Kremer, Johann Paul

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Johann Paul Kremer (Lebensrune.png 6. Dezember 1883 in Stelberg bei Köln; Todesrune.png 8. Januar 1965 in Münster) war ein deutscher Anatom, Chirurg und Universitätsprofessor.

Leben

Als Sohn eines Landwirts 1883 in Stelberg geboren, besuchte Johann Paul Kremer zunächst die Volksschule seines Heimatortes, anschließend die Höhere Bürgerschule und später das Progymnasium in Wipperfürth, das er mit der mittleren Reife verließ. 1909 bestand er als Externer in Trier das Abitur und studierte in Heidelberg, Straßburg und Berlin Biologie, Mathematik und Philosophie. Nach der Promotion 1914 zum Dr. phil begann er ein Studium der Medizin und bestand 1918 das medizinische Staatsexamen. Danach promovierte er erneut, diesmal zum Doktor der Medizin. In der Folgezeit arbeitete er als Assistenzarzt und Oberarzt an der Charité.

Nachdem er in Bonn einige Zeit als Chirurg und Anatom gearbeitet hatte, war er ab 1927 am Anatomischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster tätig, wo er sich 1929 habilitierte und 1936 zum außerordentlichen Professor für Anatomie und menschliche Vererbungslehre berufen wurde. Bis 1945 hielt Kremer Vorlesungen in den Fächern Vererbungslehre, Sportmedizin, Röntgenologie und Anatomie.

Am 30. Juli 1932 trat Johann Paul Kremer der NSDAP (Mitgliedsnummer 1 265 405) und 1934 der SS (Mitgliedsnummer 262 703) bei.

Während des Zweiten Weltkrieges

Während der Semesterferien 1942 meldete er sich zum SS-Lazarett nach Prag und wurde am 29. August 1942 zum KL Auschwitz-Birkenau abgeordnet, wo er am 30. August 1942 eintraf. Er blieb dort bis zum 18. November 1942 aushilfsweise als Lagerarzt, ohne allerdings zum festen Stammpersonal des Lagers zu zählen.

Während der Besatzungszeit

Im August 1945 wurde Kremer von den Briten zunächst im Konzentrationslager Neuengamme interniert und dann an Polen ausgeliefert, wo er in einem stalinistischen Scheinprozeß (Krakauer Auschwitzprozeß) am 22. Dezember 1947 zum Tode verurteilt wurde. Kurz vor seiner für Januar 1948 angesetzten Hinrichtung wurde jedoch die Todesstrafe in eine Lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt, 1957 schob man Krämer in die BRD ab. Laut Protokoll erklärte Kremer während seiner Vernehmung durch den stalinistischen Anwalt Jan Sehm, der auch Rudolf Höß „vernommen“ hatte, am 18. Juli 1947:[1]

Im Zusammenhang mit der von mir in meinem Tagebuch unter dem Datum des 12.10.1942 beschriebenen Vergasung erkläre ich, daß damals ungefähr 1600 Holländer vergast wurden. Dies ist eine annähernde Ziffer, die ich aufgrund dessen angab, was ich von anderen hörte. Die Aktion leitete SS-Offizier Hößler. Ich erinnere mich daran, daß er sich bemühte, die ganze Gruppe in einen einzigen Bunker zu treiben. Dies gelang ihm bis auf einen Mann, den man auf keine Weise mehr in den Bunker pferchen konnte. Diesen Mann erschoß Hößler mit einem Revolver. Das ist der Grund, weswegen ich im Tagebuch von der schauerlichen Szene vor dem letzten Bunker schrieb, wobei ich den Namen Hößler erwähnte.

Aufgrund seines öffentlichen Protestes gegen die ihm in Polen – wo „nur der Haß berechtigt war, seine Meinung auszudrücken“ – widerfahrene Behandlung und des Versuches, seine Professur an der Universität Münster wieder zu erlangen, zog er die Aufmerksamkeit „bestimmter Kreise und bestimmter Personen“ auf sich, die ihn daraufhin erneut vor Gericht erscheinen und wegen Mordes anklagen ließen. Obwohl er seine Einlassungen beim Krakauer Auschwitzprozeß, die ihm nun erneut vorgeworfen wurden, bestritt,[2] verurteilte ihn die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Münster am 29. November 1960 wegen angeblicher Beihilfe zum Mord in zwei Fällen zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 10 Jahren, die er allerdings nicht mehr antreten mußte, da die in polnischer Haft verbrachte Zeit angerechnet wurde.

