Perchta

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Perchta (oder Berchta, Percht, Bercht, Berchte) ist eine sagenhafte Frauengestalt im oberdeutschen Raum, die in engem Zusammenhang steht mit der Weißen Frau, Frau Holle (Holda) sowie mit den Bräuchen der Rauhnächte (Wilde Jagd) und der alemannischen Fasnacht. Jacob Grimm (1835) identifiziert Perahta als „ein ähnliches wesen, wie Holda, oder ganz dasselbe, unter verschiedner benennung.“ Perchta erscheint als eine Hexe, die im Winter (Adventszeit oder Rauhnächte) umgeht und die faulen Mädchen bestraft.

Bedeutung und Herkunft des Namens

Der Name Perchta repräsentiert germanisch berhtō („die Glänzende“, „Leuchtende“, „Berühmte“ - identisch mit dem weiblichen Vornamen Berta, althochdeutsch Perahta); dies wird manchmal als aus einem Beinamen der Frija-Frigg abgeleitet aufgefasst, mehrheitlich aber nach dem Fest Epiphanias (althochdeutsch giperahta nacht „leuchtende Nacht“), um welche Zeit (das Ende der Rauhnächte) diese Gestalt umgeht. Ze berhten tage; ze der berhten nacht (heute Berchtelistag, 2. Januar) wird als althochdeutsche Übersetzung des altgriechisch-lateinischen Epiphania (Επιφάνια, wörtlich „Aufleuchten“) aufgefasst. Daraus sei später die volkstümliche Annahme entstanden, der so benannte Tag sei einer „Heiligen Berta“ gewidmet (identifiziert mit Bertha, geb. 965, gest. 1010, der Königin Burgunds, im Mittelalter teilweise als Heilige verehrt). Daß diese Auffassung im Spätmittelalter existierte, ist belegt durch das Jahrzeitbuch von Schwarzenbach (ca. 1375), wo der 2. Januar als [dies] Berchte Regine Burgundie („Tag der Bertha, Königin Burgunds“) bezeichnet ist.[1] In Italien ist ihr Name der entsprechenden Schreckgestalt La Befana, also auch nach Epiphania.

Der Vorschlag von Eugen Mogk (1891, 1900), der Holda und Perchta von helan und pergan (hehlen, bergen) ableiten wollte, ist ohne Zustimmung geblieben.[2]

Erika Timm[3] schlägt zudem eine ursprüngliche Herkunft des Namens Perchta aus gallisch Bricta[4] vor, wobei sofort nach der Einwanderung germanischsprachiger Stämme dieser Name als Berahta „die Leuchtende“ umgedeutet worden wäre. Diese Herleitung würde die strenge geographische Begrenzung des Namens Perchta (in ihrer Abgrenzung von Holle, Holda) auf Gebiete mit keltischem Substrat erklären.

In der Deutschschweiz, wo die Interpretation des Berchtelistag als der Heiligen Berta gewidmet vorherrscht, ist der Name Perchta für die Hexengestalt nicht nachweisbar; diese heißt stattdessen Fron-Fraueli, Haaggen-Nasen, Sträggelen u.a. Daneben gibt es in der Deutschschweiz auch eine Frau Selde (Zälti, Selten, Säldfrau), die mit der Wilden Jagd assoziiert wird. Ursprünglich wohl eine Allegorie der Fortuna, erscheint dieser Name in Hexenprozessen im 16. Jahrhundert und später im Volksglauben als „Kinderseelenentführerin und Spinnstubenkontrolleurin“.[5] Die Gestalt der Heiligen Lucia könnte von der Percht-Gestalt beeinflusst worden sein. In Tirol heißt die Hexengestalt Stamp(e), Stemp(e), vermutlich „die Stampferin“.

Außerhalb des „Percht-Bereichs“ entspricht das mitteldeutsche Gebiet der Verbreitung von Frau Holle, während im niederdeutschen Gebiet vergleichbare Gestalten verschiedentlich Herke, Gode, Wode oder Freke heißen.

Brauchtum

Perchtenkostüm und Maske (Klagenfurt)

Das Umgehen einer Hexengestalt um Neujahr oder in der Adventszeit ist im ganzen Alpenraum belegt, auch in Norditalien und in Slowenien, die Benennung als Perchta ist aber weitgehend beschränkt auf das austro-bavarische Gebiet (v.a. Land Salzburg und Oberbayern; Grimm verweist zusätzlich auf eine schwäbische Hildaberta bei Joachim Camerarius 1573; die Zusammenfassung von „Perchtensagen“ aus dem ganzen Alpenraum bezieht sich auf die Identifikation der verwandten Figuren durch Sagensammler und nicht auf die Verwendung des Namens Percht selbst).

