Draghi, Mario

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Mario Draghi

Mario Draghi (Lebensrune.png 3. September 1947 in Rom) ist ein italienischer Wirtschafts- und Finanzpolitiker, Bankmanager und Wirtschaftswissenschaftler. Er war bis 2011 Präsident der Italienischen Nationalbank und vom 1. November 2011 bis zum 31. Oktober 2019 Präsident der Europäischen Zentralbank.[1] Am 13. Februar 2021 übernahm er das Amt des Ministerpräsidenten Italiens.

Werdegang

Mario Draghi wurde am 3. September 1947 in Rom geboren. Der Vater, ein hoher Zentralbank-Beamter, starb, als Draghi 15 Jahre alt war.

Draghi wurde an der Jesuitenschule Massimiliano Massimo erzogen. Danach studierte er an der Universität La Sapienza in Rom Ökonomie und schloß 1970 ab. 1971 ging er mit einem Stipendium ans Massachusetts Institute of Technology (MIT). Zu seinen akademischen Lehrern zählten dort mehrere Nobelpreisträger, darunter der Jude Paul A. Samuelson, der Jude Franco Modigliani und Draghis Doktorvater der Jude Robert M. Solow. 1977 promovierte Draghi mit der Arbeit „Essays on Economic Theory and Applications“ zum Ph.D.

Posten

Mario Draghi

Ab 1975 lehrte Mario Draghi Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Trento. 1978 folgte eine Professur für Makroökonomie in Padua und eine weitere für Wirtschaftsmathematik in Venedig. Von 1981 bis (mit Unterbrechungen) 1991 war Draghi Professor für Finanzwissenschaften (Geldpolitik) in Florenz. 1984 delegierten ihn sechs südeuropäische Länder als ihren Exekutivdirektor zur Weltbank nach Washington, wo er bis 1990 das operative Geschäft mit Staaten der Dritten Welt regelte. Zwischenzeitlich war er 1989/1990 in einer Arbeitsgruppe für den italienischen Schatzminister Guido Carli tätig, einen vormaligen Gouverneur der Notenbank. 1990 rief ihn Italiens Zentralbankchef Carlo Azeglio Ciampi als Berater an seine Seite.

Von 1991 bis 2001 leitete Draghi als Generaldirektor die Verwaltung des italienischen Schatzministeriums (Tesoro), das für Wirtschafts- und Währungspolitik sowie Staatsbeteiligungen und -konzerne zuständig war. Er blieb im Amt, während sich fast ein Dutzend Regierungen ablösten.

Zu Draghis Aufgaben gehörte die Umsetzung von Regelungen zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), mit der die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) eine weitergehende Integration über den Europäischen Binnenmarkt hinaus anstrebten. Den im Vertrag von Maastricht (1992) festgelegten Konvergenzkriterien hinsichtlich Inflationsrate, Staatsschulden und Haushaltsdefizit entsprach Italien jedoch in keiner Weise. So lag das jährliche Budgetdefizit damals bei über 10 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), für die Aufnahme in die EWWU durften es hingegen nicht mehr als 3 % sein. Allerdings gelang Italien in den 1990er Jahren eine Sanierung mittels Einsparungen (umgerechnet 45 Mrd. Euro) und Privatisierungen. Als Vorsitzender des Privatisierungskomitees der Regierung unterstellte Draghi die Staatsunternehmen - bis dahin Pfründe der Parteien - dem Tesoro direkt und trieb Rationalisierungen sowie Privatisierungen voran. Allein durch den Verkauf staatlicher Banken, Energie- und Telekom-Konzerne wurden rd. 60 Mrd. Euro erlöst, was maßgeblich zur Etatkonsolidierung unter der Ägide von Schatzminister Ciampi (1996–1999) beitrug.