Am 4. Juni 1964 sagte Kremer im 1. Auschwitzprozeß in Frankfurt am Main als Zeuge aus.

Kremer verstarb im Januar 1965 in Münster.

Tagebuch

Während seiner Zeit im KL Auschwitz-Birkenau führte Kremer ein Tagebuch, das in mehreren Prozessen und von Geschichtsschreibern als vermeintlicher Beweis von „Vergasungen“ angeführt wurde und wird. Tatsächlich aber wird in dem Tagebuch nur an einer Stelle von „Vergasung“ gesprochen, und zwar am 1. September 1942, wo damit allerdings eindeutig die Entwesung mittels Zyklon B und nicht etwa die Ermordung von Menschen gemeint ist.

Das Tagebuch wurde zusammen mit Kremer 1946 an die sowjetischen Polen ausgeliefert. Eine Photokopie soll sich laut „Die Zeit“ mit der Aktennummer NO-3408 im Nationalarchiv zu Washington befinden.[3]

Auszug (8. August - 24. November 1942)

Quelle
Folgender Text ist eine Quellenwiedergabe. Unter Umständen können Rechtschreibfehler korrigiert oder kleinere inhaltliche Fehler kommentiert worden sein. Der Ursprung des Textes ist als Quellennachweis angegeben.

Der Angeklagte hat über seine Tätigkeit im Konzentrationslager Auschwitz in der Zeit vom 30.8. bis zum 18.11.1942 ein Tagebuch geführt. Das Tagebuch ist dem Schwurgericht durch den Zeugen Prof. S. im Original vorgelegt worden. Das Gericht hat es eingesehen und in Stichproben mit den bei den Akten befindlichen Fotokopien verglichen. Es hat sich volle Übereinstimmung ergeben. Zudem hat der Angeklagte glaubhaft zugegeben, daß die dem Gericht vorliegenden Fotokopien des Tagebuches mit den von seiner Hand stammenden Tagebucheintragungen identisch sind. Diese Eintragungen haben für den massgeblichen Zeitraum folgenden Wortlaut:

8.August 1942
Vom 15.8.42 bis zur Beendigung der Semesterferien zum SS-Lazarett Prag kommandiert.
Freitag, 14.8.42
Abfahrt nach Prag: Münster ab 20.40, Osnabrück ab 0.57, Dresden an 10.12, Dresden ab 11.22 Prag an 15.15.
15.August 1942
Von Dresden ab schönes sonniges Wetter. Vom Hauptbahnhof mit der Strassenbahn nach dem SS-Lazarett Podol und Vorstellung beim Chef, Sturmbannführer Dr. Fietsch. Unterbringung in einem Patientenzimmer im 3. Stock (No.344). Ärzte etc. Adjutant: Hstf. Koebel, Apotheker, Verwaltungschef: Stubf. Dorn, Chirurgie: Stubf. Winne aus Danzig, Liekschüler, Innere: Stubf. Leppel aus Köln, Haut: Obstuf. Inden aus Düsseldorf, Augen: Oberscharf. Frederking aus Langendreer, Röntgen: Obstuf. Jung aus Aachen, Nerven: Obstuf. Jansen,
Sonntag, 16.8.42
Halbtägige Rundfahrt durch die Stadt zur Stadtbesichtigung mit Oschf. Frederking und Frau aus Langendreer. Danach im Kaffee eine Tasse Mokka (1.50 RM).
20.August 1942
Kasinoabend aus den alten Weinbeständen und gleichzeitig Arzt vom Dienst.
21.August 1942
Bestellung einer SS-Führer-Mütze von der Reichskleiderkasse der Schutzstaffel in Berlin durch Boten, der aber nichts erreicht.
24.August 1942
Papier, Brille und Gürtel gekauft. Mein Zimmerkamerad (Patient) Ustuf. Fritz Joachim aus St.Andrä, Post St.Ruprecht bei Villach (Kärnten) heute nach Hohenlychen verlegt. Zimmer 464.
27.August 1942
Brigadeführer Gentzken zu Besuch auf der Durchfahrt nach Karlsbad im Lazarett. Redete von einer Desavouierung des Intellektualismus namentlich durch Goebbels, von einer allmählichen Verödung der Hochschulen und von einem Ministerium für Bevölkerungspolitik.
28.August 1942
Zum Mützeneinkauf nach Berlin geschickt, werde ich beim Weggehen von der Aufnahme informiert, dass der Führer vom Dienst mich zu sprechen wünscht. Dieser teilt mir im Auftrage von Hstuf. Koebel mit, dass ich nicht nach Berlin reisen soll.
29.August 1942
Kommandierung lt. F.L.HSSZ 2150 28.8. ..... 1833 No.1565 zum KZ Auschwitz, da angeblich dort ein Arzt wegen Krankheit ausgefallen ist.
30.August 1942
Abfahrt Prag 8.15 über Böhmisch Trübau, Olmütz, Prerau, Oderberg. Ankunft im KL Auschwitz 17.36. Im Lager wegen zahlreicher Infektionskrankheiten (Fleckfieber, Malaria, Durchfälle) Quarantäne. (…) Erhalte streng geheimen Instruktionsbefehl durch (…) den Standortarzt Hauptsturmführer Uhlenbrock und werde im Haus der Waffen-SS in einem Hotelzimmer (26) untergebracht.
31.August 1942
Tropenklima bei 38°im Schatten, Staub und unzählige Fliegen! Verpflegung im Führerheim ausgezeichnet. Heute abend gabs z.B. saure Entenleber für 0.40 RM, dazu gefüllte Tomaten, Tomatensalat usw. Wasser ist verseucht, dafür trinkt man Selterswasser, das unentgeltlich verabfolgt wird (Mattoni). Erste Impfung gegen Flecktyphus. Photographische Aufnahme für den Lagerausweis.
1. September 1942
Von Berlin schriftlich Führermütze, Koppel und Hosenträger angefordert. Nachmittags bei der Vergasung eines Blocks mit Zyklon B gegen die Läuse.
2. September. 1942
Zum 1. Male um 3 Uhr früh bei einer Sonderaktion zugegen. Im Vergleich hierzu erscheint mir das Dante'sche Inferno fast wie eine Komödie. Umsonst wird Auschwitz nicht das Lager der Vernichtung genannt!
3. September. 1942
Zum 1. Male an den hier im Lager jeden befallenden Durchfällen mit Erbrechen und kolikartigen anfallsweisen Schmerzen erkrankt. Da ich keinen Tropfen Wasser getrunken, kann es hieran nicht liegen. Auch das Brot kann es nicht schuld sein, da auch solche erkranken die nur Weissbrot (Diät) zu sich genommen haben. Höchstwahrscheinlich liegt's an dem ungesunden kontinentalen und sehr trockenen Tropenklima mit seinen Staub- und Ungeziefermassen (Fliegen).
4. September. 1942