Perchta ist eine Schreckgestalt (Grimm: „kinderschreckendes scheusal“), deren Bild in die gängige Darstellung der Hexe einfloss. Bezeichnendes Merkmal der Perchta ist ihre überlange Nase (dargestellt im Inkunabeln-Druck von Hans Vintlers Pluemen der Tugent, Augsburg 1486; Vintler (ca. 1411) bezeichnet sie als Percht mit der langen Nas). Die grotesk lange Nase der Percht entwickelte sich in der modernen Volkskultur zum eigentlichen Vogelschnabel (Schnabelpercht). Ein weiteres Merkmal ist ein übergrosser, deformierter Fuß, weshalb sie auch Berhte mit dem fuoze (Berhta cum magno pede) genannt wird. Ferner ist Perchta auch mit Eisen assoziiert (eiserne Bertha), ihre Nase bzw. ihr Fuß wird gelegentlich als eisern bezeichnet.

Kinder wurden davon abgehalten, aus dem Haus zu gehen, indem man ihnen androhte, die Perchta würde ihnen den Bauch aufschlitzen. Es bestand der Brauch, der Perchta eine Mahlzeit hinzustellen (Perchtenbrot);[6] für Vernachlässigung rächte sich die Perchta ebenfalls durch Bauchaufschlitzen.

Im Land Salzburg verband sich der Name der Percht mit den alpinen Masken-Bräuchen, und in der Mehrzahl sind die Perchten die Züge vermummter Jünglinge (Perchtenlauf, Perchtenspringen). Dieser Bezug ist erst nachmittelalterlich (16. Jahrhundert) nachweisbar.

Im 18. Jahrhundert erscheint die Butzen-Bercht in Augsburg als rein „pädagogische“ Schreckgestalt, die faulen Mädchen mit einer ganzen Reihe von Strafen droht, abgestuft von eklig bis blutrünstig:[7]

[...] so sollt ihr nicht entrinnen / meim alten Besenstiel, der Peitschen und der Ruth / womit ich schlagen will euch bis aufs rothe Blut / Ich will euch Händ und Füß kreuzweiß zusammenbinden / und werfen in den Koth, auch will ich euch anzünden / euer Zöpf und Haar, das Gesicht zerkratzen, und die Nas / abschneiden, und euch brav zerzausen: über das / all euer Dockenwerck [=Puppen] wegnehmen, und verbrennen / euer schönstes Sonntagskleid verschneiden und zertrennen / die Gunckel [=Spinnrocken] will ich so einfüllen voll mit Rotz / daß sie recht tropfnen soll, wann ihr als wie ein Klotz / zu lang im Bette flackt und schnarcht, so will ich haspeln / die Därme aus dem Bauch, ind ihn hernach mit Raspeln / und Hecheln füllen ein [... usw.]

Die schweizerische Sträggele (Luzern, Nidwalden, Zug, Aargau, Zürich[8]) ist ein weiblicher Dämon, der in der Adventszeit umgeht und faule Mädchen bestraft, teilweise begleitet von einem „lärmend[en] Umzug der Knabenschaft“.

Herkunft und ältere Parallelen

Die Schreckgestalt der „Frau Percht“ lässt sich unter diesem Namen erst gegen Ende des Mittelalters nachweisen, und Grimm (173 f) wägt eine „zufällig durch Missverstand“ entstandene Ableitung von giperahta naht „Epiphanias“ ab gegenüber einer bereits „früher vorhandne Perhta“, deren Name sie an das Datum von Epiphanias gebunden hätte, und gibt der letzteren Möglichkeit den Vorzug aufgrund der Nähe zu bzw. Identität mit Holda. Die frühere Existenz einer „Frau Percht“ scheint bestätigt zu werden durch eine Quelle aus dem frühen 14. Jahrhundert[9]

Hodie pueri non ministrant domino, sed diabolo, prius vadunt ad choream, quam ad ecclesiam, ante sciunt cantare de domina Perchta quam dicere Ave Maria
„Heute dienen die Kinder nicht dem Herrn, sondern dem Teufel; sie gehen zum Tanz bevor sie in die Kirche gehen, und sie können Lieder über die Frau Perchta singen bevor sie das Ave Maria aufzusagen wissen“

Die „Domina Perchta“ in dieser Quelle steht aber für eine „sündige Weibsperson“, d. h. eine menschliche Frau, die sich lieber schminkt und auf den Tanz geht, statt zu beten oder in die Kirche zu gehen, und hat somit eher nichts mit der Hexengestalt der Perchta zu tun.[10] Die frühesten eindeutigen Belege der Schreckgestalt Percht stammen damit aus dem frühen 15. Jahrhundert (Hans Vintler). Etwa gleich früh wie Vintler ist ein von Timm[11] beigebrachter Beleg aus Böhmen (Iglau):

Metallinum ut chimera uel perchta, quae habet aureum caput, stagneos oculos, ereos aures, ferreum nosum, argenteam barbam et plumbeum collum

Hier hat die Perchta also schon eine eiserne Nase, dazu aber noch einen goldenen Kopf, zinnene Augen, kupferne Ohren, einen silbernen Bart und einen bleiernen Hals.

