Wüst, Walther

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SS-Standartenführer Prof. Dr. phil. Walther Wüst; u. a. Rektor der Universität München, Kurator sowie Amtschef der Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe und von 1939 bis 1945 1. Vizepräsident und Präsident der Wissenschaftlichen Abteilung der „Akademie zur Wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums“ („Deutsche Akademie“).

Walther Wüst (Lebensrune.png 7. Mai 1901 in Kaiserslautern in der Bayerischen Pfalz; Todesrune.png 21. März 1993[1] in München) war ein deutscher Philologe, Indogermanist, Hochschullehrer sowie aktiver nationalsozialistischer Wissenschaftsfunktionär und SS-Führer, zuletzt SS-Brigadeführer.

Leben

Vortrag des SS-Hauptsturmführers Prof. Dr. Wüst vor dem Führerkorps des SS-Oberabschnitts München und vor den SS-Unterführern und Männern des Standortes München am 10. März 1937 im Hackerkeller über das Thema: „Des Führers Buch ‚Mein Kampf‘ als Spiegel arischer Welt-Anschauung!“

Walther Wüst wurde am 7. Mai 1901 als Sohn des Volksschullehrers Wilhelm Wüst (1868–1947), seit September 1896 königlicher bayerischer Hauslehrer an der Strafanstalt sowie Arbeitshauses Kaiserslautern, geboren. Sein Vater schrieb u. a. das Buch „Volkslieder aus der Rheinpfalz“[2] und siedelte 1927 als Witwer zu seinem Sohn nach München über. Nach der Volksschule in Kulmbach und Lichtenau besuchte er ab 1911 das Humanistische Gymnasium in Kaiserslautern, das er 1920 mit einem sehr guten Abitur abschloß. Seine Mutter starb bereits 1917, sein einziger Bruder fiel mit 22 Jahren als Frontoffizier im Ersten Weltkrieg. Er beschäftigte sich schon in der fünften Gymnasialklasse mit Indogermanistik und lernte dabei freiwillig in Mußestunden Sanskrit. Deshalb schaffte der 19jährige die als äußerst schwierig bekannte Aufnahme in das Arische Seminar der Universität München gleich beim ersten Anlauf im Sommersemester 1920. Seine Studienschwerpunkte waren Germanische Philologie (wobei er Gotisch, Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch und Urnordisch erlernte), Deutsche, Bayerische und Englische Geschichte, Englische Philologie, Indogermanische Sprachwissenschaft, Allgemeine und Vergleichende Religionswissenschaft, Indoiranische Altertumskunde und Sprachwissenschaft sowie Anthropogeographie und Geopolitik. Wüst war auch ein Schüler Karl Haushofers, des Begründers der Geopolitik in Deutschland, der seit 1919 als Privatdozent und seit 1921 als Honorarprofessor an der Universität München lehrte.

