstungswirtschaftliche Dilettant Speer empfand den Rationalisierungsfachmann S. sowie den Chef der Zentrale der Organisation Todt, →Xaver Dorsch (1899–1986), als Konkurrenten und versuchte überdies in seinen Nachkriegspublikationen Verantwortung auf seine ehem. Untergebenen abzuwälzen. Tatsächlich enthält bereits eine wissenschaftliche Studie S.s über die gesellschaftlichen Folgen der Rationalisierung von 1931 Überlegungen über eine genetische Auslese der Arbeiterschaft und die Forderung nach einem drastischen Abbau von Sozialleistungen, um die Vermehrung von ‚Minderbegabten‘ einzuschränken. Als Leiter des Technischen Amtes im Rüstungsministerium und Chef des Jägerstabs war S., der auf seine Mitarbeiter erheblichen politischen Druck ausübte, an allen Entscheidungen zur Radikalisierung des Arbeitseinsatzes – auch von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen – beteiligt. Die auch im Vergleich zu anderen Amtschefs des Rüstungsministeriums, v. a. dem Chef des Planungsamtes im Rüstungsministerium, Hans Kehrl (1900–84), negative Charakterisierung S.s geht außerdem auf seine besondere Funktion in der endverarbeitenden Rüstungsindustrie zurück. Das Ergebnis seiner Arbeit ließ sich an der Zahl der Waffen messen, die die Wehrmacht erhielt, so daß er mehr als andere Amtschefs des Rüstungsministeriums unter Erfolgsdruck stand, den er an seine Mitarbeiter und die Rüstungsindustrie weitergab.
Mit S.s Namen sind überdies Manipulationen der Produktionsbilanz verbunden, etwa die Übung, nicht ganz vollständige – sog. „saurfertige“ – Waffen an die Truppe zu überweisen und so das Trugbild eines dt. Rüstungswunders zu erzeugen. S.s Neuerungen lassen sich letztlich auf Verfahren zur Informationsbewirtschaftung und Erfolgskontrolle reduzieren, die er seit seiner Zeit in der Leitung der Betriebswirtschaftsstelle der ATH verfeinert hatte. So pflegte das Rüstungsministerium ein dichtes System der Produktivitätskontrolle, mit dem Defizite schneller als zuvor aufgedeckt und beseitigt werden konnten. Im Mai 1945 verhaftet, trat S. als Kronzeuge im sog. Krupp-Prozeß auf. In seinem Spruchkammerverfahren als „Verantwortlicher“ eingestuft, wurde er 1948 mit der Auflage aus der Haft entlassen, keine leitende industrielle Position mehr zu übernehmen. Im selben Jahr gründete S. gemeinsam mit einer früheren Sekretärin den Verlag „Dokumentation der Technik“, der seit 1949 technische Bibliographien und Nachschlagewerke veröffentlichte. Kommerziell erfolgreich war der Verlag aber erst wenige Jahre vor seinem Tod mit der Publikation von Adreßbüchern. Der Verlag „Dokumentation Saur“ wurde seit 1966 von seinem ältesten Sohn weitergeführt, seit 1978 unter dem Namen K. G. Saur Verlag.[4]

Familie

Karl-Otto war der Sohn von Karl Emil Saur (1871–1926), 1899 bis 1904 Chefingenieur der Wuppertaler Schwebebahn, 1907 bis 1909 Leiter der Technischen Lexikonredaktion des Herder-Verlags in Freiburg (Br.), 1909 bis 1926 Besitzer einer Maschinenbaufabrik, und dessen Frau Mathilde Frieda Lina, geb. Wernigk (1873–1959).

Ehe

Saur war Vater von sechs Kindern, zwei Söhnen und vier Töchtern. Sohn Prof. Dr. h. c. mult. Klaus Gerhard (Lebensrune.png 27. Juli 1941 in Pullach bei München), u. a. Ehrensenator der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, wurde Verleger. Das jüngste Kind, Sohn Karl-Otto (Lebensrune.png 1944), war von 1963 bis 1969 im väterlichen Verlag tätig, 1970 bis 1972 Leiter des Consult-Verlags, 1972 bis 1989 bei der SZ tätig, 1989/90 Feuilletonchef der Abendzeitung in München, 1990/91 Kulturchef des Spiegels, danach Programmchef der deutschsprachigen Auslandssenders Channel D, Inhaber des Kulturkontors Karl-Otto Saur in Ebenhausen bei München.

Auszeichnungen (Auszug)

Saur war einziger Träger aller drei Ritterkreuze zum Kriegsverdienstkreuz.

Schriften (Auswahl)

Verweise

Fußnoten

  1. In Rügenwalde erhielt das Geschütz ein neues (wie beim zweiten Geschütz nunmehr zweilagiges) Seelenrohr, da das alte bereits vor der projektierten Standzeit von 100 Schuß stark abgenutzt war. Die je 1.850 kg Hochleistungstreibladung pro Schuß brannten das Rohr sehr schnell aus; schon ab dem 15. Schuß sah die Trefferlage schlecht aus. Ein weiteres Erprobungsschießen des Geschützes fand zwischen dem 17. und 19. März 1943 in Rügenwalde (Schießplatz Rügenwalde-Bad) statt. An einem Vorführungsschießen am 19. März nahmen Hitler, Rüstungsminister Albert Speer, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel und weitere Generäle sowie Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und mehrere Direktoren der Krupp-Werke teil.
  2. Klaus Schreiber: Deutsche Orden und Ehrenzeichen, Rezension aus: „Informationsmittel für Bibliotheken“ (IFB) 9 (2001) 2
  3. Verleger Klaus G. Saur, Der Tagesspiegel, 26. Januar 2006
  4. Saur, Karl-Otto, Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 465–466