Gegen die Durchfälle: 1 Tag Schleimsuppen und Pfefferminztee, dazu Diät für eine Woche. Zwischendurch Kohle und Tannalbin. Schon erhebliche Besserung.
5. September. 1942
Heute mittag bei einer Sonderaktion aus dem F.K.L. (Muselmänner): das Schrecklichste der Schrecken. Hschf. Thilo - Truppenarzt - hat Recht, wenn er mir heute sagte, wir befänden uns hier am anus mundi. Abends gegen 8 Uhr wieder bei einer Sonderaktion aus Holland. Wegen der dabei abfallenden Sonderverpflegung, bestehend aus einem fünftel Liter Schnaps, 5 Zigaretten, 100 g Wurst und Brot, drängen sich die Männer zu solchen Aktionen. Heute und morgen (Sonntag) Dienst.
6. September. 1942
Heute Sonntag ausgezeichnetes Mittagessen: Tomatensuppe, 1/2 Huhn mit Kartoffeln und Rotkohl (20 g Fett). Süssspeise und herrliches Vanilleeis. Nach dem Essen Begrüssung des neuen Standortarztes, Obersturmführer Wirths, der aus Waldbröl gebürtig ist. Sturmbannführer Fietsch in Prag war sein ehemaliger Regimentsarzt. Nun bin ich eine Woche im Lager, doch bin ich die Flöhe in meinem Hotelzimmer noch immer nicht völlig wieder los trotz aller Gegenmassnahmen mit Flit (Cuprex) etc. Einen erfrischenden Eindruck hat es bei mir gewonnen, als ich dem Adjutanten des Kommandanten meinen Antrittsbesuch machte und über seinem Arbeitszimmer die grosse auf Papier gemalte Inschrift: 'Radfahrer absteigen' las. Übrigens hängt auch in der Schreibstube unseres SS-Reviers der bemerkenswerte Spruch:
Hast Du im Leben tausend Treffer,
Man sieht's, man nickt, man geht vorbei;
Doch nie vergisst der kleinste Kläffer,
Schiesst Du ein einzig Mal vorbei.
Abends um 8 Uhr wieder zur Sonderaktion draussen.
7. September. 1942
Zweite Impfung gegen Flecktyphus. Heute regnerisches und kühleres Wetter
9. September. 1942
Heute früh erhalte ich von meinem Rechtsanwalt in Münster, Prof.Dr. Hallermann, die höchst erfreuliche Mitteilung, dass ich am 1. d.M. von meiner Frau geschieden bin. [Randbemerkung: … sehe wieder Farben; ein schwarzer Vorhang ist von meinem Leben weggezogen!] Später als Arzt bei der Ausführung der Prügelstrafe an 8 Häftlingen und bei einer Erschiessung durch Kleinkaliber zugegen.
Seifenflocken und 2 Stück Seife erhalten. Mittags springt vor dem SS-Revier ein Civilist mein Rad wie ein Attentäter an, läuft neben mir her und bittet mich, ihm doch zu sagen, ob ich nicht Regierungsrat Hemm aus Breslau sei, mit dem ich eine ganz unglaubliche Ähnlichkeit habe. Er sei mit diesem Herrn im 1.Weltkriege im Feld zusammen gewesen. Wieviele Doppelgänger habe ich eigentlich in der Welt? Abends bei einer Sonderaktion zugegen (4. Mal).
10. September. 1942
Morgens bei einer Sonderaktion zugegen (5. Mal).
11. September. 1942
Heute Obersturmbannführer Lolling im Lager, bei dessen Vorstellung ich erst erfuhr, dass ich Hauptscharführer Kitt vertrete, der jetzt zur Erholung auf dem Obersalzberg sich befindet.
14. September. 1942
Zum 2. Male die Auschwitzer Krankheit; Temperatur 37.8. Heute die 3. und damit letzte Spritze gegen Fleckfieber erhalten.
17. September 1942
In Berlin bei der Kleiderkasse Allwettermantel bestellt nach Schneidermaßen: Bis Taille 48, Ganze Länge 133, Halber Rücken 22, Bis Ellenbogen 51, Ganze Ärmellänge 81, Oberweite 107, Taillenweite 100, Gesäss 124. Uniformbezugsschein dafür beigegeben, d. h. für einen Uniform-Wetterschutzmantel. Heute mit Dr. Meyer das Frauenlager Birkenau besucht.
20. September 1942
Heute Sonntagnachmittag von 3-6 Uhr Konzert der Häftlingskapelle in herrlichem Sonnenschein angehört: Kapellmeister Dirigent der Warschauer Staatsoper. 80 Musiker, Mittags gab's Schweinebraten, abends gebackene Schleie.
21. September 1942