Somit gehörte Italien zu den elf Gründungsmitgliedern des Euro, der neuen Gemeinschaftswährung, die 1999 als Buchgeld und 2002 als Bargeld eingeführt wurde. Nach und nach wurden bis 2015 acht weitere EU-Staaten in die Eurozone aufgenommen. Mit Blick auf die EWWU erfolgte auch die von Draghi geprägte Reform des italienischen Finanzmarktgesetzes („Legge Draghi“) von 1999, das für privatisierte Firmen einen modernen Finanzmarkt schuf und Übernahmen erleichterte. Unter dem im Juni 2001 vom neuen Regierungschef Silvio Berlusconi ernannten Minister Giulio Tremonti wurde das Tesoro-Ressort mit den kleineren Ministerien für Finanzen und Haushalt vereint, während Draghi aus dem Amt schied.

Mitte 2001 nahm Draghi einen Lehrauftrag der Harvard University an der Kennedy School of Government wahr. Anfang 2002 kam er zur weltweit führenden US-Investmentbank Goldman Sachs und arbeitete bis 2005 an deren Londoner Niederlassung als Vice President und Managing Director von Goldman Sachs International im Europa-Geschäft.[2] In den USA wurde er zudem Kurator der privaten Forschungsanstalten Institute for Advanced Study in Princeton und Brookings Institution in Washington, D.C.

Ende Dezember 2005 wurde Draghi auf Vorschlag der Berlusconi-Regierung vom nunmehrigen Staatspräsidenten Ciampi zum Gouverneur der staatlichen Notenbank Banca d'Italia ernannt. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern erhielt Draghi keinen lebenslangen, sondern einen sechsjährigen Vertrag. Die Berufung des angelsächsisch geprägten Draghi stieß in Italien auf breite Zustimmung. Draghis Vorgänger Antonio Fazio, seit 1993 im Amt, war wegen eines Korruptionsskandals zurückgetreten und hatte auch mit seiner starren Haltung gegenüber einer Neuordnung des Bankensektors Kritik auf sich gezogen.[3] Anders als in der BRD war die Notenbank in Italien auch für die Bankenaufsicht zuständig.

Gegenüber den Regierungen - ab Juni 2006 eine Mitte-links-Koalition unter Romano Prodi, ab 2008 neuerlich eine Mitte-rechts-Koalition unter Berlusconi - mahnte Draghi regelmäßig an, die Rückkehr zu Stabilität und Wachstum müsse „absolute Priorität“ in der Wirtschaftspolitik haben. Er stand auch für einen flexibleren Arbeitsmarkt, verbunden mit einem stärkeren sozialen Netz.

Als Gouverneur begann Draghi das Gefüge der Banca d'Italia zu rationalisieren und zu modernisieren. Hierzu gehörte die Schließung der Hälfte von bis dahin 97 Filialen im Land. Ganz oben auf der Tagesordnung stand für den parteilosen Draghi das heikle Thema einer Konsolidierung der zersplitterten italienischen Bankenlandschaft. Entgegen der früheren Praxis unter Fazio betonte er ganz offen, er begrüße Zusammenschlüsse, zumal die damals rd. 780 Banken im weltweiten Wettbewerb als zu klein und auch als zu teuer für die Kunden galten. Allein 2006/2007 erfolgten sechs große Bankenfusionen und zwei Übernahmen durch ausländische Banken. So entstand aus einer Fusion die Intesa Sanpaolo, das zweitgrößte Kreditinstitut Italiens, während die römische BNL eine Tochter der französischen BNP Paribas wurde und die italienische UniCredit mit der Capitalia zur zweitgrößten Bankengruppe Europas fusionierte. Als sich jedoch die Sieneser Traditionsbank MPS aufgrund eines fragwürdigen Übernahmegeschäfts von 2007 sechs Jahre später als Sanierungsfall entpuppte, der den Fiskus erheblich belastete, wurde der Banca d'Italia im Nachhinein Versagen bei der Bankenaufsicht vorgeworfen.

Qua Amt rückte Draghi in den Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ein, dem die Notenbankchefs der Euro-Länder und das sechsköpfige Direktorium unter dem seit 2003 amtierenden EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet aus Frankreich angehörten. Ab 2006 leitete Draghi zudem das Forum für Finanzstabilität (FSF) der führenden sieben Industrienationen (G7), ein 1999 gebildetes Konsultationsgremium.

Mario Draghi ist aber nur ein besonders prominentes Beispiel für die versteckte Machtübernahme des Goldman Sachs-Netzwerks auf dem Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise.[4]

Bereits im März 2007 warnte Draghi vor einer Finanzmarktkrise durch riskante Geschäfte mit zweitklassigen US-Hypothekenanleihen, was im Sommer auch eintrat, dann aber jegliches erwartete Maß überstieg. Draghi warf den Rating-Agenturen vor, die Fragwürdigkeit zahlloser Finanzprodukte übersehen zu haben, und merkte überdies an, daß die Emittenten solcher Papiere die Hauptkunden dieser Agenturen waren. Nachdem sich die US-Immobilienkrise zu einer globalen Finanzkrise auswuchs, die bald auch die Realwirtschaften erfasste, entwickelte die G20-Runde der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer das FSF zum Financial Stability Board (FSB) weiter, einem Verbindungsgremium zwischen G20 und globalen Standardsettern, das seinen Sitz bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel hat. Als FSB-Chairman (2009–2011) sah Draghi zwar grundsätzlich die Notwendigkeit, die Regeln für das globale Finanzsystem zu reformieren, äußerte sich aber vorsichtig abwägend in Bezug auf das vom Basler Ausschuß für Bankenaufsicht 2004 verabschiedete Regelwerk „Basel II“ zur Eigenkapitalausstattung von Banken, ein „hochkompliziertes Instrument“, so Draghi.

Staatliche Milliarden-Pakete zur Bankenrettung und massive Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der EU-Länder führten 2010 zu einer europäischen Staatsschuldenkrise, die zunächst Griechenland betraf, dann auf Irland und Portugal übergriff und die Währungsstabilität in der gesamten Eurozone gefährdete. Als auch Italien in Kursunruhen geriet, verbot die Banca d'Italia im August 2011 zeitweilig das Geschäft mit Aktien-Leerverkäufen. Allerdings musste bis dahin noch keine Bank in Italien durch staatliche Hilfen gerettet werden.

Schon im September 2009 brachte Italien Draghi für die Nachfolge des im Herbst 2011 abtretenden EZB-Chefs Trichet ins Gespräch. Draghi verhielt sich diplomatisch und wahrte damit seine Chancen, während Deutschland für den Bundesbank-Präsidenten Axel Weber warb. Im Februar 2010 musste sich Draghi wegen seiner früheren Rolle bei Goldman Sachs rechtfertigen. Dies betraf Geschäfte, die es Griechenland (seit 2001 Euro-Mitglied) wohl erleichtert hatten, Etatdefizite gegenüber der EU zu verschleiern. Draghi konnte jedoch belegen, daß entsprechende Verträge schon vor seinem Eintritt bestanden. Nachdem der im EZB-System stark polarisierende Weber im Februar 2011 seinen Rückzug als Bundesbank-Chef ankündigte, geriet Draghis Bestellung durch den Europäischen Rat im Juni schließlich zu einer reinen Formsache.

