Die Pagode Tien-Ti (Schiller-Theater, 1943)

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Theaterstück

Theaterdaten
Originaltitel: Die Pagode Tien-Ti
Produktionsland: Deutsches Reich
Spielzeit: 1943
Premiere: 7. April 1943
Bühne: Schiller-Theater
Sprache: Deutsch
Spielgemeinschaft
Intendant: Heinrich George
Regie: Heinrich George
Buch: Paul Hensel-Haedrich
Ausstattung: Friedrich Prätorius
Musik: Helmut Frank
Besetzung
Darsteller Rolle
Paul Wegener Marschall Wang-Tal, Gouveneur
Werner Scharf Generalleutnant Wang-Tse, sein Sohn
Ernst Walter Mitulski Major Pei-Ho, Adjutant des Marschalls
Theodor Vogeler Fu-Tschin, Sekretär des Marschalls
Paul Widmann Hauptmann Horvath, Militärberater
Ernst Stahl-Nachbaur Sir William Lee, Sondergesandter
Claus Clausen Mac-Farren, Konsularagent
Hans Hessling Yamamoto, Kaiserlich japanischer Konsul
Ernst Legal Hollington, amerikanischer Konsul
Hans Meyer-Hanno Wong-Tschu, Polizeipräsident
Herwarth Grosse Liu-Men, Oberleutnant
Lothar Koerner Tscheng-Wei, Kapitänleutnant
Ernst Schröder Sung-Lo, Student
Inge Drexel Hai-Lien, eine Waise
Lu Säuberlich Claire Kelly, Erzieherin
Robert Möller Buddhapriester
Georg Hoffmann Tschang, Diener des Marschalls
Karl Waldemar Hauptmann der Wache
Ilse Fürstenberg Misses Thompson
Lola Luigi, Isolda Schober Ihre Töchter
Martha Ziegler Miß Garden
Eva Poege Miß Taylor
Charlotte Habecker, Lou Seitz Zwei Bardamen
Helga Hartmann Junge Chinesin
Hannes Dahlberg Mr. Greenwood
Otto Rubahn Mr. Webster
Werner Kepich Mr. Dupont
Knut Hartwig Hoteldirektor
Herbert Anders Telephonist

Die Pagode Tien-Ti war eine Bühnenstück, daß das Antlitz von China widerspiegeln sollte.

Reich an Gegensätzen und Rätseln war das Stück, aber brennend zeitnahe und schwer von Jahrtausende alten Weisheiten bestückt.

Politische Kernsprüche über die Verlogenheit und das skrupellose Ausbeutertum der westlichen Demokratien wechseln mit ehrwürdigen Aussprüchen Kung-tses und Lao-tees. Neben Profitgier entfaltet sich die Güte, neben hinterhältigen Mordanschlägen die zarte Blume der Liebe. Verschwörerpfiffe, Schüsse, Stöhnen von Gemarterten wurden milde übertönt von Worten, die Frieden und Ausgleich predigen. Auch der Autor sucht den dichterischen Ausgleich zwischen ewigen Weisheiten, erregend Kriminellem und prickelnd Aktuellem. Ein tapferes Wagnis, denn schon Lao-Tse sagte: „Klar siehet, wer von ferne sieht, und nebelhaft, wer Anteil nimmt.“

Das Jahr 1937 löste das dramatische Geschehen aus: Marschall Wang-Tai, der seine nordchinesische Provinz gütig und weise verwaltet, hatte vorausschauend (gleichsam als Vorläufer der Nanking-Regierung) erkannt, daß nur die Zusammenarbeit Chinas mit Japan das Land der Mitte von den „schmarotzenden Parasiten“ befreien würde, die aus England und Amerika oder auf sowjetischen Schleichwegen eingedrungen waren, und ausbeuterische, traditionszerstörende Arbeit leisteten. Bezahlte Agenten dieser fremden Machte suchen deshalb den unbequemen Marschall zu beseitigen.

Vertieft wird die Dramatik durch einen kräftigen Vater-Sohn-Konflikt, indem der Sohn des Marschalls im jugendlichen Überschwang sich mit seiner eisernen Division den Japanern entgegenwerfen wollte. Erst das letzte Vermächtnis des von verräterischer Kugel getroffenen Marschalls brachte den verblendeten Sohn zur Besinnung. Die väterliche Mahnung: Die Autorität der Eltern reiche bis ans Ende des Lebens, die Pietät aber sei von den Göttern und daher ewig, brachte ihn — zwar nicht vom politischen Denken her, doch durch die magische Kraft der ehrwürdigen asiatischen Familientradition zur Einsicht.