Wegen Otto an das Polizeipräsidium Köln (Abt. Kriminalpolizei) geschrieben. Abends Entenklein. Dr. Meyer erzählt mir von einer Vererbung eines Traumas (Nase) in der Familie seines Schwiegervaters.
23. September 1942
Heute Nacht bei der 6. und 7. Sonderaktion. Morgens ist Obergruppenführer Pohl mit Gefolge im Hause der Waffen-SS eingetroffen. Vor der Tür steht eine Posten, welcher als erster seinen Präsentiergriff vor mir macht. Abends um 20 Uhr Abendessen mit Oberscharführer Pohl im Führerheim, ein wahres Festessen. Es gab gebackenen Hecht, soviel jeder wünschte, echten Bohnenkaffee, ausgezeichnetes Bier und belegte Brötchen.
25. September 1942
Gruppenführer Grawitz im Revier und Lager. Bei der Visite will er von mir wissen, was der Arzt bei allen Infektionskrankheiten zu allererst verordnet. Darauf weiss ich ihm wirklich keine Antwort zu geben, da sich das doch in dem Sinne nicht ganz allgemein angeben lässt. Und was meinte er? Man höre und staune: Ein Abführmittel! - Als wenn der Arzt bei jedem Schnupfen, jeder Angina, Diphtherie mit Abführmitteln eingreifen würde - geschweige denn beim Abdominaltyphus! So lässt sich die Medizin nun doch nicht schematisieren, ganz abgesehen davon, dass der junge unerfahrene Revierarzt noch einige Tage ein frisches perforiertes Magenulkus durch das blinde Verordnen von Rizinus um die Ecke gebracht hatte.
27. September 1942
Heute Sonntagnachmittag, 16-20 Uhr, Kameradschaftsabend im Gemeinschaftshaus mit Abendessen, Freibier und Rauchwaren. Rede des Kommandanten Höss und musikalische sowie theatralische Darbietungen.
28. September 1942
Heute Nacht bei der 8. Sonderaktion zugegen. Hstuf. Aumeier erzählt mir auf Befragen, dass das KZ Auschwitz eine Länge von 12 km und eine Breite von 8 km habe und 22000 Morgen Gross sei. Hiervon seien 12000 Morgen unter dem Pflug und 2000 Morgen Fischteiche.
3. Oktober 1942
Heute lebendfrisches Material von menschlicher Leber und Milz sowie vom Pankreas fixiert, dazu in absolutem Alkohol fixierte Läuse von Fleckfieberkranken. In Auschwitz liegen ganze Strassenzüge an Typhus darnieder. Habe mir deshalb heute früh die erste Serumspritze gegen Abdominaltyphus verabfolgen lassen. Obersturmführer Schwarz an Fleckfieber erkrankt!
6. Oktober 1942
(Lochung: unleserlich) Entress auf seinem Motorrad verunglückt. Verband angelegt, der Kommandant Höss vom Pferde gestürzt; Ostuf. Wirths noch immer nicht zurück.
7. Oktober 1942
Bei der 9. Sonderaktion (Auswärtige und Muselweiber) zugegen. Wirths wieder zur Stelle. Vertretung von Entress im Männerlager (Arztvorstellen usw.).
9. Oktober 1942
1. Paket mit 9 Pfd. Schmierseife mit 200.- M Wert nach Münster abgeschickt. Regenwetter.
10. Oktober 1942
Lebendfrisches Material von Leber, Milz und Pankreas entnommen und fixiert. Faksimilestempel von Häftlingen anfertigen lassen. Zum 1. Male das Zimmer eingeheizt. Noch immer Fälle von Flecktyphus und Typhusabdominalis. Lagersperre geht weiter.
11. Oktober 1942
Heute Sonntag gab's zu Mittag Hasenbraten - eine ganz dicke Keule - mit Mehlklösen und Rotkohl für 1.25 RM.
12. Oktober 1942
2. Schutzimpfung gegen Typhus; danach abends starke Allgemeinreaktion (Fieber). Trotzdem in der Nacht noch bei einer Sonderaktion aus Holland (1600 Personen) zugegen. Schauerliche Scene vor dem letzten Bunker! (Hößler!) Das war die 10. Sonderaktion.
13. Oktober 1942
Ustuf. Vetter angekommen. Stubaf. Cäsar ebenfalls an Typhus erkrankt, nachdem seine Frau vor einigen Tagen daran gestorben ist. Bei einem Strafvollzug zugegen und danach bei der Exekution von 7 polnischen Civilisten.
14. Oktober 1942
Wetterschutzmantel (Grösse 52) von Berlin erhalten, Preis 50.- RM. Auf Anregung vom Sanitätsamt beim Rektorat in Münster nach dem Beginn des Wintersemesters angefragt.