Chronologie

SS-Oberführer Walther Wüst im Gespräch.jpg
  • 23. November 1923 zum Dr. phil. promoviert
    • Seine Dissertation, die der berühmte Indologe und Iranist Wilhelm Geiger als Doktorvater und der Völkerkundler Lucian Scherman als Zweitkorrektor betreute, verfaßte der 22jährige über den Schaltsatz im Rigveda, einer Sammlung der ältesten Götter-Hymnen der indogermanischen und indischen Literatur. Der Lob seiner beiden Prüfer geben die wissenschaftliche Begabung von Walther Wüst zu erkennen. Wüst avancierte mit dieser Leistung zum „Lieblingsschüler von Geheimrat Geiger“. Nach einer ebenso hervorragenden Leistung im Rigorosum, das Wüst im Hauptfach Indische Philologie bei Wilhelm Geiger und in den Nebenfächern Deutsche und Englische Philologie ablegt hatte, erhielt er vom damaligen Dekan August Heisenberg ein Doktorzeugnis mit der Bewertung „summa cum laude“.
  • 1926 Habilitation mit der Arbeit „Beiträge zu einer Geschichte des altindischen Dichtstils“
    • In seinem Gutachten lobte Hanns Oertel, Professor für Arische Philologie, die exakte philologische Arbeitsweise und strich die stilgeschichtlichen Resultate neben neuen Erkenntnissen zur Chronologie als besonders wertvoll heraus. In der Habilitationsschrift zeigte sich wieder das ausgeprägte philologische Interesse Wüsts: Der Kern der Arbeit bestand in der Untersuchung des Adjectivums, wofür Wüst rund 11.000 Wortformen einer genauen Analyse unterzog. Die Arbeit wurde einstimmig angenommen. Der Probevortrag „Vom Rigveda zum Atharvaveda. Eine gesellschaftsgeschichtliche Entwicklung“ bestätigte, daß „der Habilitand einen Überblick über die ganze zur Diskussion gestellte Materie besitzt und seine Ansichten gewandt und sicher verteidigen“ kann.
  • Juli 1926 vom bayerischen Kultusministerium als Privatdozent zugelassen
    • Die Privatdozentenbeihilfe, um die er sich im Oktober 1926 erfolgreich beworben hatte, nahm er zunächst nicht in Anspruch, da ihm durch die Vermittlung Prof. Haushofers für 1927 ein einjähriges Forschungsstipendium der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ zugesprochen worden war. Dieses nutzte er dazu, ein Wörterbuch des Altindischen zu erstellen, an dem er bereits seit 1924 arbeitete. Dieses Projekt sollte ihn bis 1945 durchwegs beschäftigen.
    • Die Veröffentlichung seiner Habilitationsschrift, die 1928 in Leipzig erschien, wurde nicht zuletzt in Anerkennung seiner großen wissenschaftlichen Leistung und seiner schwierigen finanziellen Lage durch großzügige Druckförderung gesichert.
  • 1932 nichtbeamteter außerordentlicher Professor
  • 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP (NSDAP-Nr.: 3.208.696)
  • Gaureferent im NS-Lehrerbund des Gaues München/Oberbayern
  • 1934 Vertrauensmann des SD
  • 1935 ordentlicher Professor für Arische Kultur- und Sprachwissenschaft an der Universität München
    • Mitte 1935 bis zum Frühjahr 1941 als Nachfolger von Karl Alexander von Müller Dekan der Philosophischen Fakultät I; Als Wüst in seiner Funktion als Dekan im Sommer 1936 für kurze Zeit den erkrankten Rektor vertrat, bemängelte er in einem Schreiben an alle Dienststellen der Universität die zunehmende Anbringung von künstlerisch schlecht gemachten Hoheitszeichen an Gebäuden und Versammlungsräumen der Universität. Diese Praxis verurteilte er, da das Hoheitszeichen, unter dem die nationalsozialistische Bewegung unser deutsches Volk und Vaterland vor dem Zusammenbruch rettete, ein heiliges Symbol im III. Reich« sei und deshalb nur in künstlerisch vollendeter Form« verwendet werden dürfe.
  • Anfang Juni 1936 Wüst, nun Mitglied von „Deutsches Ahnenerbe“ – Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte e. V., hielt eine Rede mit dem Titel „Des Führers Buch ‚Mein Kampf‘ als Spiegel indogermanischer Weltanschauung“ im Auditorium Maximum der Universität, die nach Aussagen von Wolfram Sievers, des Reichsgeschäftsführers des Ahnenerbes, einen 15 Minuten dauernden Beifall auslöste.
  • 31. August 1936 Treffen mit Heinrich Himmler am Tegernsee
    • von diesem zum Leiter der Pflegstätte für Wortkunde in der „Hauptstadt der Bewegung“ München ernannt; vier Vortragsreisen in 13 Städte.
  • 5. Oktober 1936 Wüst hielt in Detmold die Festansprache zu Ehren von Professor Wilhelm Teudt, um die Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt an diesen zu feiern.
  • Oktober 1936 zum Leiter der Abteilung für Wortkunde im „Deutschen Ahnenerbe“ – Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte e. V. ernannt
  • 18. Januar 1937 Festrede zur Reichsgründungsfeier im Kongreßsaal des Deutschen Museums; Titel: „Das Reich. Gedanke und Wirklichkeit bei den alten Ariern
    • Das indogermanische Volk, das sich seiner Blutsverwandtschaft bewußt gewesen sei, wohnte nach Wüsts Ansicht als „freies Heervolk“ in „Sippendörfern“, kam zu regelmäßigen Landthingen zusammen und bestand aus Stämmen. Dieses Ergriffensein von der völkischen Wirklichkeit, die aus der Einheit von Raum, Blut und Geist aufsteigt und zu einem Gemeinsamen zwingt, schätzte Wüst als eine wirksamere Ordnung und Führung höher ein als die Verwaltung über Untertanen.
  • 30. Januar 1937 Eintritt in die Allgemeine SS (SS-Nr.: 278.951) als SS-Hauptsturmführer
  • 1. April 1937 (nach anderen Quellen schon im Februar 1937) Präsident der Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ e. V.
  • Sommer 1937 Zweiter Präsident der Deutschen Akademie in München
  • 1. Januar 1939 Kurator der Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ e. V.
  • 1940 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften[3]
  • 1941 bis 1945 Rektor der Universität München
    • Im November 1940 starb unerwartet im Alter von nur 54 Jahren der Mediziner Philipp Broemser, der zwei Jahre lang die Universität München als Rektor geleitet hatte. Bereits bei dessen Wahl 1938 war Wüst von seiner Fakultät als Kandidat aufgestellt worden, da als Rektor eine Führerpersönlichkeit gewünscht wurde, die neben der Beliebtheit bei Studierenden und Dozenten, wissenschaftlichem Ansehen und Erfahrung in Fragen der Universitätsverwaltung besonders über aktiven politischen Einfluß verfügen sollte. Bis zur Bestimmung eines neuen Rektors übernahm der langjährige Prorektor, der Tiermediziner Wilhelm Ernst,[4] die Amtsgeschäfte.
    • Seit 1933 wurde der Rektor direkt von den Länderministerien für Unterricht und Kultus, seit 1935 von Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust ernannt: „Führer der Hochschule ist der Rektor. Er untersteht dem Reichswissenschaftsminister unmittelbar und ist ihm allein verantwortlich.“
    • Ende 1942 ließ Prof. Wüst angesichts des Bombenterrors ein Plakat aushängen, in dem er den Luftschutzdienst in der Universität als Ehrenpflicht eines jeden Studierenden bezeichnete und ankündigte, gegen jeden, der diese Pflicht verletze, mit unnachsichtiger Strenge vorzugehen, die in der Anwendung polizeilicher Zwangsmittel oder in der Einleitung von Hochschulstrafverfahren bestehen konnte. Nach seiner Ansicht sollte die Heimat in ihrem Bereich ebenso ihre Pflicht tun wie die Kriegsfront. Bis Kriegsende waren insgesamt 80 % der Universitätsgebäude und Kliniken zerstört.
  • 30. Januar oder 1. April 1942 Chef des Amtes „Ahnenerbe“ (Amt A), stellvertretender Amtschef war Reichsgeschäftsführer Wolfram Sievers
  • 1945 bis 1948 im Internierungslager Dachau gefangengehalten
    • 1946 von der Universität München entlassen
  • 9. November 1949 mit Urteil der Hauptkammer München wurde Walther Wüst im Entnazifizierungsverfahren als Belasteter eingestuft und zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt, die er aber bereits mit der Internierungshaft abgebüßt hatte. Durch das Verfahren verlor er außerdem die Hälfte seines Vermögens.
  • 1951 laut Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen zum „Professor zur Wiederverwendung“ erklärt
  • 1952 bis 1955 Lehrauftrag an der Universität in Saarbrücken
  • 1955 bis 1983 ordentlicher Professor für vergleichende indogermanische Sprachwissenschaft und indoiranische Philosophie an der Universität Erlangen-Nürnberg
    • seit auch 1975 korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

