Nissen, Christian

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Christian Nissen (Lebensrune.png 1893 in Hamburg; Todesrune.png ? nach 1955) war ein deutscher Kapitän der Geistersegler der Abwehr und Leutnant (S) und somit Sonderführer im Zweiten Weltkrieg. Der erfahrene Seemann, Sport- und Hochseesegler trug den Tarnnamen „Hein Mück“, nach dem legendarem Seemann aus und Symbolfigur für Bremerhaven.[1]

Werdegang

Es wird angenommen, wenn auch nicht gesichert, daß Christian Nissen Sohn des Volksschullehrers, Fahrradpioniers, Radsportfunktionärs und Tausendsassas Gregers Christian Nissen (1867–1942) war. Gregers Nissen hatte mit seiner Gattin Johanna zehn Kinder (neun Söhne und eine Tochter).

Erster Weltkrieg

Nissen diente im Ersten Weltkrieg bei der Kaiserlichen Marine, sein Schiff wurde von der Royal Navy in den Gewässern 160 km westlich der irischen Stadt Queenstown (heute Cobh) aufgebracht, die Besatzung kam in Kriegsgefangenschaft. Zuerst im irischen Templemore, dann Oldcastle, schließlich auf der Insel Man. Er kannte somit die Gewässer um Irland gut, dies sollte sich später bei seinen Geisterseglereinsätzen auszahlen.

Zwischenkriegszeit

Nach der Kriegsgefangenschaft blieb Nissen dem „Meer“ treu, wurde Handelsseemann und schließlich Hochseekapitän. Der Kapitän auf großer Fahrt und alter „Kap Hoornier“ Nissen hatte mehrfach auf einem Frachtsegler, der nicht mit einem Motor oder Hilfsmotor ausgerüstet war, Kap Hoorn umrundete und sprach perfekt Englisch.

Die „Kyloé“ läuft aus – im kühlen April 1941 beginnt das Unternehmen „Weißdorn“ für die wagemutigen Geistersegler der Abwehr.

Zweiter Weltkrieg

Nissen wurde im Zweiten Weltkrieg für Sondereinsätze ausgebildet. Er genoß 1940 eine Kommandoausbildung bei den Brandenburgern in der Abwehrkampfschule „Quenzgut“ und war 1941 Kapitän des Hilfskriegsschiffes „Kyloé“, um den Agenten Robert Leibbrand (Tarnname: Walter Kempf) an seiner Heimatküste Südafrika zu landen. Unter Nissen diente auch der Künstler Arndt Georg Nissen, es bestand jedoch keine Verwandtschaft zum Namensvetter „Age“ Nissen.

Spätestens 1943 wurde Nissen, nun als Leutnant zur See (S) und somit weiterhin als Sonderführer, von der Seekriegsleitung (SKL) beim Oberkommando der Marine zu den Küstenjägern versetzt. Hier ließ er in Swinemünde und dann Hamburg sogenannte „Kriegsfischkutter“ (KFK) für den Kampfeinsatz und Feindfahrten umbauen.

Einsätze (Auswahl)