15. Oktober 1942
Heute Nacht ist draussen der erste Reif gefallen; nachmittags wieder sonnig und warm. Lebendfrisches Material von Leber, Milz und Pankreas von einem Ikterischen entnommen.
16. Oktober 1942
Heute Mittag das 2. Paket mit 300.- RM Wert an Frau Wizemann zum Aufheben abgeschickt. Seife, Seifenflocken, Nähmittel. Im Lager einen syndaktylen Juden photographieren lassen (Vater und Onkel dasselbe Leiden).
17. Oktober 1942
Bei einem Strafvollzug und 11 Exekutionen zugegen. Lebendfrisches Material von Leber, Milz und Pankreas nach Pilocarpininjektion entnommen. Mit Wirths nach Nikolai gefahren; vorher eröffnete er mir, dass ich länger bleiben müsse.
18. Oktober 1942
Bei nasskaltem Wetter heute Sonntagmorgen bei der 11. Sonderaktion (Holländer) zugegen. Grässliche Scenen bei drei Frauen, die ums nackte Leben flehen.
19. Oktober 1942
Mit Ostuf. Wirths und Frau Höss nach Kattowitz gefahren zum Einkauf von Schulterstücken für den Wettermantel. Zurück über Nikolai.
24. Oktober 1942
6 Frauen von der Budyer Revolte abgeimpft (Klehr).
25. Oktober 1942
Heute, Sonntag, bei wunderschönem Herbstwetter Radtour über Roisko nach Budy. Wilhelmy von seiner Fahrt nach Kroatien wieder zurück (Zwetschgenschnaps).
31. Oktober 1942
Seit etwa 14 Tagen wunderschönes Herbstwetter, welches tagaus tagein im Garten des Hauses der Waffen-SS zu Sonnenbädern Veranlassung gibt. Selbst die klaren Nächte sind verhältnismässig mild. Weil Thilo und Meyer auf Heimaturlaub, bin ich mit den Funktionen des Truppenarztes betraut. Wegen notwendiger Reise zu meiner Dienstbehörde 5-tägigen Urlaub zum SS-Lazarett Prag beantragt.
1. November 1942
Heute, Sonntag, nach dem Revierdienst, hauptsächlich Blutentnahme in Venülen, um 13.01 von Auschwitz mit D-Zug nach Prag abgefahren. Unterwegs gibts Regen; der Zug ist überfüllt. Abends gegen 22.30 Uhr Ankunft in Prag, wo ich mich im Stockdunkeln über mehrere Strassenbahnen schliesslich bis zum SS-Lazarett vorarbeite und oben von meiner bereits bekannten Schwester auf einer "Ottomanne" zum Nachtlager verpackt wurde im Dienstzimmer von Dr. Schreiber.
2. November 1942
Schon frühzeitig werde ich von Dr. Schreiber aus den Träumen und aus dem primitiven Pferdedeckenlager gerissen. Nach Frühstück in der Führerheimküche Aufgabe des 3. Paketes mit Stiefeln und Apfelkompott nach Münster mit 300.- RM Wert. Darauf Vorstellung beim Chef, Stubaf. Fietsch, und anschliessend Stammgericht im "Deutschen Haus" (Graben). Später Abholung meiner Zugstiefel (32.- RM) in der Gerstengasse und Rückfahrt zum erstklassigen Eintopfessen um 17.30 Uhr im Führerheim mit reichlich Fleisch. Abends auf dem Zimmer von Hstuf. Küttner, der mir von seiner neuen Operationstechnik an den Gaumentonsillen berichtet und die neuesten Berliner Witze erzählt (unleserliches Wort oder Abkürzung) O du arme Landwirtschaft; England liegt am weitesten von Europa; was würdet ihr machen, wenn ich es wie Hess machte? (unleserliches Wort oder Abkürzung) (Hermann?):Führer, wir folgen Dir! Goebbels: Führer, wir danken Dir! usw.
3. November 1942
Nach dem Frühstück mit der 17 hinaus zum Markt, wo ich mir Druckknöpfe und vor allem eine piekfeine Kartoffelreibe erhamsterte. Von da zurück ins Zentrum, wo ich mir eine Vorlesungsbrille für 14.50 RM bestellte und dann im "Deutschen Haus" wieder zu Mittag speiste. Um 3 Uhr besuchte ich dann gegenüber die Viktorialichtspiele, um mir "Andreas Schlüter" anzusehen. Ich war förmlich überrascht von der höchst vornehmen und geschmackvollen Ausstattung dieses Raumes und muss gestehen, dass ich wohl nie ein zweites so elegant ausgestattetes Kino erlebt habe. Der Film war mit einem ungeheuren Aufwand gedreht worden und wurde von Heinrich George ganz hervorragend gespielt. Er zeigte wieder, wie ein ganz auf sich selbst eingestellter schaffender Mensch in diesem Leben den gebührenden Lohn seiner Mitmenschen nicht findet und schliesslich an Intriguen und Anfeindungen zugrundegeht. Tief traf mich deshalb aus eigener Lebenserfahrung das Schlusswort: 'Das Leben geht vorüber; ewig bleibt das Werk.'
