Schiller-Theater der Reichshauptstadt

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Schiller-Theater der Reichshauptstadt nach dem Umbau 1938
Platzierung des Schiller-Theaters
Einrittskarte für das Schauspiel „Die Söhne des Herrn Grafen“ aus dem Jahre 1942
Schiller-Theater von 2010

Das einstige Schiller-Theater der Reichshauptstadt und später nur Schiller-Theater am heutigen Ernst-Reuter-Platz (Berlin-Charlottenburg) zählte zu den vier größten Schauspielhäusern in Berlin im Dritten Reich. Das Staatstheater, das Deutsche Theater, die Volksbühne und das Schiller-Theater waren die wichtigsten Schauspielbühnen.

Geschichte

Das Schiller-Theater eröffnete am 1. Januar 1907 mit SchillersDie Räuber“ seine Pforten.

Mit dem Theater wollte der Charlottenburger Magistrat kultur- und sozialpolitische Ziele gleichermaßen erreichen. Bereits um 1900 wurde in der Charlottenburger Stadtverordnetenversammlung über entsprechende Pläne diskutiert. Da die Berliner Theater-Bühnen und das 1896 eröffnete Theater des Westens wegen der hohen Eintrittspreise nur den begüterten Schichten zugänglich waren, wollte man in Charlottenburg auch den Geringverdienern anspruchsvolle Kultur nahebringen.

Das Projekt eines Theaters für „minderbemittelte Schichten“ war umstritten. Insbesondere die Charlottenburger Haus- und Grundbesitzer wollten kein besonderes soziales Bild für ihre Stadt – die hätte sich ja negativ auf die Grundstückspreise auswirken können. Aber der Begründer und Direktor der Schillertheater-Gesellschaft, Raphael Löwenfeld, und Oberbürgermeister Kurt Schustehrus kämpften erfolgreich für ihre Idee.

Schustehrus bilanzierte später stolz:

„Das Schillertheater ist eine der ersten Bildungsanstalten Berlins, und daß Bildung etwas ist, was die Sozialpolitik zu fördern bestrebt sein muß, wird niemand leugnen können.“

Der Magistrat arbeitete mit der Berliner Schillertheater Aktiengesellschaft zusammen, die bereits zwei gepachtete Theater betrieb und durch ein besonderes Abonnementsystem die Eintrittspreise niedrig halten und dennoch wirtschaftlich arbeiten konnte. Die Aktiengesellschaft hatte sich in ihrer Satzung auferlegt, den größeren Teil des Gewinns wieder in das Unternehmen zu investieren und den Schauspielern soziale Vergünstigungen zu gewähren, die sonst nicht üblich waren. Auch der Bildungsauftrag des Unternehmens war genau definiert: In Nachmittagsvorstellungen für Gemeindeschüler und an Dichterabenden für alle sollte für die Kultur geworben werden.

Das Schiller-Theater sollte nach dem Willen seiner Erbauer den Typus des volkstümlichen Schauspielhauses, das dem sozialen Geist der Zeit entspricht, darstellen. Man glaubte, dem Zeitgeist äußerliche Prägung durch die Form des Zuschauerraumes als Amphitheater geben zu können, in dem alle Rang- und Klassenunterschiede aufgehoben und in dem durch die Gleichberechtigung der Sitze das demokratische Prinzip gleichsam verkörpern sein sollte.

Die Einrichtung verschiedener Preisgruppen aber machte diesen Grundgedanken zu einer nebensächlichen Äußerlichkeit.

Im Ersten Weltkrieg geriet das Theater in eine wirtschaftliche Krise, die auch in den frühen 1920er Jahren nicht aus eigener Kraft bewältigt werden konnte. Deshalb wurde das Theater von 1923 bis 1931 an die Generalverwaltung der preußischen Staatstheater verpachtet. Nach kurzen Intermezzos mit weiteren Pächtern wurde es endgültig zum Staatstheater.

1937 begannen die umfassenden Umbauarbeiten des Schiller-Theaters durch Paul Baumgarten unter Beteiligung der Bildhauer Paul Scheurich und Karl Nocke sowie des Malers Albert Birkle.

Während des Umbaus veranstaltete die Spielgemeinschaft des Schiller-Theaters der Reichshauptstadt eine europäische Gastspielreise. Das während der Winterspielzeit 1936/37 mit nachhaltigem Erfolg gegebene Schauspiel „Der Richter von Zalamea“ sollte auf möglichst vielen Bühnen des In-, Grenz- und Auslandes hinausgetragen werden zur Werbung für die Schauspielkunst im Dritten Reich.

Im umgebauten Berliner Gebäude wurde ein völlig umgestalteter Zuschauerraum mit insgesamt 1.300 Sitzen in warmen Farbtönen und mit heller, festlicher Beleuchtung eingerichtet; außerdem schöne, behagliche Nebenräume, die allen Besuchern zugänglich waren, sowie die neugebaute Wandelhalle im ersten Rang wie auch die Erfrischungsräume, die aus den Sälen des Gaststättengebäudes entstanden und durch eine neuangtelegte Treppenhalle mit dem Zuschauerhaus verbunden war; und außerdem eine Bühne, die allen Anforderungen entsprach und technisch vollkommen war.