SS-Beförderungen

Auszeichnungen (Auszug)

Schriften (Auswahl)

K. Schrötter, Walther Wüst Tod und Unsterblichkeit, 2. Auflage, 1939.jpg
  • Der Lamaismus als Religionsform der hochasiatischen Landschaft, in: „Zeitschrift für Geopolitik“ 1, 1924, 295–302
  • Stilgeschichte und Chronologie des Rgveda, Deutsche Morgenländische Gesellschaft, Leipzig 1928
  • Studia Indo-Iranica, Leipzig 1931
  • Vergleichendes und etymologisches Wörterbuch des Alt-Indoarischen (Altindischen), Heidelberg 1935
  • Tod und Unsterblichkeit im Weltbild indogermanischer Denker, Nordland-Verlag, Berlin 1939 (gemeinsam mit Kurt Schrötter)
    • 2. Auflage 1939 im Ahnenerbe-Stiftung Verlag, 1939; 3. Auflage 1940
  • Indogermanisches Bekenntnis. Sechs Reden, Berlin 1942
    • 1943, 2. verm. u. verb. Aufl.
  • Japan und wir, Berlin 1942
  • Rudrá-, m. n. pr. Wortkundl. Beiträge zur arischen (indoiranischen) Kulturgeschichte und Weltanschauung, München 1955
  • Die altosmanischen anonymen Chroniken, Teil 2. Übersetzung 1966, Genehmigter Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1925–1928
  • Altpersische Studien, München 1966
  • Von indogermanischer Dichtersprache, München 1969

Literatur

  • Maximilian Schreiber: Walther Wüst – Dekan und Rektor der Universität München 1935–1945, Herbert Utz Verlag, München 2006, Buchbesprechung, 2010

Fußnoten

  1. Als Todesjahr wird auch 1991 angegeben.
  2. Eine Liedersammlung von Georg Heeger (Lebensrune.png 1856; Todesrune.png 12. Mai 1915) und Wilhelm Wüst aus dem Jahr 1909. Sie enthält Texte und Melodien, ausgewählt aus weit über 4000 Handschriften und soll den Beweis liefern, daß es in Deutschland kaum ein sangesfreudigeres Volk gibt als das pfälzische; zwei Bände.
  3. Prof. Dr. Walther Wüst
  4. Wilhelm Ernst, der in den Jahren 1935-1945 das Dekanat leitete, war durch die Ausübung diverser Ämter eine der einflußreichsten Personen an der Münchner Tierärztliche Fakultät.