Großes Hauptquartier Seiner Majestät des Kaisers und Königs
Das Kaiserliche Große Hauptquartier, amtliche Bezeichnung Großes Hauptquartier Seiner Majestät des Kaisers und Königs, war im Ersten Weltkrieg die Machtzentrale der obersten militärischen und später auch politischen Führung des Deutschen Kaiserreichs. Nach dem Waffenstillstand wurde das Große Hauptquartier nach Wilhelmshöhe verlegt, wo es bis zum 11. Februar 1919 verblieb. Letztmals wurde es dann nach Kolberg verlegt. Nachfolger des Großen Hauptquartiers wurde ab Februar 1919 das Generalhauptquartier (GHQ), beschützt vom Freikorps „Feldmarschall von Hindenburg“. Das GHQ wurde am 3. Juli 1919 aufgelöst.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bereits während der Befreiungskriege gab es das „Große Hauptquartier“ des Oberbefehlshabers Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg, und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gab es auf deutscher Seite das „Königliche Große Hauptquartier“ des Königs von Preußen als Oberstem Befehlshaber der verbündeten deutschen Armeen. Charakteristisch an diesem Großen Hauptquartier waren die dort versammelten deutschen Fürsten als Befehlshaber ihrer Kontingente und Armeen. Die Anwesenheit König Wilhelms I. im Felde war für diesen Monarchen, der gemäß Erziehung und beruflicher Laufbahn zuallererst Offizier und Soldat war, eine Selbstverständlichkeit.
Nach diesem Modell war auch für künftige Kriege die Bildung eines Großen Hauptquartiers vorgesehen. Grundlage war Art. 63 der Reichsverfassung, der bestimmte:
- „Die gesamte Landmacht des Reichs wird ein einheitliches Heer bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers steht.“
Erster Weltkrieg
Zusammensetzung und Mobilmachung des Großen Hauptquartiers war in den Allgemeinen Mobilmachungsbestimmungen geregelt. Mit Allerhöchster Kabinettsorder vom 3. August 1914 erfolgte schließlich gemäß diesen Festlegungen die planmäßige Mobilmachung des „Großen Hauptquartiers S.M. des Kaisers und Königs“. Sein Zweck war die Bündelung der höchsten militärischen und politischen Kompetenzen beim Kaiser als Oberstem Befehlshaber und Staatsoberhaupt und damit auch die Gewährleistung der Einheitlichkeit von Politik und Kriegführung. Tatsächlich war bereits in den Allgemeinen Mobilmachungsbestimmungen festgelegt, daß der Chef des Generalstabes der Armee als nunmehriger Chef des Generalstabes des Feldheeres die Operationen im Namen des Kaisers regeln sollte und nur vor wichtigen Entscheidungen die Zustimmung des Kaisers einzuholen hatte. Die im Krieg schließlich stattfindende Entmachtung des Kaisers war hier bereits im Keime angelegt und wurde dadurch, daß Wilhelm II. eigene Eingriffe weitestgehend vermied und sich in der Regel den Positionen des Chefs des Generalstabes anschloß, vollendet.
Zwar verkörperte der Kaiser als Inhaber der höchsten Kommandogewalt die „Oberste Heeresleitung (OHL)“, was in verschiedenen sehr bekannt gewordenen Fotos versinnbildlicht wurde, doch der Chef des Generalstabes des Feldheeres erteilte seine Anweisungen an das Deutsche Heer im Namen des Kaisers als „Oberste Heeresleitung“. Dies führte sehr schnell zur Gleichsetzung der Person des Generalstabschefs mit der Obersten Heeresleitung. Und mit zunehmender Macht des Chefs des Generalstabs des Feldheeres, also de facto „der OHL“, bestimmte die militärische Führung schließlich auch die Politik.[1]
Besetzung
Dem Großen Hauptquartier gehörten bei Kriegsausbruch neben Kaiser Wilhelm II. als Oberstem Kriegsherrn folgender Personenkreis an:
- Der Diensttuende Generaladjutant und Kommandant des Hauptquartiers Generaloberst mit dem Rang als GFM Hans von Plessen
- der Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg
- der Chef des Generalstabes des Feldheeres
- der Chef des Admiralstabes der Marine
- der Vortragende Generaladjutant und Chef des Militär-Kabinetts, General der Infanterie Moriz von Lyncker mit seinem Stab
- der Generaladjutant und Chef des Marinekabinetts Admiral Georg Alexander von Müller
- drei General- sowie vier Flügeladjutanten
- der Kriegsminister Erich von Falkenhayn
- ein Vertreter des Staatssekretärs des Reichsmarineamtes
- die Militärbevollmächtigten der Königreiche Bayern, Württemberg und Sachsen sowie von nichtmilitärischen Behörden
- die Spitzen der obersten Waffenbehörden
- der Chef des Geheimen Zivilkabinett Rudolf von Valentini
- ein Vertreter des Auswärtigen Amts, Erich von Luckwald.