Das Stück hatte den Mut, in manchem dem europäischen Empfinden zu widersprechen. Denn aus der Lehre Kung-Tses und Lao-Tses, die das Stillhalten über das stürmische Wollen setzte, die des Abwarten predigte bis ‚das Wesen‘, die Mitte, gefunden sei, waren nicht leicht realpolitische Folgerungen.

In dem Stück erkannte man, daß Paul Hensel-Haerdrich bereits mancherlei Bühnen- und Filmerfahrung hatte. So hatte er Lortzing-Opern bearbeitet und hatte ein handfestes Spionagestück geschrieben, das als ‚Signale in der Nacht‘ auch verfilmt wurde. Siehe: Signale in der Nacht

Er wußte die Spannung zur rechten Zeit mit weichen Gefühlen zu durchsetzen (zwei zarte Heiratsanträge wurden mitten in die grimmigen revolutionären Vorgänge des letzten Aktes eingeschoben). Bemerkenswert war das religiöse Ethos, das aus Sätzen sprach wie:

„Wer den Begriff der Götter entwertet, verneint den Begriff Mensch.“

Die Aufführung im Schiller-Theater wurde getragen von den wuchtigen Persönlichkeit Paul Wegeners, der den Marschall Wang-Tai mit einer überzeugenden menschlichen Haltung spielte, die jedem Worte Gewicht und jedem Gefühle Tragkraft verlieh. Der bedeutende Kenner und Sammler ostasiatischer Kunst bewegte sich so sicher und selbstverständlich in der chinesischen Bühnenwelt, daß man darüber die Unwahrscheinlichkeiten vergaß, mit denen sich die Darsteller gelegentlich abfinden mussten.

Vielleicht hätte es sich durch die Unterteilung der sehr wirkungsvollen Bühnenbilder Friedrich Prätorius’, d. h. durch unauffällige Abtrennung eines kleinen Nebengelasses, erreichen lassen, daß nicht die vertrautesten Dinge, sowohl die Mordpläne wie die politischen und militärischen „geheimen Kommandosachen“ in einem Durchgangsraume und einer lebhaft besuchten Hotelvorhalle verhandelt werden müssen. Paul Wegener spielte mit bemerkenswerter Spannkraft und Frische; er fand wirklich seine „Mitte“, den edlen Ausgleich zwischen Güte und traditionsbedingter Strenge.

Neben ihm hatte Werner Scharf als draufgängerischer Sohn keinen leichten Stand; dennoch behauptete er sich in seiner Rolle mit gutem Takt. Walther Suessenguth als bestochener Sekretär des Marschalls, der die Mordanschläge leitet, lenkte mit seiner harten, kalten Verschlagenheit alle Sympathien auf sein willenlos gemachtes Werkzeug, den Studenten Sung-Lo, aus dem Ernst Schröder eine sehr eindrucksvolle, zarte, doch sicher entwickelte Charakterstudie machte.

Die englischen Agenten und Anstifter zu politischen Morden pflegten ihre heimtückischen Erfolge durch etwas geschicktere Tarnung zu erreichen, als es Claus Clausen in der Rolle des britischen Konsularagenten gestattet wurde, der sich unter anderem auf den Hausaltar setzen mußte, um seinen Zynismus zu beweisen. Ernst Legal machte aus dem amerikanischen Konsul, der durchaus aus der Pagode Tien-Ti einen Öltank bauen wollte, eine lustige Karikatur. Inge Drexel spielte die liebliche Blume Hai-Lien mit rührender Zartheit. Durch feine Zurückhaltung und nobles Spiel fiel Peter Widmann besonders auf. Auch die weiteren Darsteller folgten mit schönem Eifer der Regie Heinrich Georges, die mit Erfolg darum bemüht war; auch den zarteren Schwingungen des Gemütes genügend Spielraum zu geben. Das Publikum folgte mit wachsender Spannung und Teilnahme der Aufführung und bedachte vor allem Paul Wegener mit stürmischem Beifall.