Bubis, Ignatz
Ignatz Bubis ( 12. Januar 1927 in Breslau, Schlesien; 13. August 1999 in Frankfurt am Main, beerdigt in Israel) war ein Jude in Deutschland. Der Geschäftsmann und Immobilienspekulant betätigte sich auch als FDP-Politiker und stand von 1992 bis 1999 dem Zentralrat der Juden in Deutschland vor.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Herkunft
Ignatz Bubis wurde am 12. Januar 1927 als Kind des aus dem Russischen Kaiserreich stammenden jüdischen Schiffahrtsbeamten Jehoshua Josef Bubis und dessen Frau Hannah, geb. Bronspiegel, im schlesischen Breslau[1] geboren.[2]
Ausbildung
In Breslau besuchte Ignatz Bubis zwei Jahre lang die Volksschule. Als er acht Jahre alt war (1935), verließ die Familie Schlesien und übersiedelte in die polnische Kleinstadt Deblin an der Weichsel (zwischen Warschau und Lublin), wo Bubis weitere vier Jahre zur Schule ging. Bubis' Mutter starb 1940 an Krebs. Während des Zweiten Weltkrieges zog er 1941 in das jüdische Ghetto. Bubis hatte im Ghetto eine Tätigkeit als Postbote. Im Juni 1944 kam Bubis in das Arbeitslager einer Munitionsfabrik bei Tschenstochau (heute Czestochowa). Am 16. Januar 1945 wurde das Lager von Einheiten der Roten Armee eingenommen.[2]
Wirken
Nach Kriegsende handelte Bubis als Schwarzmarkthändler in Lodz mit Pferden. Nach einer Zwischenstation in Breslau landete er in Dresden, in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), wo er sofort – in Absprache mit der Besatzungsmacht – eine Kette von „Tauschhandelszentralen“ aufzog. Bubis pendelte ab 1946 zwischen der SBZ und Berlin.
Er stand mit den Russen auf gutem Fuße, so daß diese ihm – wie er selbst berichtete – sogar die ehemalige Staatskarosse des Reichsaußenministers von Ribbentrop zur Verfügung stellten. Zuerst machte er auch gute Geschäfte, allerdings mußte er schon 1949 wegen der Verfolgung durch die sowjetische Geheimpolizei in die Westzone flüchten, da er des Schwarzmarkthandels mit sehr großen Mengen Kaffees beschuldigt wurde.
1952 wurden Ignatz Bubis, Ciryl Sztamfater, Oldrich Janousek und andere vom DDR-Landgericht Dresden unter dem Vorwurf des in der SBZ bestehenden Straftatbestandes Spekulationsverbrechen, in Abwesenheit, zu 12 Jahren Zuchthaus und Vermögenseinziehung verurteilt. Zur Begründung hieß es, Bubis und seine Kompagnons hätten illegal und auf Kosten der sozialistischen Gemeinschaft Waren verschoben „und dabei Riesengewinne erzielt“, die ihnen ein „Schlemmerleben ermöglichten“. Zum Zeitpunkt der Verurteilung befand sich Bubis allerdings schon lange im Westen. Auf das Urteil angesprochen machte er geltend, es habe sich um einen politisch motivierten Richterspruch gehandelt.
Bundesrepublik
Ab 1950 betätigte sich Bubis mit „Freunden“ in Stuttgart und Pforzheim im Edelmetallhandel. Er erhielt von den Besatzungsmächten eine Ausnahmegenehmigung für den Handel mit Gold und damit eine Monopolstellung in der Belieferung der Edelmetallindustrie und machte damit erneut ein Vermögen. Seine Firma „Ignatz Bubis Gold und Edelmetalle GmbH“ belieferte z. B. exklusiv die DEGUSSA.
Nach der Aufhebung des Edelmetallhandelsverbotes und dem daraus folgenden Wegfall der Monopolstellung von Bubis’ Firma, begann er 1953, Goldschmuck aus Italien zu importieren.
