Payne Best, Sigismund
Sigismund Payne Best ( 14. April 1885 in Cheltenham; 21. September 1978 in Calne) war Hauptmann (Captain) beim britischen Secret Intelligence Service (SIS), der seit Mai 1940 Military Intelligence 6 (MI6) heißt. Sein Name ist eng verbunden mit dem Venlo-Zwischenfall im Jahr 1939.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Best wurde in Cheltenham (Gloucestershire) als Sohn des Arztes George Payne Best und dessen Ehefrau Catherine Sophia Allison geboren. Der Vater war Enkel aus einer Beziehung eines indischen Maharadschas mit einer Britin.
Nach einem naturwissenschaftlichen Studium in London arbeitete Best zunächst als Kaufmann. 1908 ging er zum Violinstudium an die Musikakademie von Lausanne. Anschließend studierte er an der Universität München Wirtschaftswissenschaften und parallel dazu am Konservatorium Musikwissenschaften. 1913 schloß er beides mit Examen ab und wurde Dirigent. In München erwarb er hervorragende Kenntnisse in der deutschen Sprache.
Erster Weltkrieg
Zurück in England ging er als Freiwilliger zur Armee. Im Ersten Weltkrieg war er als Offizier beim britischen Secret Intelligence Service (SIS) in Frankreich, Belgien und den Niederlanden im Einsatz. 1919 wurde Hauptmann Best mit dem Order of the British Empire (OBE) ausgezeichnet.
Zwischenkriegszeit
Nach dem Krieg lebte Best in den Niederlanden und gründete dort eine Reihe von Tarnfirmen. Ende der 1930er Jahre wurde ihm die Leitung der Organisation Z in den Niederlanden übertragen. Die Organisation Z war eine streng konspirative Sektion des SIS, die im Gegensatz zu den Geheimagenten in den Passport Control Offices (PCO) verdeckt arbeitete. Die wichtigsten Z-Niederlassungen waren in den Niederlanden, in der Schweiz und in Paris.
Im Dezember 1938 unternahm er eine ausgedehnte Reise nach Deutschland, in die Schweiz und nach Frankreich. Dabei soll er sich laut seinem Biographen Henri A. Bulhof mit Otto Strasser und Georg Elser getroffen haben, um das Bürgerbräuattentat auf Adolf Hitler vorzubereiten.
Zweiter Weltkrieg
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges durch die englische Kriegserklärung an Deutschland im Herbst 1939 kam er durch den Venlo-Zwischenfall gemeinsam mit seinem Komplizen Richard Henry Stevens in deutsche Gefangenschaft. Beide verbrachten die Haft als bevorzugte Sonderhäftlinge in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau. Nach Kriegsende „fand“ er einen angeblichen Liquidierungsbefehl für Georg Elser, welchen er auch in seinem später erschienenen Buch publik machte, das er nach seiner unbeschadeten Rückkehr nach England veröffentlichte. Dieser angebliche Befehl stellte sich im nachhinein als Fälschung heraus.
Dieses Schreiben, so der Elser-Kenner Günter Peis, ist eine Fälschung. Dafür spricht tatsächlich einiges. Das Geschäftszeichen unter dem Briefkopf ist nahezu kryptisch. Der Zusatz „Geheime Reichssache“ ist untypisch mit der Hand hinzugefügt. Der Brief beinhaltet erstaunliche Orthographiefehler – z. B. „tötlich“. Einige Formulierungen – „Ich bitte, auf jeden Fall besorgt zu sein“ – passen nicht und klingen zudem auffällig nach einer direkten Übersetzung vom Englischen ins Deutsche. Die Unterschrift ist fast schon gewollt unleserlich gekrakelt, der Name kann keinem Zuständigen in Heinrich Himmlers Sicherheitspolizei zugeordnet werden. Der gravierendste Makel ist jedoch: Auf dem ursprünglichen von Payne-Best nach dem Krieg in einem Buch faksimilierten Brief fehlt das bei solchen Schreiben übliche Zeichen Heinrich Himmlers, ein Kreuz in der oberen rechten Ecke. Das muß jemandem aufgefallen sein. Denn als Payne-Best den „Brief“ einige Zeit später als Beweismittel in einem Prozeß nach Deutschland schickte, war Himmlers Zeichen plötzlich wieder drauf.[2]
Darüber hinaus versuchte Best in seinen 1950 veröffentlichten Memoiren unter dem Titel „The Venlo Incident“ obskurerweise, das Bürgerbräuattentat der Gestapo anzulasten. Diese hätte das Attentat eingefädelt, um Hitlers Führungsanspruch unangreifbar zu machen.
In einer bisher unveröffentlichten Biographie des britischen Geheimdienstoffiziers Sigismund Payne Best beschreibt ein niederländischer Freund von Best, wie Georg Elser in Zürich 4.000 RM erhielt, um ein Attentat auf Hitler auszuführen. Otto Strasser, der auch von der nationalsozialistischen Presse als Drahtzieher Elsers beschuldigt wurde, hatte das Treffen eingefädelt. Der Niederländer Henri A. Bulhof beruft sich dabei auf Tagebücher von Best.