4. (?) November 1942
Heute früh zunächst versucht, einige Aufnahmen von der Prager Burg vom Oberlandratsgebäude und der Mauerbrücke aus zu machen. Besonnung war sehr launisch. Darauf zum Einkauf in die Altstadt, wo ich in der Nähe des Altstätter-Ring einen Füller für 7.50 RM und eine Damentasche für 14.35 RM erstand. Anschliessend zurück zum Eintopfessen im Lazarett um 1/2 1Uhr. Hier wurde mir mitgeteilt, dass ich mein Zimmer räumen müsse, da dort ein Ostubaf. Wohnung nehmen wolle. Es handelte sich um einen Patient von II b, auf der Unfallstation, in dessen Zimmer ich dann meine Koffer beförderte. Nach dem Essen hatte er aber der Vorsicht halber mal einen flüchtigen Blick in mein Zimmer geworfen und sofort von diesem Tausch Rückstand genommen. So konnte ich dann mit meinen Koffern wieder nach oben ziehen. Es handelte sich um Ostubaf. Deutsch, der mir erzählte, dass Stubaf. Fietsch (Lochung: unleserliches Wort) Regimentsarzt gewesen sei. Auf meine Frage kannte er auch Ostuf. Wirths gut und trug mir viele Grüsse an ihn auf. Er sei (?), wie er sich ausdrückte, etwas weichlich und habe mit Frau und Kindern allerhand Kummer. Nach dem Mittagessen ging ich dann später wieder in die Stadt photographierte den Wenzelplatz vom Landesmuseum aus sowie die Tein-Kirche. Nun holte ich meine Brille ab und dann gings in den Willy-Forst-Film "Operette", welcher einen Riesenerfolg zu verzeichnen hatte und in der "Astra" am Wenzelplatz schon die zweite Woche lief. Auch die weibliche Hauptrolle wurde von Maria Holst ganz vorzüglich gegeben. Ich war ganz begeistert als ich dieses auch wieder ganz vorzüglich und vornehm ausgestattete Lichtspielhaus verliess: Man kann nur eines - entweder lieben oder arbeiten; beides zugleich geht nicht. - Ist der Erfolg da, dann geht es einem wie dem Bergsteiger, der den Gipfel erreicht hat: das Streben ist zu Ende, man ist einsam und allein. Jedenfalls hat mich der Film mit seiner Markartscene, seinen Strausschen Operetten und seinen raffiniert prunkvollen Revuen restlos begeistert.
5. November 1942
Morgens Aufgabe des 4. Paketes mit 300.- RM Wertangabe an Frau Wizemann. Inhalt: Damentasche mit Füller, Brillen usw., Zugstiefel, Schreibpapier, Braunhemden, Kartoffelreibe usw. Dann einige Einkäufe in der Stadt und Mittagessen im "Deutschen Hause". Trübes, regnerisches Wetter. Abends Einpacken für die morgige Abreise und um 8 Uhr Kasinoabend, wo ich mir einen vollen Liter eines wunderbar schmeckenden bulgarischen Rotweins hinter die Binde goss, der mich so richtig in Stimmung brachte. Erst nach 12 Uhr suchte ich mein Lager auf.
6. November 1942
Früh um 6 Uhr wurde ich von der Schwester geweckt und bald darauf war ich schon am Bahnhof (Elektrische 21 und 7), wo ich um 8.10 Uhr den Schnellzug nach Mährisch-Ostrau bestieg. In Prerau stieg ich in den Schnellzug Wien - Krakau und hatte kaum ein Abteil 2. Klasse betreten, als ein Generalmajor sich zu mir gesellte, mit dem ich fast die ganze weitere Fahrt allein war, und der mir von seinen Fronterlebnissen erzählte und beim Abschied die Hand drückte. Dauer der Fahrt Prag - Auschwitz über 9 Stunden. An Ort und Stelle begab ich mich sofort ins Führerheim, wo ich mich mal wieder so richtig rundherum satt ass.
8. November 1942
