Ruhrbesetzung

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Während die Rheinlandbesetzung nach dem Kriege mit der „Schwarzen Schmach“ gleichgestellt wurde, bezeichnete man die Ruhrbesetzung als die „Weiße Schmach“, da die Franzosen überwiegend Weiße waren, dennoch wurde auch hier der deutsche Mann vom Feind drangsaliert und die deutsche Frau als Hure diffamiert.

Mit Ruhrbesetzung, Ruhreinbruch, Ruhrinvasion oder Ruhrkampf (nicht zu verwechseln mit dem kommunistischen Ruhrputsch im März 1920) ist der Konflikt gemeint, der 1923 im Ruhrgebiet zwischen dem Deutschen Reich und den belgisch-französischen Besatzungstruppen infolge des sogenannten Versailler Vertrages stattfand.

Ausgangslage

Ausweis, gültig nur für die Einreise in das besetzte rheinisch-westfälische Gebiet, ausgegeben vom Amt Marl
Liste der gefallenen Ruhrkämpfer in der Krypta des Schlageter-Ehrenmals
Deutscher Not- und Schmachtaler
Denkmal bei Kleve-Kellen: „Zur Erinnerung an die schwere Besatzungszeit 1918–1926“.

Die Weimarer Republik war durch den sogenannten Versailler Vertrag von 1919 verpflichtet, Reparationen an die Alliierten des Ersten Weltkrieges zu leisten. Vor allem der französische Ministerpräsident und Außenminister Raymond Poincaré bestand auf einer kompromißlosen Erfüllung der Bestimmungen des sogenannten Versailler Vertrages. Durch wirtschaftlich bedingte leichte Verzögerungen der Lieferungen rückte mehrfach französisches Militär in deutsches Reichsgebiet ein. Am 8. März 1921 besetzten französische und belgische Truppen die Städte Duisburg und Düsseldorf in der Entmilitarisierten Zone. Mit der Besetzung dieses Gebietes sicherte sich Frankreich eine Ausgangsbasis für eine mögliche Besetzung des gesamten rheinisch-westfälischen Industriegebietes. Außerdem ermöglichte die Kontrolle der Duisburg-Ruhrorter Häfen die genaue Registrierung des gesamten Exports von Kohle, Stahl und Fertigprodukten des Ruhrgebietes. Konsequenterweise wurde das Londoner Ultimatum vom 5. Mai 1921, mit dem die alliierten Siegermächte ihren Zahlungsplan für die deutschen Reparationen in Höhe von 132 Milliarden Goldmark gegenüber Deutschland durchsetzten, mit der Drohung verbunden, im Weigerungsfall das gesamte deutsche Ruhrgebiet zu besetzen.

Das Ergebnis der Volksabstimmung über die staatliche Zugehörigkeit Oberschlesiens am 20. März 1921 (59,4 % für Deutschland, 40,6 % für Polen) und die dennoch auf französisches Betreiben durchgeführte Teilung der deutschen Provinz wurden in Deutschland als verheerende Niederlage empfunden und markierten das Ende der bisherigen „Erfüllungspolitik“. Diese wurde abgelöst durch eine entschlossene Bekämpfung der gegen Deutschland gerichteten französisch-polnischen Allianz, was wesentlich zum Abschluß des deutsch-sowjetischen Vertrages von Rapallo am 16. April 1922 beitrug. Der Vertrag von Rapallo bewirkte wiederum einen Umschwung in der französischen Außenpolitik und beeinflußte direkt die Entscheidung zur Besetzung des Ruhrgebietes. Diese Umorientierungen in den Außenpolitiken Deutschlands und Frankreichs in den Jahren 1921 und 1922 führten wechselseitig zu einer Verhärtung der Fronten und bildeten letztlich den Hintergrund für die Besetzung des deutschen Ruhrgebietes durch französische Okkupationstruppen im Januar 1923.

Wegen der immer größeren wirtschaftlichen Probleme des Deutschen Reiches verzichteten die Alliierten 1922 auf Reparationszahlungen in Form von Geld und forderten statt dessen Sachleistungen (Stahl, Holz, Kohle) ein. Am 26. Dezember stellte die alliierte Reparationskommission allerdings einstimmig fest, daß Deutschland mit den Reparationslieferungen in Rückstand war. Als am 9. Januar 1923 die Reparationskommission behauptete, die Weimarer Republik hielte absichtlich Lieferungen zurück (u. a. 30.000 Telegraphenmasten), lieferte dies Frankreich den willkommenen Anlaß zum Einmarsch in das Ruhrgebiet.

Besetzung

Zwischen dem 11. und dem 16. Januar 1923 besetzten französische und belgische Truppen in einer Stärke von anfangs 60.000, später 100.000 Mann das gesamte Ruhrgebiet, um die dortige Kohle- und Koksproduktion als „produktives Pfand“ zur Erfüllung der deutschen Reparationsverpflichtungen zu sichern. Dazu wurde den Ruhr-Industriellen das sogenannte MICUM-Abkommen aufoktroyiert. Dem französischen Ministerpräsidenten und Außenminister Raymond Poincaré ging es aber um sehr viel mehr als nur um die Beibringung von Reparationsleistungen. Er strebte eine mit dem Status des Saargebietes vergleichbare Sonderstellung des Rheinlandes und des Ruhrgebietes an, um es letzten Endes Frankreich einverleiben zu können. Um das Ruhrgebiet zu betreten bzw. ausreisen zu dürfen, brauchte die Bevölkerung während der Besatzungszeit spezielle, durch die französischen Besatzer ausgegebene Ausweise. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen verhängten die französischen Besatzer über das Gebiet eine Hungerblockade.

Ruhrkampf

Die Besetzung löste im Deutschen Reich einen Aufschrei nationaler Empörung aus, da die Folge eine große Verarmung weiter Teile der deutschen Bevölkerung bedeutete. Die Reichsregierung unter dem parteilosen Kanzler Wilhelm Cuno rief die Bevölkerung zum „passiven Widerstand“ auf: Es wurden keine Reparationen mehr gezahlt, Industrie, Verwaltung und Verkehr wurden mit Generalstreiks teilweise lahmgelegt. Betriebe und Behörden leisteten teilweise den Anordnungen der Besatzer keine Folge. Frankreich reagierte darauf mit 150.000 verhängten Strafen, die mitunter bis zu Ausweisungen aus dem besetzten Gebiet gingen. Inzwischen begingen ehemalige Freikorpsmitglieder und auch Kommunisten Sabotageakte und Anschläge gegen die Besatzungstruppen. Diese wiederum reagierten mit Sühnemaßnahmen, die Situation eskalierte und forderte 137 Tote. Albert Leo Schlageter wurde als Abschreckung wegen Spionage und Sabotage zum Tode verurteilt, was ihn in der deutschen Öffentlichkeit zum Märtyrer machte.

Sechs Reden des Reichspräsidenten Ebert (Auszug)

„Ein großer Teil des Hessenlandes ist seit dem Waffenstillstand von dem Gegner besetzt. Wir wissen, wie schwer die Last der Fremdherrschaft ist, die auf diesem Lande liegt, wie insbesondere Mainz unter der übermäßig hohen Garnison leidet, wie überall die rücksichtslos durchgesetzten großen Ansprüche an Quartiere die Wohnungsnot der einheimischen Bevölkerung ins Ungeheuerliche steigern, und sehen täglich, welche Gefahren dies für unsere Volksgesundheit mit sich bringt. Trotz der bisherigen Erfolglosigkeit unserer Bemühungen weisen wir immer wieder auf die unerhört hohen Kosten, die zwecklos verschleuderten Summen hin, die dem Reiche durch die überflüssigen Zivilbeamten und die vielen Militärpersonen mit ihrem Anhang, durch die die deutschen Friedensgarnisonen um das zwei- bis dreifache übersteigende hohe Truppenzahl, ihre Unterhaltung und ihre rücksichtslosen Requisitionen entstehen; die Beschlagnahme von Schulen für militärische Zwecke ist auch jetzt noch, fast vier Jahre nach dem Friedensschluß, in solchem Umfange aufrecht erhalten, daß an vielen Orten ein geordneter Schulbetrieb nicht möglich ist. Mit wachsender Sorge verfolgen wir, wie immer neue wertvolle Flächen Ackerlandes der Landwirtschaft des besetzten Gebietes und damit der Volksernährung entzogen werden für zwecklose Flug-, Exerzier-, Schieß-, Sport- und Spielplätze. Wir geben auch hier der lebhaften Entrüstung der Bevölkerung über die mit zynischer Rücksichtslosigkeit durchgeführte Einrichtung der französischen Bordelle Ausdruck und können es nicht verstehen, wie die Kulturwelt schweigen kann zu diesem uns aufgezwungenen Schmutz; wie sie schweigen kann zu den vielen Sittlichkeitsverbrechen, der Verseuchung der Bevölkerung durch Geschlechtskrankheiten und anderes mehr. Daß die Verwendung farbiger Truppen niederster Kultur als Aufseher über eine Bevölkerung von der hohen geistigen und wirtschaftlichen Bedeutung der Rheinländer eine herausfordernde Verletzung der Gesetze europäischer Zivilisation ist, sei auch hier erneut anklagend in die Welt hinausgerufen.
Zu diesen Bedrückungen, die seit über vier Jahren auf dem besetzten Gebiet und seinen Bewohnern lasten, hat fremde Machtwillkür jetzt neue Drangsale ersonnen. Beamte, die tun, was ihnen Pflicht und Eid gebieten, Bürger, die die Interessen ihrer Landsleute wahrnahmen, Männer, die als erwählte Vertreter ihrer Mitbürger zu Ehrenämtern in Staat und Gemeinde berufen sind, werden in der rücksichtslosesten Weise von fremden Bajonetten aus ihrer Heimat verjagt. Die Rachsucht der Gegner macht nicht vor den Frauen und Kindern, nicht vor Schwerkranken halt. Mit tiefer Entrüstung gedenke ich der unmenschlichen Ausweisung des verdienten Oberbürgermeisters Dr. Külb von Mainz, der schwerkrank aus dem Hospital von rohen Soldatenfäusten wie ein Verbrecher abgeschoben wurde, an die rücksichtslose Vertreibung des zweiten Bürgermeisters von Mainz, den Präsidenten des hessischen Landtags, Herrn Adelung. Wo bleibt da die Achtung vor den Rechten des Volkes, die Achtung vor der demokratischen Idee, wenn die erwählten Vertrauensmänner des Volkes durch rohes Faustrecht an der Erfüllung ihres Amtes verhindert und aus der Heimat vertrieben werden? Das, was hier geschieht, ist alles andere als ein Ruhmesblatt in der Geschichte eines Volkes, das einst Demokratie und Menschenrecht auf seine Fahnen schrieb.
Tiefe Dankbarkeit bringt die Leitung des Reichs, bringt das ganze deutsche Volk den Männern entgegen, die in treuer Pflichterfüllung in ihrem Amte, ihrem Berufe die Würde des deutschen Volkes und die Interessen ihrer Mitbürger so treu gewahrt haben, die lieber Freiheit und Heimat geopfert haben, als sich fremdem Joch zu beugen. Unsere Gegner glauben, die Bevölkerung des besetzten Gebietes ihrer Herrschaft gefügiger zu machen, wenn sie die Beamten und die übrigen Vertreter öffentlicher Interessen aus der angestammten Heimat verjagen. Sie werden sich auch hier täuschen. Der Gemeingeist der seit Jahren hart duldenden Bewohner des besetzten Gebiets, ihr unverbrüchliches Festhalten am deutschen Volkstum, der Heimat und dem Reiche, wird ihnen die Kraft geben zu dem festen Willen, sich nimmer in fremder Sklaverei zu ducken. Uns anderen aber erwächst die Pflicht, in enger Notgemeinschaft mit allen Kräften uns zusammenzuschließen, um mit vereintem Willen unseren bedrängten Brüdern und Schwestern in voller Hingabe beizustehen und ihnen Stärkung und Hilfe zu geben, soviel wir können; in diesem Zusammenschluß eines Volkes in Not sind wir stark genug, allen Anschlägen auf unsere Freiheit, auf deutsches Land und seine Söhne zu trotzen, bis nach der Finsternis der Gewalt der helle Tag des Rechts kommt!“[1]

Ende des Ruhrkampfes

Während des passiven Widerstandes wurden die Löhne von etwa 2 Millionen Arbeitern des Ruhrgebietes vom Staat übernommen, zu diesem Zweck wurde mehr Geld gedruckt. Dieses Vorgehen konnte nicht längere Zeit durchgehalten werden, da sich die Wirtschaftskrise verstärkte und Inflation und Produktions- und Steuerausfälle den reichsdeutschen Haushalt belasteten.

Der neue Reichskanzler Gustav Stresemann sah sich schließlich am 26. September 1923 gezwungen, den Abbruch des passiven Widerstandes zu verkünden. Antirepublikanischen, reaktionären Kräften in Bayern lieferte das Ende des Ruhrkampfes einen Vorwand zur Errichtung einer Diktatur. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden der Ruhrbesetzung belief sich auf 4 bis 5 Milliarden Goldmark. Das Ende des Ruhrkampfes ermöglichte eine Währungsreform, welche die Bedingung für eine Neuverhandlung der Reparationen war.

Siehe auch

Literatur

  • Gustav von Oetinger: In Ketten vom Ruhrgebiet nach Saint-Martin de Ré, Verlag Julius Hergt, Essen 1925

Verweise

Fußnoten