Umstritten war, daß die EZB 2010 begonnen hatte, Staatsanleihen der schwankenden Euro-Staaten aufzukaufen, um diese zu stabilisieren. Als Kernproblem machte Draghi die hohen Haushaltsdefizite in den Euro-Ländern aus. So verband sich mit seinem Namen auch der Wille, den Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1996 auszubauen, der eine Begrenzung der öffentlichen Verschuldung vorschrieb. Zum 1. November 2011 trat er offiziell die Nachfolge Trichets für eine Amtszeit von acht Jahren an. Neuer Notenbankchef in Italien wurde Ignazio Visco. Im sechsköpfigen EZB-Direktorium übernahm ab Januar 2012 der Deutsche Jörg Asmussen das erweiterte Ressort für Außenbeziehungen und Recht, während der Belgier Peter Praet den einflussreichen Posten des Chefvolkswirts erhielt, den zuvor stets ein Deutscher innehatte. Mit Amtsantritt übernahm Draghi auch die Leitung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, der 2010 gegründet wurde, um Risiken für die Finanzstabilität in der EU frühzeitig zu erkennen. Als EZB-Chef war Draghi zudem in der sog. Euro-Gruppe vertreten, einem Gremium der Finanzminister aus den Euro-Ländern, das die Finanz-, Währungs- und Wirtschaftspolitik koordiniert.

Mitgliedschaft / Ämter

  • Mitgliedschaft bei der „Group of Thirty“ (G30)[5][6]
  • Mitglied der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften in Rom[7]

Auszeichnungen

  • 2012: M100 Medienpreis[8]
  • 2020 Großkreuz des Verdienstordens der BRD

Familie

Draghi ist seit 1973 mit der Anglistin Maria Serenella Cappello verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder, Federica und Giacomo, der ebenfalls im Finanzsektor arbeitet.

Literatur

  • Walter Krämer: Kalte Enteignung — Wie die Euro-Rettung uns um Wohlstand und Renten bringt. Campus-Verlag, Frankfurt a.M., New York 2013, ISBN 978-3-593-39924-9
  • Udo Ulfkotte: Raus aus dem Euro — rein in den Knast. Das üble Spiel von Politik und Medien gegen Kritiker der EU-Einheitswährung. Kopp-Verlag, Rottenburg 2013, ISBN 978-3-864-45062-4

Verweise

Fußnoten

  1. Sein Salär betrug im Jahr 2013 378.240 Euro. „Gehälter - Draghi verdient mehr als das Doppelte wie Yellen“, finanzen.ch, 21. Februar 2014, [1]
  2. Von 2002 bis 2005 war er Vizepräsident bei Goldman Sachs in London.
  3. Draghi besaß Anteile an diesem weltweit tätigen Finanzkonzern, die er erst verkaufte, als er im Jahr 2006 Chef der italienischen Zentralbank wurde. Draghi löste Antonio Fazio ab, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Bestechung und Amtsmißbrauchs ermittelte.
  4. Michael Brückner: Goldman Sachs an Europas Schalthebeln der Macht Verweis defekt, gelöscht oder zensiert!
  5. Finanziert wird die »G30« unter anderem von Unternehmen, Banken, Stiftungen, Zentralbanken und Fonds. Mitglieder der G30 sind neben Mario Draghi beispielsweise auch der Gouverneur der kanadischen Notenbank, Mark Carney und Bank-of-England-Chef Mervyn King sowie der ehemalige Fed-Chef Paul Volcker.
  6. Ende Juli 2012 ist Beschwerde gegen EZB-Präsident und G30-Mitglied Mario Draghi von der Brüsseler Anti-Lobby-Gruppe „Corporate Europe Observatory“ eingelegt worden. Sie wirft dem EZB-Präsidenten einen Interessenkonflikt vor. Die „Group of Thirty“ weise alle Charakteristika einer Lobbyorganisation für Großbanken auf. Durch seine Mitgliedschaft fehle dem EZB-Präsidenten die Unabhängigkeit, argumentiert die Anti-Lobby-Gruppe.
  7. Juli 2020: Papst Franziskus ernennt Mario Draghi zum Mitglied der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften in Rom.
  8. Die Auszeichnung steht „für Verdienste um den Schutz der freien Meinungsäußerung und die Vertiefung der Demokratie sowie für besondere Leistungen um die europäische Verständigung“.