Fortuna
Fortuna (lat. „Glück“, „Schicksal“) ist in der römischen Mythologie die Göttin des Glücks und des Schicksals, wobei ersteres Attribut im Laufe der Zeit überwog und auch im heutigen Sprachgebrauch geläufig ist. Sie wurde als Personifizierung dieser Attribute der griechischen Tyche gleichgesetzt, obwohl diese bei den alten Griechen anfangs eher negative Charakterzüge symbolisierte. Fortuna galt auch als Personifikation des schwankenden und zufälligen Glücks und wurde als wankelmütig und vielschichtig charakterisiert. Dargestellt wird sie oft als auf einer Kugel bzw. einem Rad stehend und mit einem Füllhorn, weiterhin auch auf zahlreichen Münzen, Gemmen und Reliefs. Trajan ließ sie in vielen Mauerkronen darstellen. Auch Fortuna-Statuetten sind häufig überliefert.
Neben den zahlreichen Kulten, konnte Fortuna viele Beinamen für sich beanspruchen. Diese Beinamen leiteten sich nicht von der Göttin ab, sondern charakterisierten ihr Wesen von außen. Beispiele sind equestris, privata, redux, virilis und viele andere. Deshalb ist sie in erster Linie als Personifizierung denn als reine Göttin anzusehen.
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Kultus in der Antike
Die Verehrung Fortunas durch die Römer hatte sowohl eine private, wie auch eine staatsreligiöse Komponente. Auf dem Quirinal war ihr ein Tempel als Staatsgöttin geweiht. Fortunas Fest wurde alljährlich am 24. Juni gefeiert.
Ihr Kult soll von König Servius Tullius eingeführt worden sein, der sich auch als deren mythischer Gemahl ausgab. Damals wurde sie einfach Fortuna oder Fors Fortuna („Macht des Schicksals“) genannt. Der König soll von ihr heimlich durch ein Fenster besucht worden sein. In späterer Zeit hatte jeder Kaiser mit der Fortuna Augusta seine eigene Fortuna. Die größten Kultzentren fanden sich mit Rom, Antium und Paeneste in Latium. Doch waren überall im römischen Imperium Kultstätten der Fortuna zu finden. Ihre Statuetten fanden sich in Villen genauso, wie in Legionslagern.
Bald nach 300 v.d.Z. erhielt Fors Fortuna am ersten Meilenstein durch Spurius Carvilius Maximus (Konsul in den Jahren 293 und 272 v.d.Z.), einen weiteren Tempel. 19 v.d.Z. – im Jahr der Rückkehr des Augustus aus dem Osten – wurde an der Einmündung der Via Appia in die Stadt ein monumentaler Tempel zu Ehren der Fortuna Redux („die heimgeleitende Fortuna“) errichtet, die in Zweigestalt auftritt. Dort wurden Feiern namens „Augustalia“ anlässlich der Rückkehr des Augustus am 12. Oktober abgehalten.
In Summe gab es in Rom 30 uns bekannte Fortunaheiligtümer. Die offiziellsten von ihnen waren die drei Tempel der tres Fortunae am Quirinal. Der älteste davon war vor einer Schlacht gegen Hannibal von Konsul Publius Sempronius Sophus 204 v.d.Z.. gelobt worden, im Falle eines Sieges zu errichten: Nach dem Zweiten Punischen Krieg wurde er dann eingeweiht. Der Titel der Göttin lautete hier Fortuna publicae populi Romani Quiritium primigenia. Ein ähnliches Gelübde wurde von Quintus Lutatius Catulus 101 v.d.Z. vor der Schlacht von Vercellae gegen die Kimbern abgelegt. Er nannte die Göttin Fortuna huiusce diei („Göttin dieses Tages“) und weihte den Tempel am Marsfeld (Campus Martius) an einem Jahrestag der Schlacht ein. Im Heiligtum wurde von den römischen Bürgern Fortuna verehrt, deren Macht sich auf jeden Tag erstreckt. So wurde sie von den Römern täglich erneut angefleht. Einen gleichartigen Tempel dürfte es auf dem Palatin gegeben haben. Wie Augustus ließ auch Domitian einen Tempel der Fortuna Redux – diesmal auf dem Marsfeld nahe der Porta Triumphalis – errichten.
Im Osten des Reiches war die Tychedarstellung infolge des griechischen Einflusses stärker verbreitet. Ihre Amazonenhaftigkeit verlieh ihr des öfteren ein kriegerisch anmutendes Wesen.
Kultus unter Trajan
Ein besonderer Verehrer der Fortuna war Kaiser Trajan, dem auffiel, daß es allzuviele Beinamen für die Göttin in der Hauptstadt gab. So ließ er einen Tempel der Fortuna omnium („Allfortuna“) errichten. Dieser Fortuna wurde ein sehr exponierter Feiertag zugeteilt: der 1. Januar.[1] Man betete zu ihr um das Heil aller Tage des neuen Jahres. Aus dieser Zeit gibt es auch Abbildungen im Zusammenhang mit Soldaten. Das Schicksal der aus der Armee Entlassenen sollte weiterhin in Treue mit dem Kaiser verbunden sein. Hierbei sind Fortuna als Schicksal und Fides als Treue miteinander verschmolzen.
Mittelalter
In der mittelalterlichen Kunst symbolisierte das sich drehende Rad alleine die ständige Wandelbarkeit des Glücks. Eine Interpretation des Mittelalters war die weltenbeherrschende Fortuna imperatrix, die das Schicksal der Erde lenkte. Renaissance und Barock stellten Fortuna wieder mit all ihren Attributen dar. Bekannte Darstellungen lieferten Aldegrever, Dürer und Rubens. Auch in Dichtung und Literatur taucht die Personifikation des Schicksals regelmäßig auf, so u.a. in Dantes „Göttlicher Komödie“.
Zitate
- „Diejenigen, die Fortuna zu einer Göttin gemacht haben, sind weise Männer gewesen; denn sie haben gesehen, daß alles, was in der Welt geschieht, nicht durch die menschliche Vernunft regiert werde, daß es auch nicht durch menschliche Kräfte Bestand habe, sondern durch göttliche ...“ — Martin Luther[2]
Literatur
- Wilhelm Drexler: Fortuna. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 1,2, Leipzig 1890, Sp. 1503–1558
- Georg Wissowa: Religion und Kultus der Römer. C.H. Beck`sche Verlagsbuchhandlung, München 1902, S. 91-100
Verweise
- Fortūna, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 797
- Wer oder was ist Fortuna?