  • Unternehmen „Hummer I“
    • Das Unternehmen im Rahmen des Unternehmens „Hummer“, welches trotz des eingestellten Unternehmens „Seelöwe“ die Infiltration Großbritanniens durch Agenten von Norwegen und Nordfrankreich vorsah, führte Kapitän Nissen (unterstützt von einem bretonischen Fischer als Navigator) mit der Segeljacht „Soizic“ nach Fastnet Rock, einer kleinen Insel am südlichsten Punkt vor Irlands Küste. Hier setzte er am 7. Juli 1940 erfolgreich die drei Abwehr-Agenten ab, zwei deutschstämmige Südafrikaner (Herbert Tributh und Dieter Gärtner) und den Inder Henry Obéd ab.
  • Unternehmen „Möwe“ oder „Seemöwe“
    • Im September 1940 sollte Nissen im Auftrag der Abwehr-II-Abteilung und in Zusammenarbeit mit den „Brandenburgern“, wenn auch unter der Aufsicht der Heeresgruppe Nord, mit der „Anni Braz-Bihen“ den Brandenburger Helmut Clissmann (1911–1997) von Westende (Belgien) aus in Galway Bay abzusetzen. Nissen kannte die Gegend von seiner Kriegsgefangenschaft her. Clissmann sollte gemeinsam mit einem Abwehr-Funkspezialisten mit Hilfe der IRA nach Großbritannien gelangen, um die Gegend um Dover auszukundschaften, um Landeplätze für Kommandosoldaten der Brandenburger festzulegen, auch sollte er willige Führer für die deutschen Invasionstruppen ausfindig machen. Sollte eine Infiltration unmöglich sein, sollte er sich beim Ast-Chef in Dublin, Hauptmann Dr. Hermann Görtz, einstiger Flieger im Ersten Weltkrieg[2] melden und innerhalb Irlands doverkundige Führer suchen. Nachdem bei der Überfahrt die Lenzpumpe ausfiel (Techniker stellten später Sabotage fest), das Schiff drei Tage schwerster Stürme mit Schäden trotzen mußten und der dänische Maschinist am Kopf schwer verletzt wurde, mußte der Einsatz abgebrochen werden.
  • Unternehmen „Weißdorn“
    • alle Besatzungsmitglieder wurden pro forma zu Angehörigen der Kriegsmarine erklärt
  • Unternehmen „Mercator 3“
    • Es erscheint möglich, daß Nissen im November 1942 an dem Unternehmen „Mercator 3“ beteiligt war. Er soll mit einer Jolle (50 BRT Jolle) Agenten vom Golf von Biskaya nach Kanada gebracht haben. Am 14. November 1942 hatte der Befehlshaber der U-Boote (BdU) einen Befehl an alle deutschen U-Boote verschickt, Segelschiffe in der Größe in dem Gebiet (Auslaufgebiet) nicht anzugreifen, da, wie das Kriegstagebuch (KTB) aufzeigt, eigene Fahrzeuge dieser Größe „ein sehr wichtiges Unternehmen ausführen“.
  • Unternehmen „Reisernte“
    • Urheber: Kptlt.von Martiny; Unternehmen „Reisernte“ (Sonderverband Brandenburg Ia Nr.3/43 gKdos v.22.3.43), 1. Schädigung der feindlichen Handelsschiffahrt durch Versenkung bzw. Beschädigung von Handelsschiffen an der afrikanischen Westküste, 2. Sabotageunternehmen gegen Objekte und Häfen im gleichen Gebiet, 3. nach Möglichkeit auch Angriffe auf feindliche Kriegsschiffe. Durch den intensiven Einsatz der Küstenjäger im Mittelmeer (aber auch in Island und auf Gibraltar) wurde das Unternehmen vorerst abgesagt, die fertiggestellten KFK 203 und KFK 204 nun im Herbst 1943 beim Unternehmen „Greif“ eingesetzt (nicht mit dem gleichnamigen Kommandounternehmen während der Ardennenoffensive zu verwechseln). Es ging dabei ein Ausbrechen der Alliierten aus dem Meeresgebiet Kattegat zu verhindern.

KFK 203

Zuletzt war Nissen Kommandant des „KFK 203“,[3][4] welches den Kleinkampfverbänden der Kriegsmarine zugeteilt war.[5] Gemäß Funksprüchen des 6. und 5. Küstensicherungsverbandes in Norwegen verlegte der „KFK 203“ wie folgt:

  • 31.12.44 17.00 Uhr aus Kristiansand-Süd nach Egersund
  • 4.1.45 13.00 Uhr aus Bergen nach Askevold
  • 6.1.45 16.00 Uhr aus Florey/Norwegen nach Maaloey in Alleinmarsch
  • 13. Februar 1945 aus Harstad (letzte Sichtung), Fortführung des ausgesetzten Unternehmens „Reisernte“

Am 13. Februar 1945 erteilte der BdU den im Fronteinsatz stehenden U-Booten Angriffsverbot gegen kleine Segler und Fischkutter im Auslaufgebiet und im Nordatlantik. Obwohl nicht explizit erwähnt, kann es sich nur um eine Schutzmaßnahme für KFK 203 handeln, der demnach vom Absprunghafen ausgelaufen ist. Bei den Alliierten lief KFK 203 unter dem Namen „Mary“. Gesichtet jedoch wurde der Kriegsfischkutter vom Feind offenbar bis Kriegsende nicht.

Nissen meldete sich ein letztes Mal von der westafrikanischen Küste mit Ziel Indischer Ozean und Persicher Golf. Danach verliert sich die Spur von „KFK 203“. Am Ende des krieges erreichten deutsche Schiffe Puerto Montt, eine Hafenstadt in Chiles Süden. Vermutlich auch Nissens Kriegsfischkutter, allerdings bleibt bis heute der Verbleib unbekannt. Bei Günther W. Gellermann findet sich der Hinweis, daß bei der von Werner Baumbach (KG 200) geplanten Flucht u. a. mit Albert Speer die „Entsendung eines Fischkutters mit weiteren Vorräten nach Nordnorwegen“ mit Gauleiter Kaufmann (Mitte April 1945) besprochen wurde. Um welchen Kriegsfischkutter es sich gehandelt haben könnte, ist unbekannt.

Nachkriegszeit und Tod

Nach dem Krieg kehrte Nissen nach Deutschland zurück. Ob aus Südamerika, aus der Kriegsgefangenschaft, der Internierung oder sonstwo ist unbekannt. Er trat wieder der Handelsmarine bei. Er soll nach 1955 verstorben sein, ein genaues Datum ließ sich jedoch nicht ermitteln, der Tod so geheimnisumwittert wie das Leben.

