Humor
Humor ist zunächst die Fähigkeit und Bereitschaft, auf bestimmte – insbesondere widrige – Dinge heiter und gelassen zu reagieren.[1] Als Scherz oder scherzhafte Haltung ist er daher immer auf Ernst gegründet. Im Unterschied zur aggressiveren, oft moralisierenden Satire oder zum – auf einen überraschenden Schlußeffekt ausgerichteten – Witz ist der Humor immer auch in gewissem Maße mitempfindend, eher liebevoll und mit einer gewissen innigen Teilnahme verbunden. Bekannte deutsche Vertreter des Humors sind z. B. Wilhelm Busch und Jean Paul. In einem stark vergrobenden, in der Alltagssprache heutzutage häufig gebräuchlichen Sinn, wird unter Humor auch schlicht jedwede Form von Lustigkeit und auch Albernheit subsumiert.
Das Wort ist seit dem 16. Jahrhundert aus der Gelehrtensprache in das Deutsche aufgenommen worden.[2] Der Terminus Humor ist somit noch relativ neu und ist national germanisch[3]. Man hat sich vergebens bemüht, bei den Griechen und Römern etwas zu entdecken, was unserem Humor entspräche [4].
– Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon (1911)[5]Humōr (lat.), ursprünglich die nach der Ansicht der alten Ärzte das geistige und leibliche Wohlsein bedingende Feuchtigkeit im menschlichen Körper; daher s.v.w. gute Stimmung, heitere Laune, seit dem 18. Jahrh. Bezeichnung der höchsten mit Wehmut verbundenen Form der Komik; Humorist, Schriftsteller, der humorvoll schreibt; humoristisch, launig, heiter.
Wortgeschichte
Die Wortgeschichte führt von Griechenland über Rom, Frankreich, England nach Deutschland; sie führt aber auch durch verschiedene wissenschaftliche Disziplinen. Die medizinische Psychologie des Altertums brachte die Vorstellung von den vier „Säften“ auf, von den vier humores, deren richtige Mischung oder Dosierung (temperamentum) für die Gesundheit notwendig ist.[6] Auch für die seelische Gesundheit, die gute Stimmung; und so wurde bald temperamentum, bald humores in der Psychologie der Ausdruck für das, was wir am Ende einer anderen Wortgeschichte Charakter zu nennen pflegen; in dieser Bedeutung findet sich besonders oft das französische humeur. In dem realistischeren und individualistischeren England wurde das Wort in der Form humour ein Modewort für die individuellen Neigungen von Sonderlingen, für Wunderlichkeiten des Betragens, für das, was die Engländer sonst fancy, whim nennen; bei Komödiendichtern, wie Ben Johnson und auch Shakespeare, wird das Wort oft gebraucht, weil sie sich darüber lustig machen wollten. Als nun Shakespeare durch die Übersetzung Schlegels fast ein deutscher Klassiker wurde, kam das Wort Humor, dessen ironische Anwendung man nicht bemerkte, als Bezeichnung für die komische Wunderlichkeit eines individuellen Charakters zu uns. Und weil die Romantiker Beziehungen zu ihrer Transzendental–Poesie oder ihrer romantischen Ironie mit Recht herausfanden, bemächtigte sich die philosophische Ästhetik der Zeit des Humorbegriffs; man glaubte, den Humor Shakespeares zu analysieren, gelangte aber zu einem neuen deutschen Humorideal, für das es in der Geschichte des Begriffs kein Beispiel gab.
Für die entscheidende Wortgeschichte in England und in Deutschland ist eine Stelle aus Drydens „Essay of dramatic poesy“ (1668) wichtig und die Übersetzung, die der junge Lessing in der 13. Abhandlung seiner theatralischen Bibliothek von dieser Stelle gegeben hat. Diese 13. Abhandlung ist ganz gewiß von Lessing selbst, wenn auch, was vorhergeht, von Nicolai herrühren sollte. Der junge Lessing also schickt voraus: „Ich erinnere zugleich, daß ich Humor, wo ich das Wort übersetzen will, durch Laune gebe, weil ich nicht glaube, daß man ein bequemeres in der ganzen deutschen Sprache finden wird.“ Nach dieser Erklärung läßt er Dryden sagen:
- „Humor ist die lächerliche Ausschweifung im Umgange, wodurch sich ein Mensch von allen übrigen unterscheidet. – Die Alten hatten in ihren Lustspielen sehr wenig davon; denn das geloion der alten griechischen Komödie, deren Haupt Aristophanes war, hatte nicht sowohl den Zweck, einen gewissen Menschen nachzuahmen, als vielmehr das Volk durch einen seltsamen Einfall, der meistenteils etwas Unnatürliches oder Unflätiges bei sich hatte, lachen zu machen.[7] [...] In ihrer darauffolgenden neuen Komödie suchten nun zwar die Dichter das êthos so wie in ihren Tragödien das pathos des Menschen auszudrücken. Allein dieses êthos enthielt bloß die allgemeinen Charaktere der Menschen und ihre Sitten, als da sind: alte Leute, Liebhaber, Bediente, Buhlerinnen, Schmarutzer und andre solche Personen, wie wir sie in ihren Lustspielen finden... was aber die Franzosen anbelangt, ob sie gleich das Wort humeur in ihrer Sprache haben, so machen sie doch nur einen sehr geringen Gebrauch in ihren Komödien und Possenspielen davon, die weiter nichts als schlechte Nachahmungen des geloion oder des Lächerlichen der alten Komödien sind. Bei den Engländern aber ist es ganz anders, die unter Humor irgendeine ausschweifende Gewohnheit, Leidenschaft oder Neigung verstehen, die, wie ich schon gesagt habe, einer Person eigentümlich ist, und durch deren Seltsamkeit sie sich sogleich von allen übrigen Menschen unterscheidet. Wenn dieser Humor lebhaft und natürlich vorgestellt wird, so erzeugt er meistenteils das boshafte Vergnügen, welches sich durch das Lachen verrät, wie denn alle Abweichungen von dem Gewöhnlichen am geschicktesten sind, es zu erregen. Das Lachen aber ist dabei nur zufällig, wenn nämlich die vorgestellten Personen phantastisch und närrisch sind; das Vergnügen hingegen ist ihm wesentlich, so wie einer jeden Nachahmung der Natur. In der Beschreibung dieser Humors oder Launen nun, die er an gewissen einzelnen Personen bemerkt hatte, bestand das eigentliche Genie und die größte Geschicklichkeit unsres Ben Johnsons.“
Der reife Lessing der Hamburgischen Dramaturgie kam auf die Wortgeschichte (1768) noch einmal zurück, im 93. Stück, in einer Anmerkung, die ebenso wie Dryden an Ben Johnson anknüpft. „Das Wort Humor war zu seiner Zeit aufgekommen und wurde auf die lächerlichste Weise gemißbraucht.“
Literatur
- Karl Seibold (Hg.): Deutschland lacht, Deutscher Volksverlag, München 1940
- Frank Lisson: Humor – Warum wir lachen, zu Klampen! Verlag, 2014, ISBN 9783866742314