Philosophie im Nationalsozialismus

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Das Forschungsfeld Philosophie im Nationalsozialismus beleuchtet die Rolle der Philosophen im Nationalsozialismus und beinhaltet die Frage, ob „es eine NS-typische Philosophie oder nur ein eklektisches Sammelsurium von verschiedensten Ansätzen dazu“[1] gab.

Hochschullehrer und Studenten im allgemeinen

Vor dem Wahlsieg der NSDAP 1933 schlossen sich nur wenige Hochschullehrer der NSDAP an. Man neigte parteipolitisch vor allem zu den Deutschnationalen oder zur nationalliberalen DVP, wobei Unterschiede zwischen den Universitätsstandorten zu berücksichtigen sind. Hingegen wandte sich die Studentenschaft zu einem sehr frühen Zeitpunkt und mit außerordentlichem Enthusiasmus dem Nationalsozialismus zu. Schon bei den AStA-Wahlen von 1931 wurde der NSDStB stärkste Kraft. Im Jahr 1931 entschieden sich an den Universitäten 44,6 % aller Studenten für nationalsozialistische Listen. 1932 wuchs der Anteil auf 49,1 %. Die Wahlbeteiligung lag stets zwischen 60 und 80 %. Anfang der 1930er Jahre befanden sich die Universitäten in einer finanziellen und ideellen Krise. Zwischen 1930 und 1932 wurden die staatlichen Mittel um mehr als ein Drittel gekürzt. Zum anderen rief die Lebensferne des akademischen Betriebes zunehmend Kritik hervor. Des weiteren hatte sich seit der Jahrhundertwende der Anteil der nicht beamteten Hochschullehrer kontinuierlich erhöht. Im Sommersemester 1932 waren von 5.000 Professoren und Privatdozenten nur 45 % verbeamtet.[2]

Gab es eine NS-spezifische Philosophie?

Unbestritten ist, daß es vor 1933 Philosophen gab, die Nationalsozialisten waren, und daß sich nach der Machtübertragung Philosophen der NSDAP anschlossen und den Nationalsozialismus unterstützten. Strittig ist die Frage, ob es eine genuine NS-Philosophie gab.[3] [4] Nach Monika Leske[5] lassen sich drei Grundlinien einer nationalsozialistischen Philosophie benennen:

  1. Aktivismus bzw. Voluntarismus
  2. Anspruch der Wirklichkeitsnähe
  3. Anspruch der Ganzheitlichkeit

Die NS-Ideologie zeigte ein gespaltenes Verhältnis zu den Geisteswissenschaften. Auf der einen Seite lehnten ihre Vertreter die akademische Philosophie als „artfremd“ ab und stellten ihr eine „erdverbundene“ und „ganzheitliche“ Denkweise gegenüber, die Gedanke und Tat vereinen sollte. Zum anderen wurde versucht, die Philosophie für den nationalsozialistischen Staatsaufbau in die Pflicht zu nehmen.

Emigration

Von den Effekten akademischer „Säuberungsaktionen“ war die Philosophie überproportional betroffen.[6] Viele Philosophen, vor allem Linke und Juden, gingen in die Emigration. Durch diesen intellektuellen Aderlaß wurde das geistige Spektrum der deutschen Philosophie eingeschränkt, eine Entwicklung, die von der NSDAP begrüßt wurde. Gab es in der Weimarer Republik noch an den Universitäten 56 Philosophieprofessuren, so sank diese Zahl im Dritten Reich auf 36.[7]

Unterstützende Philosophen

Die am häufigsten als Philosophen des Nationalsozialismus benannten Denker Alfred Baeumler und Ernst Krieck konnten sich gegen die NS-Ideologie unter der Führung Alfred Rosenbergs jedoch nicht behaupten. Außerdem hervorzuheben ist Hans Heyse. Heyse wurde im Herbst 1933 Rektor in Königsberg und im Sommer 1935 Herausgeber der Kant-Studien. Gegen den Willen der dortigen Philosophischen Fakultät wurde er nach Göttingen berufen und schuf eine Akademie der Wissenschaften des NS-Dozentenbundes. 1937 war er Leiter der deutschen Delegation beim 7. Internationalen Philosophie-Kongreß in Paris.[8] Zu den völkischen Philosophen der Zeit des Nationalsozialismus zählen insbesondere Max Wundt, Bruno Bauch und Hermann Schwarz. Einige berühmte Philosophen standen dem Nationalsozialismus nur in der Anfangsphase positiv gegenüber, so z. B. Martin Heidegger, Erich Rothacker und Arnold Gehlen. Gehlen arbeitete in den Sommermonaten 1933 und 1934 an seiner Schrift „Die Philosophie des Nationalsozialismus“, die allerdings nicht erschien. In „Der Idealismus und die Gegenwart“ (1935) stellte sich Gehlen die Aufgabe einer „nationalsozialistischen Philosophie und Wissenschaftslehre“ (S. 354). Mit der Unterzeichnung des Wahlaufrufs für Adolf Hitler im „Völkischen Beobachter“ vom 29. Juli 1932 leisteten die Philosophen Rothacker, Carl August Emge, Erich Rudolf Jaensch und Krieck dem Nationalsozialismus schon vor der Machternennung Unterstützung.[9]