Die Bühne hatte anstelle einer veralteten, unbrauchbaren Drehscheibe eine zu dieser Zeit neuzeitliche Drehbühne mit Tisch und Personensenkung erhalten. Die neu eingebaute, durch zwei Geschosse gehende Seitenbühne ermöglichte in Verbindung mit der Drehbühne Abwechslung, Reichhaltigkeit und Schnelligkeit im Aufbau der Bühnenbilder.

Nach dem Umbau wurde das Haus am 15. November 1938 in Anwesenheit Adolf Hitlers unter dem von Joseph Goebbels eingesetzten Intendanten Heinrich George mit Schillers „Kabale und Liebe“ wieder eröffnet.

Die Besuchergemeinde des Schiller-Theaters der Reichshauptstadt belegte in der Spielzeit 1936/37, vor dem Umbau, 19.600 in der ersten Spielzeit und nach dem Umbau 1938/39 bereits 58.100 Abonnementsplätze.

Neben dem ernsten Schauspiel, das in einem Hause, das den Namen Schiller trägt, den Vortritt hat, wurde auch das Lustspiel nach Gebühr gefördert. So wurde als ergötzliche Silvesterunterhaltung 1938 „Die Wochenstube“ von Ludwig Holberg, des dänischen Mollère, aufgeführt: ein aus dem besten Kernholz nordischen Volkslebens geschnittenes Stück, das an die holländischen Genrebilder Jan Steens gemahnt.

Das Gesellschaftsstück vertrat Julius Bernhard mit seiner Komödie „Clorinde Heiratet“, die an dem ränkevollen Hof Napoleons III. spielt und einen spannenden Konflikt von Politik und Liebe mit Geist und Laune zu behandeln weiß.

Als eine glückhafte Vereinigung des volkstümlichen und gesellschaftlichen Lustspiels bewährte sich „Der Engel mit dem Saitenspiel“ von Alois Johannes Lippl. Diesen Komödien der Winterzeit 1938/39 folgte die heitere Sommerfrische des Friedrichshagener Naturtheaters, wo Shakespeares klassische Komödie „Was ihr wollt“ und der unsterbliche „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss Tausende von Zuschauern beglückten.

Bei einem Luftangriff im November 1943 wurde das Theater schwer beschädigt und brannte aus. Bis zum 1. September 1944 wurde auf einer Behelfsbühne in der Ruine weiter gespielt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten Heinz Völker und Rudolf Grosse unter Verwendung von Resten des Vorgängerbaus ein neues Haus. Bernhard Heiliger gestaltete die Reliefwand der unteren Vorhalle, und Ludwig Peter Kowalski schuf die 25 Meter lange und 5,20 Meter hohe Glasschliffwand des Hauptfoyers mit surrealistischen Motiven.

Am 5. September 1951 wurde das neue Haus mit einem Konzert der Berliner Philharmoniker eröffnet, die unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler Beethovens 9. Sinfonie spielten. Am 6. September 1951 folgte die Eröffnungspremiere mit Schillers „Wilhelm Tell“ in der Regie des vom Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter berufenen Intendanten Boleslaw Barlog. Neben Paul Esser und Albert Bassermann spielte der 13jährige Götz George Tells Sohn. Das Schiller-Theater war nun das Haupthaus der neu gegründeten Staatlichen Schauspielbühnen Berlins (West), zu denen das Schloßpark-Theater in Steglitz, die Schiller-Theater-Werkstatt und die Spielstätte im Ballhaus Rixdorf gehörten.

Unter Barlog wurde das Schiller-Theater zum wichtigsten Theater West-Berlins, bis in den 1970er Jahren die Schaubühne diese Rolle übernahm. Nachfolger von Boleslaw Barlog wurde 1972 Hans Lietzau. 1975 inszenierte Samuel Beckett „Warten auf Godot“. Von 1980 bis 1985 war Boy Gobert Intendant, von 1985 bis 1990 Heribert Sasse, danach ein Direktorium aus Alfred Kirchner, Alexander Lang, Volkmar Clauß und Vera Sturm.

Am 3. Oktober 1993 wurde das Schiller-Theater durch Senatsbeschluß geschlossen, danach als Musical- und Gastspieltheater benutzt. Von Januar bis Oktober 2000 war das Haus Interimsspielstätte des Maxim Gorki Theaters. Die Schließung der größten deutschen Sprechbühne löste Protest und Verbitterung aus und brachte dem damaligen Kultursenator Ulrich Roloff-Momin das Etikett „Schiller-Killer“ ein.

2009/10 wurde das Schiller-Theater von Peter Hapke und Andreas Zerr für die Staatsoper umgebaut und hergerichtet, die am 19. September 2010 feierlich per Schiff nach Charlottenburg umzog. Am 3. Oktober 2010 war Premiere mit der Uraufführung von Jens Joneleits Oper „Metanoia“. Seither ist das Schiller-Theater unter dem Intendanten Jürgen Flimm und Generalmusikdirektor Daniel Barenboim Ersatzstandort für die Staatsoper, deren Haus Unter den Linden seit Juli 2010 (voraussichtlich bis 2017) saniert wird.

Ensemble

Auswahl von Schauspielern, die am Schiller-Theater auftraten:

Bildergalerie