Spiegel, Paul

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Paul Spiegel

Paul Spiegel (Lebensrune.png 31. Dezember 1937 in Warendorf, Münsterland; Todesrune.png 30. April 2006 in Düsseldorf) war ein jüdischer Journalist, Verbandsfunktionär und Unternehmer.[1] Spiegel war ab dem Jahr 2000 bis zu seinem Tod, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sein jüdischer Name war „Jitzhak Ben Chaim“ („Issak, Sohn des Chaim“).[2]

Werdegang

Herkunft

Paul Spiegel kam 1937 im münsterländischen Warendorf als Sohn eines Viehhändlers zur Welt. Die Familie ging 1939 nach Belgien, wo sie in der Nähe von Namur bei einem französischsprachigen, katholischen Bauern wohnten. Der Vater war während des Zweiten Weltkrieges in Buchenwald, Auschwitz und Dachau interniert. Eine ältere Schwester Rosa, wurde im Oktober 1942 in den Osten umgesiedelt und ist verschollen. Nach Kriegsende ließ sich die Familie erneut in Westfalen nieder. Spiegel betont allerdings: „Ich wäre, wenn ich 1945 volljährig gewesen wäre, bestimmt nicht nach Deutschland zurückgekommen."[3]

Ausbildung

Spiegel besuchte die Grundschule und das Gymnasium in Warendorf und erlernte nach dem Abitur bei der „Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung“ das journalistische Handwerk.

Wirken

Die berufliche Laufbahn begann Spiegel 1958 als Volontär bei der „Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung", dem Organ des Zentralrats, bei der er dann auch als Redakteur bis 1965 tätig war . Er arbeitete dann als Assistent des Generalsekretärs des Zentralrats der Juden in Deutschland Hendrik George van Dam, und war Redakteur des „Jüdischen Pressedienstes“. Ab 1960 war er als politischer Korrespondent für mehrere rheinische und ausländische Zeitungen tätig. In den Jahren 1973 und Mitte 1974, betreute Spiegel als Chefredakteur, die Zeitschrift "Mode & Wohnen" in Düsseldorf. Von 1974 bis 1986 war er Abteilungsleiter und Pressesprecher der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands. 1986 eröffnete Spiegel in Düsseldorf eine internationale Künstleragentur, die „Stars und Sternchen aller Genres vermittelt" („AJW")[3] und vermarktet seither einige der erfolgreichsten Stars des Fernsehens und der Bühne.

In der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf übernahm Spiegel eine Reihe von Ehrenämtern. Er war jahrzehntelang Mitglied des Gemeinderates (ab 1967) und war ab 1984 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, ferner Verbandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein-Westfalen (seit 1995) mit über 12.000 Mitgliedern. Seit 1993 war er einer der zwei stellvertretender Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Zentralrat, unter dessen Dach die jüdischen Landesverbände und Gemeinden in Deutschland vereint sind, ist die höchste politische und religiöse Repräsentanz der damalig rund 80.000 in Deutschland lebenden Juden.[4]

Als neuer Zentralratspräsident äußerte er Erstaunen über einen Medienrummel, durch den der Eindruck erweckt werde, „daß wir nicht 80.000 Menschen sind, sondern 8 Millionen“. Besonders erschüttert ist er darüber, daß die Forderung nach einem Schlußstrich in Deutschland zunehmend lauter ertöne. „Immer wieder" werde er mit Äußerungen konfrontiert wie: „Hört auf, darüber zu sprechen, wir sind selbst nicht schuldig geworden" oder: „Wir können es nicht mehr hören![4]

In den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückte Spiegel nach dem Tod von Ignatz Bubis († 8/1999) und seiner Ankündigung, für dessen Nachfolge im Zentralratspräsidentenamt zu kandidieren. Am 9. Januar 2000 wurde der Düsseldorfer Unternehmer in Berlin vom neunköpfigen Präsidium in dieses Amt gewählt und setzte sich mit sechs zu drei Stimmen gegen die bisherige Vizepräsidentin Charlotte Knobloch von der Israelitischen Kultusgemeinde in München durch. Knobloch und das Präsidiumsmitglied Michel Friedman aus Frankfurt am Main (ab 9/2003 Salomon Korn) wurden zu Vizepräsidenten bestellt.[4]

Mit der Wahl des Favoriten Spiegel, den man in der Presse auch als Übergangspräsidenten vorstellte (vgl. SZ, 10.1.2000), begann für den Zentralrat der Juden in Deutschland nach Beobachtermeinung eine neue Ära in schwierigen Zeiten. Man verwies in der Presse auf den Generationswechsel in den Gemeinden, auf die Spannungen zwischen Traditionalisten und Reformern und auf die starke Zuwanderung osteuropäischer Juden (rund 50.000) seit dem Zusammenbruch des so genannten Ostblocks. Spiegel selbst schloß in verschiedenen Interviews aus, ein omnipräsenter "Übervater" wie Bubis sein zu wollen, und stufte die Integration der Neu-Einwanderer als vorrangig ein. "Die strukturelle Überforderung seines Vorgängers kann er da nicht auf sich laden: das Gewissen der Nation zu sein", schrieb die Süddeutsche Zeitung (10.1.2000), und Die Woche (14.1.2000) resümierte über Spiegel:

"Er ist kein Analytiker und kein Intellektueller. Aber für das Präsidium des Zentralrats war er der Kandidat, dem man zutraute, die Machtbalance zu erhalten, die Arbeit neu zu gewichten - von der Außenwirkung hin zu stärkerer Binnenarbeit." [4]

Pfeil 3 siehe auch.pngSiehe auch: Masseneinwanderung von Ostjuden in die BRD

Bereits kurz nach seiner Amtseinführung warnte Spiegel in öffentlichen Stellungnahmen angesichts der Zunahme von sogenannten „rechtsextremen Gewalttaten in Deutschland und fremdenfeindlichen Übergriffen vor der Gleichgültigkeit und stummen Zustimmung“. Er erklärte nicht nur anläßlich des 50-jährigen Bestehens des Zentralrats im September 2000, dieser werde sich nicht nur für Juden, sondern auch für Flüchtlinge, Aussiedler und andere benachteiligte Minderheiten einsetzen (vgl. SZ, 22.9.2000). Nach dem fingierten Brandanschlag auf eine Synagoge in Düsseldorf (3.10.2000) forderte er einen besseren Schutz für die Juden in Deutschland, bekräftigte aber das Vertrauen in die Demokratie des Landes und stellte die Richtigkeit des Aufbaus jüdischer Gemeinden hierzulande nicht in Frage. Große Aufmerksamkeit erregte "der zornige Versöhner" (Die Woche, 10.11.2000) am 9. November 2000 auf einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin aus Anlass des Jahrestags der Reichskristallnacht 1938. Er forderte "deutliche Signale, dass die nichtjüdische Bevölkerung in ihrer Mehrheit uns und unsere jüdischen Gemeinden in diesem Land haben wollen" und kritisierte den von der CDU in die politische Debatte geworfenen Begriff der „deutschen Leitkultur“ scharf.[4]

Man beachte, wer eigentlich der „Chef” in Deutschland ist. Paul Spiegel thront in der Mitte und Schröder sowie Schily (re.) machen die „Randfiguren”. Friedman und Knobloch (li.).

Pfeil 3 siehe auch.pngSiehe auch: Aktivitäten des Zentralrats der Juden in Deutschland

Wegen des langen Ringens um eine Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter verlangte Spiegel im Frühjahr 2001 Vorleistungen der Wirtschaft auch ohne endgültige Rechtssicherheit und kritisierte die Honorare der Zwangsarbeiter-Anwälte als "unmoralisch" (SZ, 22.5.2001). Für Aufmerksamkeit in den Medien sorgte, dass Spiegel im Juli 2001 beim öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr im Bendler-Block in Berlin-Tiergarten, dem Sitz des Heeresoberkommandos im Dritten Reich, als erster Repräsentant der Juden in Deutschland teilnahm und die Bundeswehr als einen "Teil unserer rechtsstaatlichen Demokratie" bezeichnete. Den Holocaust-Gedenktag (27.1.) des Jahres 2002 nahm Spiegel zum Anlaß, um in seiner ersten Rede vor dem Bundestag vor einem fremdenfeindlichen Bundestagswahlkampf und dem Thema Einwanderung als Wahlkampfauseinandersetzung zu warnen. In die Schlagzeilen der Tagespresse kam er vor der Bundestagswahl 2002 im Zusammenhang mit dem von Jürgen W. Möllemann (FDP) durch ein Flugblatt ausgelösten Antisemitismusstreit und ein Jahr später wegen des Streits um die Beteiligung der Firma Degussa (Degussa-Tochterfirma Degesch) am Bau des Berliner Holocaust-Mahnmals. Initiatoren der Gedenkstätte wie Lea Rosh protestierten, während sich Spiegel und der jüdische Architekt Peter Eisenman erfolgreich um eine Vermittlung bemühten.[4]

Einstimmig wurde Paul Spiegel am 1. Dezember 2002 für weitere drei Jahre als Präsident des Zentralrates der Juden bestätigt. Zu den Höhepunkten seiner zweiten Amtszeit zählte im Januar 2003 in Berlin die Unterzeichnung des Staatsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat, der der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland eine jährliche Unterstützung von drei Millionen Euro zusicherte. Die Bundesregierung verpflichtete sich auch, das jüdische Erbe zu erhalten und zu pflegen, zum Aufbau einer jüdischen Gemeinschaft in Deutschland beizutragen und ihre Integration in die deutsche Gesellschaft zu unterstützen. Eine Vermittlung im Streit zwischen dem Zentralrat und der Union progressiver Juden über die Verteilung der Bundesmittel lehnte die Bundesregierung im April 2004 ab. Kurz vor dem schweren Herzinfarkt, mischte sich Spiegel noch als Vermittler in den erbitterten Streit in der größten jüdischen Gemeinde in Berlin ein.[4]

Pfeil 3 siehe auch.pngSiehe auch: Der Staatsvertrag zwischen der BRD und dem Zentralrat der Juden

Familie

Spiegel starb am 30. April 2006 im Alter von 68 Jahren in einem Düsseldorfer Krankenhaus an den Folgen eines Herzinfarkts. Er hinterließ seine Frau Gisèle Spatz, mit der er seit 1964 verheiratet war, und zwei Töchter. Spiegel schätzte vor allem die klassische Musik.

Nach seinem Tod wurde am 7. Juni 2006 Charlotte Knobloch, bislang Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, an die Spitze des Zentralrats der Juden in Deutschland gewählt.

Die Ehefrau von Paul Spiegel, Gisèle, erhält pro Monat 500 Euro Ehren-Zusatzrente der BRD.[5]

Mitgliedschaften

Spiegel war seit 1991 Mitglied des Rundfunkrats und des Programmausschusses des WDR. Er gründete im Januar 2004 mit dem ehemaligen RTL-Moderator Hans Meiser eine gemeinsame Agentur für die Organisation gehobener Veranstaltungen unter dem Namen „Creaevent“.

Gegen Rechts

Zitate

  • Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder.“
  • Man kann nicht a priori Nein zum Krieg sagen. Die Konzentrationslager wurden auch nicht von Friedensdemonstrationen befreit, sondern von der Roten Armee.“

Auszeichnungen

Schriften

  • Shavua Tov! Eine gute Woche! Jüdische Türme aus Schwäbisch Gmünd. Stadt Schwäbisch Gmünd 2001, ISBN 3-98072-973-7.
  • Wieder zu Hause? Ullstein, München 2003, ISBN 3-54836-395-4.
  • Was ist koscher? Ullstein, München 2003, ISBN 3-54836-713-5.
  • Gespräch über Deutschland. Ein Interview mit Wilfried Köpke. Herder, Freiburg im Breisgau 2006, ISBN 3-45129-292-0.

Verweise

Fußnoten

  1. Internationales Biographisches Archiv 30/2006 vom 29. Juli 2006 (lö)
  2. Jan-Popp Sewing: Düsseldorfer Gemeinde setzte Stein für Paul Spiegel sel. A., Jüdische Allgemeine, 3. Mai 2007
  3. 3,0 3,1 David Korn: Wer ist wer im Judentum? - FZ-Verlag ISBN 3-924309-63-9
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 Munzinger-Archiv GmbH, 2006
  5. Begründung: Paul Spiegel habe eine Künstleragentur betrieben, „die in den letzten Jahren vor seinem Tod aber nur Verluste machte. Seine Witwe stand deshalb nach seinem Tod hoch verschuldet mit zwei Töchtern da.“