In Paris heiratete er im Mai 1953 Ida Rosenmann, die er aus seiner Kindheit in Deblin kannte. Aus der Ehe ging eine Tochter, Naomi Ann (geb. 1963, Journalistin), hervor. Im Jahre 1956 kam er mit seiner Frau Ida nach Frankfurt am Main. Seine Gewinne investierte Bubis in der Immobilienbranche, bis er sich schließlich ganz diesem Geschäftszweig widmete und den Schmuckhandel seiner Frau überließ.
Im Jahre 1966 wurde Bubis Vorstandsmitglied und 1983 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main. 1969 trat er in die FDP ein.
Bubis als Bauunternehmer
Ende der 1960er Jahre plante die Stadt Frankfurt, durch Abriß im Frankfurter Westend, in welchem sich auch viele alte Gründerzeitvillen befanden, Platz für Bürohäuser zu schaffen. Abriß- und Baugenehmigungen wurden seinerzeit von der Kommune sehr freizügig gehandhabt. Eine „Aktionsgemeinschaft Westend“ wollte aber den Stadtteil als Wohngebiet erhalten und widersetzte sich der geplanten Umwandlung.
Bubis wurde Anfang der 1970er Jahre als „Westend-Spekulant“ Zielscheibe der linken Bewegung von Frankfurt am Main. Er hatte Wohnhäuser erworben, die er aber sehr lange leerstehen ließ, um sie erst aufgrund höheren Baugrundspekulationsgewinns abreißen zu lassen. Bis zu ihrem Abriß vermieteten Bubis und seine Partner die Häuser kurzfristig an Studenten. Diese erklärten, unterstützt durch Bürgerinitiativen und Politiker, die Häuser für besetzt und weigerten sich, sie zum Abriß freizugeben. Bubis geriet ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik und der Medien. Er wurde als „skrupelloser Spekulant“ dargestellt. Er selbst charakterisierte die Kampagne als „Antisemitismus aus der Richtung der politischen Linken“.
Erst im Februar 1974 wurden die Gebäude schließlich geräumt, Auseinandersetzungen zwischen Studenten und der Polizei folgten. Bubis mußte das Spekulationsobjekt „Westend“ aufgeben. Während des Konflikts legte Bubis seine Ämter in der Jüdischen Gemeinde nieder.
Ende der 1970er Jahre konnte Bubis sein Unternehmen wieder stabilisieren. Er führte die Immobilieninvestitionen im Ausland, die er bereits vor dem Häuserkampf begonnen hatte, fort und beteiligte sich unter anderem an Hotelbauten in Israel und im Iran. 1979 kandidierte Bubis als Beisitzer für den Frankfurter Kreisvorstand der FDP.
„Der Müll, die Stadt und der Tod“
Als 1985 an der Frankfurter Schaubühne das Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ von Rainer Werner Fassbinder uraufgeführt werden sollte, war Bubis unter den protestierenden Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde, welche die Bühne besetzten und damit die Aufführung verhinderten. Hauptperson des Stückes ist ein jüdischer Spekulant, für den – so die Meinung vieler – Bubis als lebendes Vorbild diente. Schließlich wurde eine weitere Aufführung des Stückes in Frankfurt untersagt. Bubis selbst bezeichnete die Frankfurter Inszenierung als „subventionierten Antisemitismus“.
Zentralratsvorsitzender
Ignatz Bubis' Amtszeit als Chef des Zentralrats dauerte von 1992 bis zu seinem Tod im Jahre 1999. Einen Monat vor seinem Tod sagte Bubis, daß er in seiner Amtszeit fast nichts habe bewegen können.
1978 kam Bubis erstmals in das Direktorium des Zentralrates der Juden; 1985 wurde er in dessen Verwaltungsrat gewählt. 1989 wurde er zweiter Vorsitzender. 1992, nach Galinskis Tod, wurde Bubis zum Direktoriumschef gewählt.
Im Jahr 1993 brachte man Bubis als möglichen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten ins Gespräch. Er lehnte eine Kandidatur jedoch mit der verhöhnenden Begründung ab, für ein jüdisches Staatsoberhaupt sei die Zeit in „Deutschland“ noch nicht reif.