Der Fall Martin Heidegger

Heidegger und der Nationalsozialismus

Der prominenteste deutsche Philosoph, der zum Anhänger des Nationalsozialismus wurde, war Martin Heidegger. Heideggers Zustimmung zum Nationalsozialismus dauerte rund zwei Jahre: von 1933 bis etwa 1935. In dieser Zeit trat er bei NS-Veranstaltungen auf, trug ein NS-Abzeichen und verkündete im November 1933 den deutschen Studenten „die völlige Umwälzung unseres deutschen Daseins“: „Nicht Lehrsätze und ‚Ideen’ seien die Regeln eures Seins. Der Führer selbst und allein ist die heutige und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz.“ 1934 trat er jedoch von seinem Amt als Rektor der Universität Freiburg zurück, das ihm einen gewissen politischen Einfluß ermöglicht hatte, und zog sich ab 1935 auch aus öffentlichen Veranstaltungen zurück. Vor allem in seinen anschließend gehaltenen Nietzsche-Vorlesungen entwickelt Heidegger ab 1939 eine kritische Haltung zur nationalsozialistischen Regierung.[10]

Nach 1945

Ernst Krieck starb 1947 in einem Internierungslager, Baeumler und Heyse kehrten nie wieder auf eine akademische Stelle zurück. Rothacker wirkte nach der „Entnazifizierung“ noch längere Zeit an der Bonner Universität.[11] Bei ihm wurden Jürgen Habermas und Karl-Otto Apel promoviert.

Siehe auch

Literatur

Primärliteratur

Sekundärliteratur

  • W. Bialas / M. Gangl (Hg.): Intellektuelle im Nationalsozialismus, Frankfurt/M. 2000
  • Volker Böhnigk:
    • Kant und der Nationalsozialismus. Einige programmatische Bemerkungen über nationalsozialistische Philosophie, Bonn 2000
    • Kulturanthropologie als Rassenlehre. Nationalsozialistische Kulturphilosophie aus der Sicht des Philosophen Erich Rothacker, Würzburg 2002.
  • Marion Heinz / Goran Gretic (Hg.): Philosophie und Zeitgeist im Nationalsozialismus. Zur Sache des Denkens, Würzburg 2006
  • Ilse Korotin: Die besten Geister der Nation. Philosophie und Nationalsozialismus, Wien 1994
  • Monika Leske: Philosophen im „Dritten Reich“. Studie zu Hochschul- und Philosophiebetrieb im faschistischen Deutschland, Berlin 1990
  • Thomas Laugstien: Philosophieverhältnisse im deutschen Faschismus, Hamburg 1990
  • Georg Lukács: Die Zerstörung der Vernunft
  • Hans J. Sandkühler (Hg.): Philosophie im Nationalsozialismus, Meiner-Verlag, 2009
  • Claudia Schorcht: Philosophie an den bayerischen Universitäten 1933–1945
  • Imke Schröder: Zur Legitimationsfunktion der Rechtsphilosophie im Nationalsozialismus
  • Christian Tilitzki: Die deutsche Universitätsphilosophie: In der Weimarer Republik und im Dritten Reich, 2 Bde, 2001
Aufsätze
  • Gereon Wolters: Der „Führer“ und seine Denker. Zur Philosophie des „Dritten Reichs“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 47 (1999), S. 223–251
  • Hans-Joachim Dahms: Philosophie, in: Frank-Rutger Hausmann (Hg.): Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich 1933–1945, München 2002, S. 193–228
  • Ernst Nolte: Philosophie und Nationalsozialismus. In: A. Gethmann-Siegert / O. Pöggeler (Hg.): Heidegger und die praktische Philosophie, Frankfurt/M. 1988

Fußnoten

  1. Hans Joachim Dahms, in: Frank-Rutger Hausmann (Hg.): Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich, 1933–1945, München 2002, S. 194
  2. Michael Grüttner: Universität und Wissenschaft in der nationalsozialistischen Diktatur, in: Hans Jörg Sandkühler (Hg.): Philosophie im Nationalsozialismus, S. 32f
  3. Hans Joachim Dahms, in: Frank-Rutger Hausmann (Hg.): Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich, 1933–1945, München 2002, S. 204
  4. Peter Vogt: „Diese paar Professoren, völlig Wurscht.“ Erkenntnis und Verballhornung: Gab es eine genuin nationalsozialistische Philosophie? in: FAZ vom 27. September 2000
  5. vgl. Monika Leske: Philosophien im „Dritten Reich“. Studie zu Hochschul- und Philosophiebetrieb im faschistischen Deutschland, Berlin 1990, S. 117
  6. Hans Joachim Dahms, in: Frank-Rutger Hausmann (Hg.): Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich, 1933–1945, München 2002, S. 202
  7. dhm.de: Philosophie im „NS-Regime“
  8. Hans Joachim Dahms, in: Frank-Rutger Hausmann (Hg.): Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich, 1933–1945, 2002, S. 222
  9. Hans Joachim Dahms, in: Frank-Rutger Hausmann (Hg.): Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich, 1933–1945, 2002, S. 215
  10. Otto Pöggeler: Nietzsche, Hölderlin und Heidegger. In: Peter Kemper (Hg.): Martin Heidegger – Faszination und Erschrecken. Frankfurt am Main / New York 1990, S. 179
  11. Hans Joachim Dahms, in: Frank-Rutger Hausmann (Hg.): Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich, 1933–1945, 2002, S. 227