Günter Peis vermutet, daß „Best die Aussagen gefürchtet habe, die Georg Elser nach der bevorstehenden Befreiung hätte machen können“ und somit einen eventuellen Mord an Elser selbst in Auftrag gegeben habe. Nach dem Münchener Anschlag wurde Best, parallel zu Elser, in Berlin verhört und offenbarte dabei kriegsrelevante Interna aus dem britischen Geheimdienst. Peis: „Best hatte Angst, daß Elser diese Aussagen bekannt geworden waren.“[2]
Die „Befreiung“
Zum Schluß wurden 98 Sonder- und 37 Sippenhäftlinge (nach Namensliste) des RSHA aus sechzehn Nationen, somit auch Geheimagent Best, im Konzentrationslager Dachau zusammengezogen. Bei der letzten Verlegung über Tirol Richtung Alpenfestung wurde Sonderhäftling Best am 30. April 1945 von Einheiten der Wehrmacht befreit. Dies geschah, nachdem Oberst i. G.Bogislaw von Bonin, der mit anderen in einem Hotel unterbracht war, General der Panzertruppe Hans Röttiger (Oberkommando der Heeresgruppe C) am 29. April 1945 telefonisch erreichen konnte, der wiederum befahl Hauptmann Wichard von Alvensleben von Moos bei Sexten nach Niederdorf zu fahren, um sich unauffällig ein Bild der Lage zu verschaffen. Gemeinsam mit seinem Vetter Hauptmann Gebhard von Alvensleben entschied er sich, am nächsten Tag zu handeln.
Nach einer angespannten Konfrontation mit den SS-Bewachern befahl ihnen SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Wolff telefonisch, sich zurückzuziehen, die Häftlinge der Wehrmacht zu überlassen und nach Bozen zu fahren. Die Wehrmacht mußte nun die Häftlinge beschützen: Die mörderischen italienischen Partisanen, die nach der deutschen Kapitulation versuchten, das Land unter ihre Kontrolle zu bekommen, hatten die Absicht, die prominenten Gefangenen in ihr Hauptquartier im vierzig Kilometer südlich gelegenen Cortina d’Ampezzo abzutransportieren.
Am 4. Mai 1945, zwei Tage nach der deutschen Teilkapitulation, trafen rund 170 VS-amerikanische Soldaten eines Infanterieregiments der 85. Division der 5. VS-Armee unter dem Kommando von Captain John Atwell am Pragser Wildsee ein. Die deutschen Wehrmachtsangehörigen im Hotel „Pragser Wildsee“ wurden entwaffnet und zusammen mit den beiden Hauptleuten von Alvensleben in ein Kriegsgefangenenlager abtransportiert.
Im Schlepptau der VS-Armee erschienen am 5. Mai 1945 zahlreiche Journalisten und Pressefotografen. Schon bald gingen die Schlagzeilen über die sensationellen Ereignisse in Südtirol um die Welt. An diesem Tag entstand das bis heute immer wieder kolportierte Märchen von der Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge durch amerikanische Truppen, obwohl die Gefangenen in Wirklichkeit bereits am 30. April ihre Freiheit wiedererlangt hatten, als ihre SS-Bewacher unter dem Druck der Wehrmacht unter Hauptmann von Alvensleben aufgaben. Die Ankunft der VS-Amerikaner mündete für einige der Ex-Häftlinge sogar in eine erneute Gefangenschaft, diesmal bei den Alliierten.
- „Für alle war es eine Befreiung und ich glaube, daß es niemand bewußt war, daß dies für viele die Schwelle zu einer neuen und mühselig langen Gefangenschaft sein sollte.“ — Sigismund Payne Best
Nachkriegszeit
Nach dem Krieg wurde Best, dem man das Desaster von Venlo anlastete, aus dem SIS entlassen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 60 Jahre alt. Er lebte mit seiner Frau May in Chagford in Devon. 1950 veröffentlichte Best seine Memoiren unter dem Titel „The Venlo Incident“ und landete damit einen Verkaufsschlager. Nach Trennung von seiner Frau May im Jahr 1963 heiratete Best seine dritte Frau Bridget Payne Best und zog nach Calne in Wiltshire.
Tod
Best verstarb 1978 im Alter von 93 Jahren. Im Archiv des „Imperial War Museum“ in London werden die Best Papers, eine Sammlung von Briefen und Aufzeichnungen des ehemaligen Geheimdienstoffiziers, aufbewahrt. Die offiziellen britischen Regierungsakten zum Venlo-Zwischenfall waren auf Grundlage des „Official Secrets Act“ ursprünglich bis zum Jahr 2015 gesperrt, wurden aber bereits im Jahr 2009 freigegeben, auch wenn zahlreiche Quellen behaupten, dies sei nur unvollständig geschehen.
Literatur
- S. Payne Best / Nigel Jones: „The Venlo Incident, How the Nazis fooled Britain“, Verlag: Pen & Sword Books, 2009, ISBN 9781848325586 (englisch)
- Henri A. Bulhof: Biografie van Sigismund Payne Best; Oosterbeek 1991 (bislang unveröffentlichtes Manuskript in niederländischer Sprache)
Verweise
- Georg-Elser-Arbeitskries, Best-Biographie[3]
- Waren Secret Service und Otto Strasser die Geldgeber von Georg Elser?