Im Jahre 1998 kam es zur „Walser-Bubis-Kontroverse“, als Ignatz Bubis eine Rede des Schriftstellers Martin Walser kritisierte und ihm latenten „Antisemitismus“ vorwarf sowie ein geistiger Brandstifter zu sein. Walser hatte mit seiner Frankfurter Paulskirchen-Rede, die sich gegen eine „Dauerpräsentation deutscher Schande“ richtete, für eine der heftigsten medialen Wallungen in der BRD gesorgt.
FDP-Funktionär
Ignatz Bubis war seit 1969 Mitglied der FDP, in deren Bundesvorstand er lange Jahre saß und 1992 FDP-Bundesvorstandsmitglied.
Bubis gehörte zu den entschiedensten Unterstützern von Migranten in der FDP. 1992/93 unterstützte er die Gründung der Liberalen Türkisch-Deutschen Vereinigung (LTD), und trat als Redner auf zahlreichen Veranstaltungen dieser Organisation auf. Im Mai 1999 schlug er den Bundesvorsitzenden der LTD, Mehmet Gürcan Daimagüler, auf dem Bremer Parteitag für den Bundesvorstand der FDP vor.
Bis zu seinem Tode saß er für seine Partei auch im Magistrat und in der Stadtverordnetenversammlung seiner Heimatstadt Frankfurt am Main.
Letztes Interview
Ende Juli 1999 gab Bubis sein letztes Interview, das im Stern veröffentlicht wurde. „Fast nichts“ habe er in seiner Amtszeit als Präsident des Zentralrats der Juden bewirkt. Jüdische und nicht-jüdische Deutsche seien einander fremd geblieben. Trotzdem kündigte er seine erneute Kandidatur für das Amt des Zentralratsvorsitzenden an.
Tod
Am 13. August 1999 starb er verbittert („Ich habe nichts erreicht.“) in Frankfurt/Main an Knochenkrebs. Bubis wurde auf eigenen Wunsch in Israel beerdigt. Als Vertreter der BRD nahmen Bundespräsident Johannes Rau (SPD), Bundesratspräsident Roland Koch (CDU) und Innenminister Otto Schily (SPD) sowie Vertreter verschiedener jüdischer Gemeinden an der Beerdigung in Tel Aviv teil. Unmittelbar nach dem Begräbnis schändete der israelische Künstler Meir Mendelssohn[3] (einer seiner jüdischen Feinde [4]) das Grab mit schwarzer Farbe, um seiner schlechten Meinung von Bubis Ausdruck zu geben. Bubis’ Nachfolger wurde Paul Spiegel.
Auszeichnungen und Ehrungen
- Auszeichnungen
- 1992: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
- 1996: Theodor-Heuss-Preis
- 1996: Große Bundesverdienstkreuz
- 1998: Goldstein-Preis
- Ehrungen
- 2000 wurde in Frankfurt am Main die Obermainbrücke in Ignatz-Bubis-Brücke umbenannt.
- Die Stadt Frankfurt am Main verleiht seit 2001 alle drei Jahre den mit 50.000 Euro dotierten „Ignatz-Bubis-Preis für Verständigung“.
Mitgliedschaften
Seit 1987 war Ignatz Bubis Rundfunkratsvorsitzender des Hessischen Rundfunks. Er war Vorsitzender des Kuratoriums der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, stellvertretender Vorsitzender der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (seit 1987), Honorarkonsul von Côte d’Ivoire, gehörte dem Senat der von Altbundeskanzler Helmut Schmidt gegründeten Deutschen Nationalstiftung an und seit Mai 1997 ehrenamtlicher Stadtrat in Frankfurt am Main. Er war Schatzmeister und ab 19. Oktober 1998 Präsident der europäischen Sektion des Jüdischen Weltkongresses. Ignatz Bubis war zudem Vizepräsident der Claims Conference, die für die Durchsetzung jüdischer „Wiedergutmachungsforderungen“ zuständig ist.
Siehe auch
- Philipp Jenninger, Eklat zur Reichskristallnacht-Rede
Fußnoten
- Geboren 1927
- Gestorben 1999
- Zentralrat der Juden in Deutschland
- Jüdischer BRD-Politiker
- Jüdischer Unternehmer
- FDP-Mitglied
- Person der Gesinnungsindustrie
- Träger des Hessischen Verdienstordens
- Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes
- Träger des Theodor-Heuss-Preises
- Ehrensenator der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg