Zerstörer (Flugzeug)

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Die Bf 110 E-1 des Ritterkreuzträgers Hans-Joachim Jabs in der 6. Staffel des Zerstörergeschwaders 76

Ein Zerstörer ist ein Mehrzweckkampfflugzeug, das primär als schweres Jagdflugzeug für die Zerstörung anderer Flugzeuge eingesetzt wird, aber auch andere Aufgaben, wie zum Beispiel Luftaufklärung oder Tiefangriffe, ausführen kann.

Deutsche Zerstörer

Ursprung

Der Ursprung der Entwicklung von Zerstörern liegt in den taktischen Forderungen der Reichswehr, die im Oktober 1932 verabschiedet wurden und als „Rüstungsflugzeug II“ einen einmotorigen, zweisitzigen Jäger, Aufklärer und leichten Bomber forderten. Diese Forderung basierte noch auf Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg mit Flugzeugtypen wie dem Bristol F.2 Fighter und wurde durch Tests mit modernen Entwürfen wie der Junkers K47 untermauert.

Begleitschutzkonzept

1934 wurde das Konzept des „Rüstungsflugzeugs III“ entwickelt. Die zugehörige Studie des Führungsstabes der Luftwaffe führte den Begriff „Zerstörer“ für einen zweimotorigen Begleitjäger mit beweglich eingebauter Kanonenbewaffnung, der ein nach vorne und aufwärts ausgerichtetes Schußfeld haben sollte, ein. Aufgabe des Zerstörers war der Begleitschutz für Bomber durch die Bekämpfung feindlicher Abfangjäger. Da bei damaligem Stand der Technik ein schwerer Jäger großer Reichweite leistungsmäßig nicht mit einem leichten Abfangjäger konkurrieren konnte, war die Wahl einer beweglichen Bewaffnung eine Möglichkeit, den Leistungsnachteil wettzumachen. Durch die hohen Anforderungen an Bewaffnung und Reichweite wäre nach diesem Konzept ein Flugzeug von der Größe eines leichten Bombers entstanden.

Die Prioritäten waren im einzelnen:

  1. Geschwindigkeit (400 km/h in 6 km Höhe)
  2. Reichweite (2.000 km)
  3. Steigleistung (15 min auf 6 km)
  4. Wendigkeit

Mehrzweckflugzeugausschreibung

Anfang 1934 trat auch das Reichsluftfahrtministerium (RLM) an verschiedene Flugzeughersteller (darunter auch Messerschmitt, Focke-Wulf und Henschel) heran, um ein Mehrzweckflugzeug entsprechend dem Rüstflugzeug II, das auch die Aufgaben eines Zerstörers erfüllen sollte, konstruieren zu lassen. Die offizielle Ausschreibung wurde im Juni 1934 herausgegeben und forderte einen „Kampfzerstörer“.

Messerschmitt beantwortete die Ausschreibung des RLM mit einer Familie von Flugzeugen, bei denen Triebwerke, Tragflächen und Leitwerke identisch sein sollten, der Rumpf aber für die verschiedenen Aufgaben abgewandelt wurde. Der Zerstörer, abweichend vom ursprünglichen Konzept mit starrer Bewaffnung ausgerüstet, entstand unter der Bezeichnung Bf 110, Aufklärer und Bomber später unter der Bezeichnung Bf 161.

Henschel kritisierte die Ausschreibung, weil aufgrund der Auslegung des Zerstörers kein Leistungsvorteil gegenüber den zu schützenden Bombern zu erwarten sei. Anders als Messerschmitt sah Henschel vor, die unterschiedlichen Aufgaben durch Varianten desselben Flugzeugtyps, der Henschel Hs 124, die sich nur in der Ausführung der Rumpfspitze unterscheiden, zu erfüllen.

Focke-Wulf bemühte sich, alle Anforderungen des RLM mit einem einzigen Flugzeugtyp abzudecken und schuf ein großes, schweres Mehrzweckflugzeug, das aufgrund der begrenzten zur Verfügung stehenden Motorleistung zu den Entwürfen von Messerschmitt und Henschel nicht konkurrenzfähig war. Die Focke-Wulf Fw 57 wurde daher schon im November 1935 aus dem Beschaffungsprogramm der Luftwaffe gestrichen, auch wenn der Bau mehrerer Prototypen weiterhin vorgesehen war.

Die Bomberrolle entfällt vorübergehend

Als das RLM 1935 eine neue Anforderungen für einen Schnellbomber definierte (500 km/h, 500 kg Bombenlast) und Junkers ein Konzept vorstellte, das sogar 500 km/h Höchstgeschwindigkeit und 1.000 kg Bombenlast versprach, wurde nicht länger vorgesehen, den „Kampfzerstörer“ auch als Bomber einzusetzen. Messerschmitts aus der Bf 161 entwickelte Bf 162 und Henschels aus der Hs 124 entwickelte Hs 127 unterlagen in der Schnellbomberausschreibung aber schließlich der Junkers Ju 88. Damit entfiel die Rolle des Bombers für das Zerstörerflugzeug vorübergehend.

Die Bf 110 wird zum Jäger und Jagdbomber

Im November 1936 entschied sich das RLM schließlich für die Beschaffung der Messerschmitt Bf 110 als Zerstörer und stellte die Weiterentwicklung der Focke-Wulf- und Henschel-Entwürfe sowie der Messerschmitt Bf 161 und Bf 162 ein. Im Juli 1937 erschien die Messerschmitt Bf 110 nicht mehr als Zerstörer, sondern als schwerer Jäger auf dem Lieferplan der Luftwaffe.

Im September 1938 forderte Hermann Göring die Entwicklung des schweren Jägers zum Langstreckenflugzeug mit ausreichender Reichweite, um ganz England überfliegen zu können. Außerdem wurde die Bf 110 auch als Jagdbomber in Erwägung gezogen, und im April 1940 wurde die erste mit Bombenschlössern ausgerüstete Bf 110 an die Erprobungsstelle Rechlin übergeben.

Zerstörer der zweiten Generation

Als im Oktober 1938 die taktischen Forderungen für das Nachfolgemodell der Bf 110 – der späteren Me 210 – festgelegt und der Industrie übergeben wurden, wurde der Zerstörer wieder zum Mehrzweck-Kampfflugzeug. Die Me 210 sollte die Schwächen der Bf 110 – niedrige Geschwindigkeit und schwache Abwehrbewaffnung, besonders nach hinten unten – ausgleichen, einen internen Bombenschacht besitzen und mit Sturzflugbremsen ausgerüstet auch als Sturzkampfflugzeug eingesetzt werden.

Im August 1942 wurden die Technischen Richtlinien für Kampfzerstörer formuliert, die als Verwendungszweck angaben:

  • Kampfzerstörer gegen Ziele am Boden und in der Luft
  • Tag-Schlechtwetterjagd
  • Nah-Nachtjagd
  • Luftaufklärung im Hauptkampfgebiet

Die Mehrzweck-Eignung wurde im September 1943 vom Generalstab der Luftwaffe untermauert, der die Me 210 als „Zerstörermaschine, die gelegentlich Schnellkampfaufträge bekommt“, also gelegentlich als Bomber eingesetzt wird, bezeichnete, während die inzwischen aus der Me 210 entwickelte Messerschmitt Me 410 „Zerstörermaschine, die grundsätzlich Schnellkampfaufträge bekommt“ genannt wurde.

Kriegseinsatz

Die Bf 110 wurde Anfang des Krieges in Polen als Jäger gegen die feindlichen PZL-Jagdflugzeuge eingesetzt. Obwohl die PZL-Jäger in Wendigkeit und Steigleistung überlegen waren, wies die Bf 110 eine größere Höchstgeschwindigkeit auf und war in der Rolle als Jagdflugzeug erfolgreich. Als Abfangjäger bewährte sich die Bf 110, als Zerstörer dieses Typs in der Luftschlacht über der Deutschen Bucht neun britische Bomber abschossen. Dem Offensivkonzept des Zerstörers entsprechend, wurde die Bf 110 auch bei der Besetzung Hollands, Belgiens und Norwegens als Angriffsflugzeug gegen Bodenziele, vor allem auf feindlichen Flugplätzen, eingesetzt. Bei der Besetzung Frankreichs erlitt die Luftwaffe zwar schwerere Verluste, aber die Zerstörer konnten leistungsmäßig gut mit den französischen Jagdflugzeugtypen mithalten und bewährten sich abermals im Einsatz.

Erst in der Luftschlacht um England, als die Bf 110 das erste Mal auf die durch Verwendung von 100-Oktan-Treibstoff leistungsgesteigerte Hawker Hurricane und vor allem auf die hochentwickelte Supermarine Spitfire stieß, hatte sie den für den vorgesehenen Einsatz als Zerstörer notwendige Leistungsvorteil verloren und mußte schwere Verluste hinnehmen.

Während des Rußlandfeldzuges besaß die Bf 110 erneut den notwendigen Leistungsvorteil, um die Rolle als Zerstörer erfolgreich auszufüllen; dies galt auch für das Nachfolgemuster Messerschmitt Me 410. Die deutschen Zerstörergeschwader waren die Herren am Himmel. Nur zum Schluß der Kämpfe an der Ostfront ließ der gewohnte Erfolg der Zerstörer stark nach, was an Treibstoffmangel, Nachschubausfällen und einer großen Übermacht des Feindes, durch zahlreiche Lieferungen der VSA ausgelöst, lag.

Gedicht für Zerstörer

Mädchen für alles
Eine Bf 110 E des Zerstörergeschwaders 26
Ein Stuka-Angriff wird geflogen
früh morgens schon am Lizabogen.
Bis dann die Bombe unten kracht,
die 110 darüber wacht.


Kaum ist die Staffel dann zurück,
folgt kurz darauf das zweite Stück.
Das Kapitol[1] ist sich nicht klar,
wie`s Wetter heut in Murmansk war.


Wer`s macht wird gar nicht erst gefragt,
die 110 wird hingejagt.
Das Wetter war beim Russen gut,
drum kriegt er einen auf den Hut.


Ju 88 starten schnelle,
als Schutz die 110 zur Stelle.
Der Luftkampf dort ist fast ein Spiel,
schon mancher Ruski runterfiel.


Im Tiefstflug weg, die Pulle rein,
denn gleich wird neuer Einsatz sein.
Kaum auf dem Liegeplatz zurück,
hört man von einem Mißgeschick.


Trotzdem die Bomben gut gelegen,
erreichte einen doch der Segen.
Er mußte nach dem Flak-Beschuß,
notwassern auf dem Kolafluß.


Niemand hat das nun gesehen,
und darum muß die 110,
zum Seenotflug nach Murmansk starten,
das Kapitol kann da nicht warten.


Und ist die Staffel dann zurück,
so sieht sie auf den ersten Blick,
das überm Platz die Bomber warten,
daß die 110 nach ihnen starten.
Nach Niwa fliegen He 111,
der 5. Einsatz mittags zwölf.
Um 14 Uhr schnell das Essen runter,
da wird die Henschel plötzlich munter.


Sie muß doch schnell mal vorne sehen,
was heute morgen dort geschehen.
Doch fliegen kann sie nicht allein,
die 110 muß bei ihr sein.


Ihr scharfes Auge hat erblickt,
daß alle Straßen voll gespickt.
Mit roten Panzern groß an Zahl,
drum bleibt nur noch die eine Wahl.


Die 110 wird umgegurtet,
mit P-Geschossen[2] hingespurtet.
So wird im Tiefflug dann erledigt,
was kurz vorher die Henschel predigt.


Muß eilig ein Kurier mal fort,
zu einem weit entlegenen Ort,
nichts andres kommt ihm in den Sinn,
„Die 110, die bringt mich hin!“


Die Bombe fällt und alles rennt,
die 109, die hat da noch gepennt.
Schon startet da die 110,
sie hat die Bomber längst gesehen.


Den Platzschutz macht sie nebenbei,
die Ruhe ist ihr einerlei.
Begleitschutz, Tiefangriff und Wetter,
schon mancher Mannschaft Lebensretter.


Ob Platzschutz oder ob Kuriere,
Besatzungen sind wir bloß noch viere.
Dies alles fliegt an einem Tage,
die 110 in jeder Lage.


Flieger-As Oberleutnant Max Franzisket, der als Jagdflieger über 20 Luftsiege und als Zerstörer-Pilot die Vernichtung von unzähligen Panzern und anderem Feindgerät verbuchen konnte, schrieb dieses Gedicht zu Ehren seiner Messerschmitt Bf 110 C-4 während seines Dienstes bei der Zerstörer-Staffel (13.) des Eismeer-Geschwaders.

Siehe auch

Fußnoten

  1. Kapitol war wohl Fliegersprache und bedeutete wahrscheinlich die Leitstelle des Geschwaders bzw. der Luftflotte.
  2. P-Geschosse = panzerbrechende Munition