Reichswehr
Die Reichswehr war die Armee des Deutschen Reiches in der Zeit von 1919 bzw. 1921 bis 1935, die nach dem Versailler Diktat nur 100.000 Mann betragen durfte. Sie war eine reine Berufsarmee und Nachfolger der Kaiserlichen Armee. Ein Großteil der Soldaten hatte bereits zuvor in der Kaiserlichen Armee gedient. Eine Luftwaffe wurde von den Siegermächten nach dem Ersten Weltkrieg nicht zugelassen. Am 16. März 1935 wurde die Reichswehr im Zuge der von Reichskanzler Adolf Hitler bekanntgegebenen Wiedererlangung der Wehrhoheit schließlich aufgelöst und bildete den Kern für die neu gegründete Wehrmacht.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung
Gründung
- 19. Januar 1919: Friedensheer (Reste des Deutschen Heeres, das sich in der Demobilisierung befand)
- 6. März 1919: Vorläufige Reichswehr
- 16. April 1919: Vorläufige Reichsmarine
- 1. Oktober 1919: Übergangsheer
- 1. Januar 1921: Reichswehr – gegliedert in Reichsheer („100.000-Mann-Heer“) und Reichsmarine
Ablösung
- 1. März 1935: Luftwaffe (Gründung)
- 16. März 1935: Wehrmacht
- 1. Juni 1935 Kriegsmarine
Geschichte
Geheime Rüstungskooperation mit der Sowjetunion
Da die Auflagen des von den Siegern des Ersten Weltkriegs oktroyierten Versailler Diktats dem Deutschen Reich beinahe jedwede militärische Forschung und Erprobung sowie eine zur minimalsten Landesverteidigung einigermaßen geeignete Rüstungsproduktion verunmöglichten, versuchte die Führung der Reichswehr seit 1921 im Geheimen, in Zusammenarbeit mit der Roten Armee die Reichswehr zu erweitern, neue Waffensysteme einzuführen und eine zumindest kleine Luftwaffe aufzubauen. Das Deutsche Reich unterstützte die Entwicklung moderner Technologien in der Sowjetunion und konnte im Gegenzug Soldaten dort ausbilden lassen.
Im Februar 1923 reiste der neue Chef des Truppenamtes, Generalmajor Otto Hasse, zu Geheimverhandlungen nach Moskau. Das Deutsche Reich unterstützte den Aufbau der sowjetischen Industrie, und Kommandeure der Roten Armee erhielten eine Generalstabsausbildung in Deutschland.[1] Im Gegenzug erhielt die Reichswehr die Möglichkeit, Artilleriemunition aus der Sowjetunion zu beziehen und Flieger- und Panzerspezialisten auf sowjetischem Boden auszubilden.
In der russischen Stadt Lipezk wurde eine geheime Fliegerschule und Erprobungsstätte der Reichswehr gegründet und etwa 120 militärische Flugzeugführer, 100 Fliegerbeobachter und zahlreiches Bodenpersonal als Stamm für eine zukünftige deutsche Fliegerwaffe ausgebildet. Bei Kasan wurden Panzerfachleute ausgebildet, allerdings erst ab 1930 und nur ungefähr dreißig.
Im Dezember 1926 legte der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann im Reichstag diese Zusammenarbeit offen und stürzte damit die Regierung unter Wilhelm Marx. 1931 wurde der Journalist Carl von Ossietzky wegen eines Berichts über die schon bekannte Zusammenarbeit wegen Landesverrats verurteilt.
Führung
Mit dem Wehrgesetz vom 23. März 1921 erfolgte die Umbenennung in Reichsmarine (RM) rückwirkend zum 1. Januar 1921. Zugleich wurde die endgültige Organisation als Teil der Reichswehr festgelegt. Oberbefehlshaber aller Streitkräfte war der Reichspräsident. Unter ihm besaß der Reichswehrminister Befehlsgewalt über die Reichswehr. Ihm unterstanden die Chefs der Heeresleitung und der Marineleitung nebeneinander als militärische Befehlshaber. Die bis zum 31. Dezember 1921 verwendete „Kriegsflagge“ des Kaiserreichs wurde abgelöst durch die „Flagge der Reichsmarine“: schwarz-weiß-rote Balken, in der Mitte ein eisernes Kreuz und im Liek (Ecke oben links) die schwarz-rot-goldenen Farben der Republik. Die Farben im Liek wurden 1933 wieder entfernt.
An der Spitze des Reichsheeres stand der Chef der Heeresleitung, der gleichzeitig die Aufgaben eines Generalinspekteurs der Truppen wahrnahm. Er erhielt am 1. Juni 1935 die Bezeichnung Oberbefehlshaber des Heeres (ObdH) und übte die Befehls- und Kommandogewalt über das Heer aus. Seine Dienststelle hieß ab dem 11. Januar 1936 Oberkommando des Heeres (OKH) und gliederte sich in den Generalstab des Heeres sowie vier Ämter (Heerespersonalamt, Heeresverwaltungsamt, Heereswaffenamt, Allgemeines Heeresamt, letzteres ab 1939: Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres).
Chef der Heeresleitung waren die Generale Walther Reinhardt bis 1920, Hans von Seeckt bis 1926, Wilhelm Heye bis 1930, Kurt von Hammerstein-Equord bis 1934, Werner von Fritsch bis 1935. Oberbefehlshaber des Heeres war vom 1. Juni 1935 bis zum 3. Februar 1938 Generaloberst Freiherr Werner von Fritsch. Die Ereignisse um die Blomberg-Fritsch-Affäre führten zur Ablösung von Fritsch und zur Entsetzung von Generaloberst Walther von Brauchitsch in die Stellung des ObdH. Vom 19. Dezember 1941 bis zum 30. April 1945 übernahm Hitler selbst den Oberbefehl über das Heer, nach seinem Suizid wurde Generalfeldmarschall Ferdinand Schörner von Hitler als Oberbefehlshaber des Heeres testamentarisch eingesetzt, was jedoch nicht mehr zur Auswirkung kam.
Truppenamt
Die Reichswehr durfte nach den Bestimmungen des Vertrags von Versailles keinen Generalstab besitzen. Artikel 160 des Vertrags bestimmte: „Der deutsche Generalstab und alle ähnlichen Formationen werden aufgelöst und dürfen unter keiner Gestalt neu gebildet werden.“ Die Rolle des Generalstabs übernahm das Truppenamt (eine Tarnbezeichnung) im Reichswehrministerium.
Außer im Truppenamt gab es in den beiden Gruppenkommandos und in den zehn Divisionsstäben einen Generalstab. Die Generalstabs-Offiziere wurde jedoch nicht mehr als solche bezeichnet, sondern hießen „Führerstabsoffiziere“. Die Generalstabsausbildung firmierte unter der Bezeichnung „Führergehilfenausbildung“ und wurde dezentral in den Wehrkreisen durchgeführt. Insgesamt gab es in der Zeit der Weimarer Republik etwa 250–300 Stellen für Generalstabsoffiziere.
Aus dem Allgemeinen Truppenamt ging 1935 der Generalstab des Heeres (GenStdH) hervor.
Chef des Truppenamtes
- Generalmajor Hans von Seeckt – 1. Oktober 1919 bis 27. März 1920 (de jure bis 4. Juni 1920)
- Generalmajor Wilhelm Heye – 5. Juni 1920 bis 31. März 1922 (seit dem 28. März 1920 mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt)
- Generalmajor Otto Hasse – 1. April 1922 bis 31. Januar 1926
- Generalmajor Georg Wetzell – 1. Februar 1926 bis 31. März 1927
- Generalmajor Werner von Blomberg – 1. April 1927 bis 30. September 1929
- Generalleutnant Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord – 1. Oktober 1929 bis 31. Oktober 1930
- Generalmajor Wilhelm Adam – 31. Oktober 1930 bis 30. September 1933
Führergehilfenausbildung
Der Reichswehr waren sowohl die Aufstellung eines Generalstabs als auch die Bildung und Vorbereitung einer vergleichbaren Institution untersagt. Die Kriegsakademie mußte daher 1919 geschlossen werden. Die Reichswehr umging diese Verbote nahezu umgehend mit Hilfe getarnter Einrichtungen. Die Rolle des Generalstabs übernahm das Truppenamt im Reichswehrministerium, und in den beiden Gruppenkommandos in Berlin und Kassel und den zehn Divisionen gab es jeweils einen „Führerstab“. Die dort dienenden und entsprechend ausgebildeten Offiziere wurden nicht mehr als Generalstabsoffiziere bzw. Offizier i. G., sondern als „Führerstabsoffiziere“ bezeichnet.
Die zuvor an der Kriegsakademie durchgeführte Generalstabsausbildung wurde nun getarnt unter der Bezeichnung „Führergehilfenausbildung“ dezentral in den Wehrkreisen durchgeführt und erfolgte in den bestehenden Stäben und zum Teil auch an zivilen Bildungseinrichtungen. Insbesondere die Führergehilfenschulung in der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik war nach dem Vertrag von Rapallo (1922) begehrt und bot auch der Artillerie, der Panzertruppe und den Fliegern (→ Geheime Fliegerschule und Erprobungsstätte der Reichswehr) vielfältige Möglichkeiten zur Ausbildung.
Mit der Aufrüstung der Wehrmacht und dem Beginn der Kriegsvorbereitungen eröffnete die Wehrmacht die Kriegsakademie am 15. Oktober 1935 erneut, und die Führergehilfenausbildung wurde wieder als Generalstabsausbildung bezeichnet.
Reichswehr-Heeres-Uniformen während des Überganges zur Wehrmacht
Feld- und Dienstuniformen
Uniformänderung 1933/34
Mit Verfügung vom 14. März 1933 wurden Kokarden in den Farben Schwarz-Weiß-Rot eingeführt, die an Schirm- und Feldmütze die Kokarden in Schwarz-Rot-Gold ersetzten. Ausgetauscht wurde zudem das Landeswappen am Stahlhelm durch ein schwarz-weiß-rotes Reichswappen.
Mit Verordnung des Reichspräsidenten vom 17. Februar 1934 wurde ein Hoheitsabzeichen in Form eines Adlers mit einem Kranz mit Hakenkreuz in den Fängen eingeführt, zu tragen an der Schirmmütze anstelle des Landeswappens, auf der rechten Brustseite an allen Waffenröcken und Feldblusen sowie in Wappenform am Stahlhelm.
Abzeichen
Die Uniformen des Heeres unterschieden sich von denen anderer Teilstreitkräften durch weitere Merkmale: Der „Wehrmachtadler“ wurde als Hoheitszeichen über der rechten Brusttasche angebracht, und, mit einigen Ausnahmen, wurden auf den Schulterklappen Litzen in der jeweiligen Waffenfarbe getragen sowie die Doppellitze in Form einer römischen II auf dem Kragenspiegel. Diese Abzeichen waren grau und maschinengestickt bei den Mannschaften und den Unteroffiziersdienstgraden sowie silbern und handgestickt bzw. aus Aluminiumgespinst bei den Offizieren. Offiziersanwärter trugen eine doppelte Quertresse auf ihrer Schulterklappe, Unteroffiziere einen neun Millimeter breiten silbernen oder grauen Streifen um den Kragenspiegel.
Schulterklappen und Kragenspiegel waren meistens mit der jeweiligen Waffenfarbe unterlegt, an welcher man die Zugehörigkeit zu den jeweiligen Waffengattungen erkennen konnte, beispielsweise rosa für die Panzertruppe. Ausnahmen bildeten dabei die Offiziere im Generalstab mit karmesinroter Farbe und die Generale, die eine golden-rote Arabeskenstickerei als Kragenspiegel trugen.
Auf der Gürtelschnalle befand sich der „Heeresadler“ mit der Inschrift „Gott mit uns“.
Bildergalerie
Werbeplakat IV; hier mit Ärmelraute des Freikorps „von Epp“, von Ludwig Hohlwein
Das 18. Reiter-Regiment (3. Kavallerie-Division in Weimar) war das letzte der 18 Reiter-Regimenter[2] der neuentstandenen Reichswehr
Stahlhelm „M18“ der Reichswehr mit Landeswappen
Siehe auch
Literatur
- Otto Strasser: Das Ende der Reichswehr, Reso-Verlag, Zürich 1933
- Kurt Weckmann: Führergehilfenausbildung. In: „Wehrwissenschaftliche Rundschau“, Jahrgang 4, Nr. 6, E.S. Mittler & Sohn, Darmstadt, Juni 1954
Verweise
- Rangliste des deutschen Reichsheeres (bis 1932)
- Heeres-Verordnungsblatt 1919 bis 1923
- Die Reichswehr in der Republik – Aufstandsbewegung von rechts. (aus Frankfurter Hefte, Heft 9, 1. Jahrgang 1946)
- Ehren-Rangliste des ehemaligen Deutschen Heeres auf Grund der Ranglisten von 1914 mit den inzwischen eingetretenen Veränderungen, Deutscher Offizier-Bund (Herausgeber), Berlin 1926