Heute Nacht bei 2 Sonderaktionen teilgenommen, bei regnerischem und trübem Herbstwetter (12. und 13.). Vormittags Hschaf. Kitt, einen aus Essen stammenden Schüler von mir, im Revier begrüsst. Nachmittags noch eine Sonderaktion, also die 14., die ich bisher mitgemacht habe. Abends gemütliches Zusammensein im Führerheim, von dem nunmehrigen Hstuf. Wirths eingeladen. Es gab bulgarischen Rotwein und kroatischen Zwetschenschnaps.
10. November 1942
Heute 1. leichter Schneefall und in der Nacht Frost. 13.November 1942. Lebendfrisches Material (Leber, Milz und Pankreas) von einem vorher photographierten stark atrophischen jüdischen Häftling von 18 Jahren entnommen: Fixiert wie stets, Leber und Milz in Carnoy sowie Pankreas in Zenker (Häftl.No. 68030).
14. November 1942
Heute, Sonnabend, Varietevorstellung im Gemeinschaftshause (ganz gross!). Besondere Freude erregten die tanzenden Hunde und die beiden auf Kommando krähenden Zwerghähne, der verpackte Mensch und die Radfahrgruppe.
15. November 1942
(Lochung: unleserliches Wort) bei einem Strafvollzug zugegen.
16. November 1942
Ein Paket Schmierseife (rund 12 Pfd.) mit 300.- RM Wert an Mia und Gretchen abgeschickt.
17. November 1942
Kleiner Koffer an Frau Wizemann abgeschickt (5. Paket) mit 300.- RM Wertangabe. Inhalt: (14 kg!) 2 Flaschen Konsumbranntwein, Vitamin- und Stärkungspräparate, Rasierklingen, Wasch- und Rasierseifen, Thermometer, Nagelzangen, Jodflaschen, Präparate in 90%igem Alkohol, Röntgenbilder, Lebertran, Schreibsachen, Umschläge, Parfüms, Stopfwolle, Nadeln, Zahnpulver usw., usw. Abends Schneegestöber, das die Strassen in Sumpf und Morast verwandelt hat. Vorbereitung zur morgigen Abfahrt nach Prag. Im Revier:..ambor, Brauner (oder Branner), Biedermann, Wilks, und im Krankenbau: Klehr und Scheppe (oder Scherpe?), alles alte "Stacheldrahtkämpfer" und "KZ-Hasen" .....scharführer O. schwätzt mir einen Bezugschein für eine Breecheshose ab. Der Apotheker, Hauptsturmführer Kroemer, hat sich bei der Bereitstellung der notwendigen Reagenzien stets sehr kameradschaftlich erwiesen. Sauther, der Zahnarzt, ist nun nach (Name: unleserlich) versetzt.
18. November 1942
Heute Mittag 13.20 über Oderberg, Mährisch-Ostrau (umsteigen), Prerau, Olmütz nach Prag abgefahren, wo ich um 22.11 eintraf und guten Anschluss zum Lazarett hatte. Hier sorgte Nachtschwester Anna, dass ich wieder mein früheres Zimmer beziehen konnte.
19. November 1942
Nach Meldung beim Chefarzt und Frühstück Abholung des Koffers vom Bahnhof und dann Mittagessen im "Deutschen Hause". Nachmittags Abgabe der mir leihweise überlassenen Uniformstücke an die Kammer und Packen der Koffer.
20. November 1942
Frühstück, Verabschiedung vom stellv. Standortarzt Himstedt aus Hameln, Stubaf. Matz aus Stettin, Stubaf. Küttner, Hschf. Dreddling, Ustuf. Fasching, Hstuf. Koerber u.a. Ustuf. Jung, der Röntgenarzt, stellt mir schöne Röntgenaufnahmen für meine Vorlesung in Aussicht. Nach Ausstellung des Fahrscheines wird das Passagiergut zum Hibernerbahnhof gebracht. Abfahrt 16.13 über Dresden, Leipzig, Hannover, Osnabrück. Ankunft in Münster 6.38.
24. November 1942
Zum 1. Male in der neuen Anatomiebaracke am Westring.
Quelle: Das Urteil gegen Dr. Johann Paul Kremer, II. Aus dem Tagebuch des Angeklagten Lfd.Nr.500 (Ausschnitt)


Literatur

Fußnoten

  1. Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau (Hrsg.): Auschwitz in den Augen der SS. Oswiecim 1998, S. 159.
  2. Anthologie d'Auschwitz, Band 1, Warschau 1969, S. 239 f.. Zit. in: Robert Faurisson: Revisionism On Trial: Developments in France, 1979-1983 in The Journal of Historical Review, Sommer 1985, Band 6, Nr. 2, S. 133-181.
  3. Vorsicht! Umerziehungsliteratur im antideutschen Sinne!Ronald Percival: Lebendfrisches aus AuschwitzDie Zeit, 14. April 1989