Literatur

  • Franz Kurowski: Deutsche Kommandotrupps 1939-1945: „Brandenburger“ und Abwehr im weltweiten Einsatz, Band 2, Motorbuch 2003
  • Mark M. Hull: Irish Secrets. German Espionage in Wartime Ireland 1939-1945, 2003, ISBN 978-0-7165-2756-5
  • Herwig Danner: Kriegsfischkutter – KFK, Mittler (2001), ISBN 978-3813207293

Fußnoten

  1. Die Figur des geselligen, die Welt bereisenden Seemanns Hein Mück gab es in Seefahrerkreisen schon im frühen 19. Jahrhundert, zu wirklicher Bekanntheit kam sie jedoch erst mit dem 1930 erschienen Schlager „Hein Mück aus Bremerhaven“ nach einem Text von Charles Amberg und Musik von Willy Engel-Berger. Das Stück wurde in der Folge u. a. von Hans Albers und Lale Andersen gesungen und dadurch sehr populär.
  2. Am 4. Mai 1940 wurde Abwehr-Hauptmann Hermann Görtz (1890–1947) alias „Krause“ (Tarnname: Gilka) beim Unternehmen „Mainau“ mit einem Funkgerät per Fallschirm aus einer He 111 über Irland abgesetzt. Er sollte dort als Berater der IRA fungieren. Beim Absprung ging das Funkgerät verloren. Görtz war ein erfahrener Spion, schon 1935 in Großbritannien, als er Royal Air Force-Basen ausspähte und von 1936 bis 1939 dort inhaftiert war. Für den Einsatz hatte er sich mit Francis Stuart und IRA-Mann Seán Russell (der sich in Deutschland befand) vorbereitet. Görtz traf seinen Verbindungsmann (Agent V-Held), IRA-Anführer Seamus 'Jim' O'Donovan, der selbst vor dem Kriege Deutschland dreimal besucht hatte. Dabei hatte er nur den Agentenfunk (Afu), einer 9mm-Browning und unsichtbare G-Tinte. Die Schaufel, mit der er denn Fallschirm vergraben sollte, ging ebenfalls verloren. Er sollte beobachten, erkunden, erfragen, auch die IRA gegen militärische Ziele der Briten motivieren, aber keinesfalls die Neutralität Irlands verletzen. Am 15. August 1941 versuchte Hermann Görtz, inzwischen zum Abwehr-Major befördert, mehrmals vergeblich mit Motorboot und Flugzeug von Irland nach Deutschland zurückzukehren, um persönlich Bericht zu erstatten.
  3. Gebaut auf der Burmester-Werft Swinemünde-Ost; Bau auf der Burmester-Werft Swinemünde im Sommer 1943, bis September 1943 anschließender Umbau zum Segelschiff auf der Eckmanns-Werft in Finkenwerder, Segelfläche: 263 m²; Verdrängung: 125 t
  4. Es soll ggf. einen zweiten „KFK 203“ sowie einen zweiten „KFK 204“ gegeben haben (Kriegsfischkutter 203 unter Leutnant Otto Klaehn und 204 unter Leutnant Alfred Laon), dies berichtete Kapitänleutnant (MA) d. R. Friedrich-Wilhelm Michel Obladen im Verhör während seiner Kriegsgefangenschaft.
  5. „KFK 203“ gehörte zumindest zu dem genannten Zeitpunkt zweifelsfrei zu den Kleinkampfverbänden. Dies ergibt sich zum einen aus dem Zitat selbst. Vizeadmiral Hellmuth Heye hat am 25. Janaur 1945 nicht in seiner Funktion als Hauptreferent „Skl/S“ (= Sonderwaffen) und damit als Ministerialbeamter mit wohl etwas größerer Aufgabenfülle vorgetragen, sondern als „Admiral der Kleinkampfverbände“ und damit in seiner Doppelfunktion als Frontbefehlshaber. Das Kriegstagebuch der Seekriegsleitung unterscheidet hier sehr feinsinnig. Zum anderen führt die „Laufende Kriegsgliederung 1945“ mit dem Stand 15. Januar 1945 als Fahrzeuge des Kommandos der K-Verbände die Kriegsfischkutter „KFK 203“, „KFK 204“, „KFK 445“, „KFK 528“, „KFK 529“, „KFK 557“ und „KFK 558“ auf. (BArch 20/1827, Laufende Kriegsgliederung der Kriegsmarine 1944-1945, Bd. 2: OKM, Selbständige Kommandos und Dienststellen, die dem OKM unterstehen, K.G.-Blatt 4 (Ausgabe 15.1.1945), Gliederungsziffer 3042).