Die Versuche, Holda und Perchta als direkte Reflexe germanischer Göttinnen zu deuten, wird vom Reallexikon der Germanischen Altertumskunde als „Irrweg der Theorienbildung der mythologisch-altertumskundlichen Volkskunde des 19. Jahrhunderts“ verworfen.[12] Timm (2003) möchte dagegen argumentieren, daß diese Skepsis über das Ziel hinausgeschossen ist und die Figur der Percht durchaus auch schon für das Hochmittelalter, wenn nicht gar für das Frühmittelalter, angenommen werden kann.[13]

Die Gestalt der kinderfressenden Dämonin selbst ist dagegen sicher viel älter und hat vorchristliche Wurzeln. Hochmittelalterliche Quellen (10.-13. Jahrhundert) benennen eine vergleichbare Hexengestalt als Herodias (die jüdische Ehefrau und Nichte des Tetrarchen Herodes Antipas, die ihre Tochter Salome zur Enthauptung Johannes des Täufers anstiftete), später gleichgesetzt mit der Göttin Diana. Grimm zitiert (nach du Cange 1678): Augerius II. Episc. Conseran. ann. 1280. in Statutis MSS.

Nulla mulier se nocturnis equitare cum Diana dea paganorum, vel cum Herodiade seu Benzozia [viz. bona socia = "holda"] et innumera mulierum multitudine profiteatur ; hæc enim dæmoniaca est illusio.
„Keine Frau soll behaupten, sie sei nachts ausgeritten mit der heidnischen Göttin Diana (bzw. mit Herodias oder Bensozia), begleitet von zahllosen (anderen) Frauen, denn das ist eine teuflische Illusion.“

und als noch ältere Quelle eine entstellte Passage bei Ratherius (c. 936, nach Ballerini 1765), der angibt, bereits ein Drittel der Welt würde Herodias als Königin oder Göttin verehren (Herodiam illam baptistae Christi interfectricem, quasi reginam imo deam proponant).[14]

Aus diesen mittelalterlichen Hinweisen auf einen einflußreichen Kult der Diana bzw. Herodias wurde sowohl während der frühmodernen Hexenverfolgungen, als auch während der Romantik, und letztlich bei Neuheidnischen Autoren (Gardner) die Existenz eines historischen, religiösen, dem mittelalterlichen Christentum entgegengestellten „Hexenkult“ abgeleitet

Weiter entfernte Parallelen sind zu finden in kinderfressenden weiblichen Dämonen der Antike, die altgriechische strix (woraus lateinisch strix und striga, italienisch strega „Hexe“ und nach Vermutung von Grimm auch schweizerisch Sträggele und die römische lamia entstanden).

Siehe auch

Literatur

  • Jacob Grimm: Deutsche Mythologie (1835), 169-173.
  • Bercht, in: Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, München (1872), I 269 f.
  • Marie Andree-Eysn: Die Perchten im Salzburgischen. Braunschweig (1905).
  • Viktor Waschnitius: Perht, Holda und verwandte Gestalten. Ein Beitrag zur deutschen Religionsgeschichte. Wien (1914).[1]
  • Marianne Rumpf: Perchta in der Sage und in mittelalterlichen Quellen. In: Lutz Rohrich (ed.): Probleme der Sagenforschung (1973), 112-137.
  • Marianne Rumpf: Luxuria, Frau Welt und Domina Perchta, Fabula 31 (1990), 97–120.
  • Marianne Rumpf, Perchten: populäre Glaubensgestalten zwischen Mythos und Katechese, Quellen und Forschungen zur europäischen Ethnologie 12, Würzburg (1991).
  • Erika Timm: Frau Holle, Frau Percht und verwandte Gestalten. 160 Jahre nach Jacob Grimm aus germanistischer Sicht betrachtet. (unter Mitarbeit von Gustav Adolf Beckmann). Stuttgart: Hirzel 2003.