- zwei Leibärzte Seiner Majestät
Im weiteren Kriegsverlauf trat noch ein Bevollmächtigter General der kaiserlichen und königlichen Armee und später aus dem Osmanischen Reich sowie aus Bulgarien hinzu. Am 15. November 1916 wurde General der Kavallerie Ernst von Hoeppner von Kaiser Wilhelm II. mit der Wahrnehmung der neugeschaffenen Stelle des „Kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte“ (KoGenLuft) betraut und wurde erneut ins Große Hauptquartier befohlen.
Einfluß
Der Reichskanzler und der Kriegsminister ließen sich im späteren Verlauf des Krieges vertreten, weil sie in Berlin nicht dauernd fehlen konnten. Die Oberste Heeresleitung nahm zunehmend Einfluß auf politische Entscheidungen und dominierte bald das Große Hauptquartier; die eigentliche Macht im Reich lag in den letzten zwei Kriegsjahren faktisch bei der Obersten Heeresleitung, vor allem bei Erich Ludendorff.
Stabswache
Als Ehren- und Schutzwache des Großen Hauptquartiers hatte die Stabswache drei Teile:
- Die Kavalleriestabswache war eine zusammengesetzte Schwadron mit ausnahmslos adeligen Offizieren. Sie diente rein repräsentativen Zwecken.
- Die Infanteriestabswache hatte den Wachtdienst in und um die „Kaiservilla“, vor von Hindenburgs Wohnsitz, vor den Unterkünften der „Allerhöchsten“ Besucher und vor dem Generalstabsgebäude.
- Die Artilleriestabswache hatte zwei ortsfeste Batterien, einen Kraftwagen-Flak-Zug, einen mit Pferden bespannten Flak-Zug No. 67 und eine Scheinwerfer-Gruppe. Die Artilleriestabswache sorgte für den Luftschutz des Großen Hauptquartiers. Ihr Führer war der allseits beliebte Hauptmann Graf Hermann von Plettenberg. Die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften waren im Schützenhaus neben der Rennbahn, die Pferde in deren Stallungen untergebracht. Die beiden Offiziere waren Kurt Otterski und Leutnant von Pressenthin, der als „echter Landsknechttyp“ galt.
Standorte
Das Große Hauptquartier wurde durch Allerhöchste Kabinettsorder (A.K.O.) vom 3. August 1914 mobilgemacht und wechselte im Laufe seines Bestehens mehrfach seinen Sitz. Bei Kriegsbeginn lag es vom 2. bis 16. August 1914 zunächst im Generalstabsgebäude in Berlin, dann vom 16. bis 30. August 1914 im Kaiser-Wilhelm-Realgymnasium in Koblenz, ab 30. August 1914 in der ehemaligen deutschen Botschaft in Luxemburg. Ab dem 25. September in Charleville-Mézières. Im April 1915 verlegte es in das Schloß Pleß in Oberschlesien. Im Februar 1916 kehrte es nach Charleville-Mézières, im August 1916 wieder nach Pleß zurück. Vom 2. Januar 1917 bis zum 8. März 1918 war es in „Parkhotel Kurhaus“ in Bad Kreuznach und Bad Münster am Stein-Ebernburg untergebracht. Der Kaiser residierte im Schloß Bad Homburg. Am 8. März 1918 wurde das Große Hauptquartier in das „Hotel Britannique“ ins belgische Spa verlegt, wo es bis zum Kriegsende blieb. In Spa residierte der Kaiser in der „Villa La Fraineuse“ des belgischen Großindustriellen Peltzer. Nach dem Waffenstillstand wurde das Große Hauptquartier nach Kassel-Wilhelmshöhe verlegt, wo es bis zum 11. Februar 1919 verblieb. Letztmals wurde es dann nach Kolberg verlegt, wo es sich am 3. Juli 1919 auflöste.
Kreuznach 1917–1918
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. und sein Generalstab richteten in Kreuznach das Große Hauptquartier ein, um von hier aus den Westfeldzug zu organisieren. Das Hotel Oranienhof wurde Sitz der Obersten Heeresleitung, und das neue repräsentative Kurhaus avancierte zur kaiserlichen Residenz. Zahlreiche europäische Fürsten, Staatsmänner und Heerführer kamen damals zu militärischen Besprechungen in die Nahestadt.
Literatur
- Georg Goens: Gott mit uns!: Feldpredigten im Großen Hauptquartier gehalten, E. S. Mittler und Sohn, 1915