Verweise

Fußnoten

  1. Schweiz. Idiotikon IV.1538, s.v. „Bërchta“; der Vorschlag erscheint schon bei Grimm, p. 173
  2. Mogk (1891) motivierte seine Etymologie mit einer Gleichsetzung von Holda und Percht mit germanischen „Totengöttinnen“. In der zweiten Auflage von 1900 hatte er sich von dieser Interpretation gelöst, hielt aber an seiner Etymologie fest; siehe Waschnitius (1914), Einleitung: „Auch E. Mogk steht in seiner in der 1. Auflage von Pauls Grundriß, Straßburg 1891, erschienenen germ. Mythologie auf einem ganz ähnlichen Standpunkt. Für ihn sind alle mythischen weiblichen Wesen Hypostasen einer chthonischen Gottheit, der Gattin des Himmelsgottes (§ 71). Als solche erscheint auch Frija-Frigg, deren Spuren auch er in der uckermärkischen Frike, Fuik etc. findet (§ 73). Harke, Gôde, Werre, endlich Holda und Perchta sind germ. Totengöttinnen. Neu ist die ausschließliche Ableitung der Namen von ahd. helan und pergan. (...) In der 2. Auflage seiner Mythologie (P. Gr. III, 1900) vertritt Mogk unter dem Einflüsse Golthers, Knoops und Kauffmanns (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. 18, 145 f.) eine ganz andere Anschauung als in der ersten. In dem Abschnitt über den Seelenglauben — nicht mehr in dem über die Göttinnen — behandelt er in § 35 die Holden und Perhten. Jetzt läßt er wie Golther Holda aus den Holden, seelischen Wesen, im späteren Volksglauben als Führerin hervorgehen, ganz ähnlich aber auch Perhta aus den Perhten, ebenfalls Seelengeistern. An der Etymologie aus helan und pergan wird festgehalten. Die übrigen Gestalten bezeichnet Mogk ganz unter Knoops Einflusse als Erzeugnisse der Volksphantasie und des Volkswitzes späterer Zeit. Hervorzuheben ist, daß sich für Mogk Holda und Perhta sachlich vollständig decken und nur lokal zu trennen sind.“ (Timm 2003: 36, 53f., 318).
  3. Timm, 2003, 318-321
  4. Bricta ist belegt als Name einer lokalen gallischen Göttin, und scheint soviel zu heißen wie „Hexe“, „Zauberin“; mnas brictas sind „Zauberinnen, magical women“ in der Inschrift von Larzac.
  5. Timm 2003: 83
  6. Höfler, Die Gebäcke des Dreikönigstages, ZfV 1904, 257-278
  7. Die Butzen-Bercht (uni-frankfurt.de), Augspurg : Schmid seel. Erben, ca. 1750.
  8. „Bemerkenswert ist das im Wesentlichen geschlossene Verbreitungsgebiet mit der mittleren Reuss als Achse“ Schweiz. Idiotikon, XI.2152, IV.658)
  9. CLM 9528, aus einem „Traktat über die sieben Todsünden“, zitiert nach Waschnitius, Schmeller
  10. Schmeller: „also wol hier ein Name für jedes luxuriose Weib?“, Waschnitius: „Es scheint, daß der wahrscheinlich geistliche Verfasser sich als Exemplum ein putz- und gefallsüchtiges, buhlerisches Weib namens Perchta konstruiert hat.“ Eventuell Luxuria als Allegorie der Sünde der Wollust, vgl. Rumpf (1990). Dagegen aber Timm 2003: 42. Vgl. dazu die ebenfalls im 14. Jahrhundert belegte Perchta plutonissa bei Timm (2003:40).
  11. Timm 2002: 39
  12. so Ch. Daxelmüller, „Fabelwesen“, RGA 8 (1994), S. 91 (mit Verweis auf Rumpf 1990); ebenso O. Haid, „Jahresbrauchtum“, RGA 16 (2000), S. 17: „Das Tod- oder Winteraustreiben dürfte sich als Reflex auf die Pestepidemien im 14. Jh. entwickelt und von Böhmen aus verbreitet haben. Die süddeutschen Perchtenumzüge der Mittwinterzeit wurden kürzlich als Bettel- und Heischgänge von Kranken und Aussätzigen gedeutet [Rumpf 1991].“
  13. Timm (2003:39-58). Fn. 67 schreibt die späte Datierung einem „unsichtbaren Magnetismus des Zeitgeistes hinter der Forschung“ zu, das „15. Jh. ist willkommener als das 14., es nimmt sich 'kritischer' aus.“
  14. Migne 136:157; c.f. Lea, Materials Toward a History of Witchcraft, 1890, 181f.