Friedensvertrag von Brest-Litowsk

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Int. Friedenskonferenz Brest-Litowsk.jpg

Der Friedensvertrag von Brest-Litowsk (auch Frieden von Brest-Litowsk) wurde am 3. März 1918 in Brest-Litowsk (heute: Brest, Weißruthenien) bereits mehr als acht Monate vor dem Ende des Ersten Weltkrieges zwischen den Mittelmächten und Sowjetrußland abgeschlossen. Nach dem Waffenstillstand von Compiègne erklärten die Bolschewisten Rußlands am 13. November 1918 den Frieden von Brest-Litowsk völkerrechtswidrig für null und nichtig. Dies führte u. a. zu der Vertreibung der Deutschen aus dem Baltenland und zur Schließung der deutschen Universität in Dorpat.

Vorgeschichte

Nach dem Sturz des russischen Kaisers in der Oktoberrevolution war die neue bolschewistische Regierung innenpolitisch stark geschwächt. So handelte sie 1917/18 mit den Mittelmächten den Friedensvertrag von Brest-Litowsk aus, um sich gegen die inneren Feinde wenden zu können. Der Vertrag wurde am 3. März 1918 zwischen zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, Bulgarien sowie dem Osmanischen Reich auf der einen Seite und dem bolschewistischen Sowjetrußland auf der anderen Seite abgeschlossen. Die Verhandlungen waren geprägt von dem deutschen Wunsch, eine dauerhafte Friedensordnung in Europa zu schaffen und, gemäß dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, den bis dahin russisch unterjochten Völkern die Unabhängigkeit zu gewähren.

Während die Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit den russischen Bolschewiken jedoch am 20. Januar 1918 ergebnislos vertagt wurden, verhandelten die Deutschen auch mit Vertretern der Ukraine über einen Sonderfrieden. Die Übereinkunft zwischen der deutschen und der ukrainischen Delegation sah als Gegenleistung die Anerkennung der ukrainischen Unabhängigkeit vor. Dieser Vertrag wurde am 9. Februar unterzeichnet und erhöhte den Druck auf die Bolschewiken. Einen Tag später erklärte Leo D. Trotzki als russischer Delegationsleiter zwar das offizielle Ende der Kriegsteilnahme Rußlands, brach aber die Friedensverhandlungen ohne Beschluß ab. Die Oberste Heeresleitung (OHL) befahl deshalb am 19. Februar den weiteren militärischen Vormarsch im Osten. Kurz darauf kapitulierte die russische Regierung endgültig und kehrte an den Verhandlungstisch zurück.

„Schon der Friede von Brest-Litowsk trug an sich den Charakter eines unzulänglichen Provisoriums. Damals standen einander zwei Partner gegenüber, von denen keiner so recht wußte, ob es denn wirklich zu einem Frieden kommen könne. Jeder hatte zum Begriff ‚Friede‘ eine ganz entgegengesetzte geistige Einstellung. Der eine Partner, Rußland, wollte nur einen Fetzen Papier unterschreiben, um besser und ungestörter revolutionäre Innenpolitik treiben zu können und um gleichzeitig in der Außenpolitik den revolutionären Kräften des Weltkrieges Nachhilfe gewähren zu können. Für Lenin war der Brester Friede nur ein taktisches Kriegsmittel zur Förderung der proletarischen kommunistischen Weltrevolution. Deutschland verhielt sich dieser Revolutionsstrategie Lenins gegenüber durchaus passiv. Der Sieger ließ sich taktisch schieben. [...] So entstand der Brest-Litowsker Friede, diktiert durch die realen Mächte der Kriegsauslösung, während die kurzsichtigen Berechnungen der deutschen Regierung, des deutschen Parlaments und der deutschen Obersten Heeresleitung sich insgesamt als irrig erwiesen.“[1]

Inhalt

Der Separatfrieden mit der Ukraine
Die Unterschriften zum Friedensabkommen mit der Ukraine
„Als Inhalt eines völkerrechtlichen Vertrages ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker erstmals in den Friedensvertrag von Brest-Litowsk vom 3. März 1918 zwischen dem damals noch siegreichen Deutschen Reich und der Sowjetregierung und noch im selben Jahr in den Waffenstillstands-Vorvertrag vom 5. November 1918 zwischen den nunmehr siegreichen Westmächten und dem Deutschen Reich ausdrücklich aufgenommen worden. Der Vertrag von Brest-Litowsk entsprach auch in seinem übrigen Inhalt diesem Recht. Das Deutsche Reich hatte ausdrücklich auf gewaltsame Landaneignungen (Annexionen) verzichtet.“[2]

Im Artikel 9 heißt es darüber hinaus:

„Die vertragschließenden Teile verzichten gegenseitig auf den Ersatz ihrer Kriegskosten, d. h. der staatlichen Aufwendungen für die Kriegführung sowie auf den Ersatz der Kriegsschäden, d. h. derjenigen Schäden, die ihnen und ihren Angehörigen in den Kriegsgebieten durch militärische Maßnahmen mit Einschluß aller in Feindesland vorgenommenen Requisitionen entstanden sind.“

In einem Zusatzvertrag vom 3. März 1918 wurde vereinbart, daß die Rußlanddeutschen die Möglichkeit erhalten sollten, unter Mitnahme ihrer Habe und ihres Vermögens innerhalb von 10 Jahren in das Deutsche Reich zurückzusiedeln.[3]

Verhandlungsverlauf

Die beiden deutschen Verhandlungsführer Dr. Richard von Kühlmann (links) und k. u. k. Minister des Äußeren Ottokar Graf Czernin von und zu Chudenitz in Brest-Litowsk
Wiederankunft der russischen Delegation

Verhandlungsführer des Deutschen Reiches war Richard von Kühlmann. Der Leiter der österreichisch-ungarischen Delegation, Ottokar Graf Czernin, erinnerte sich später:

„Der Führer der russischen Delegation ist ein erst vor kurzem aus Sibirien entlassener Jude namens Joffe [...] nach dem Essen hatte ich meine erste lange Unterredung mit Herrn Joffe. Seine ganze Theorie basiert darauf, das Selbstbestimmungsrecht der Völker auf breitester Basis in der ganzen Welt einzuführen und diese befreiten Völker zu veranlassen, sich gegenseitig zu lieben [...] Ich machte ihn aufmerksam, daß wir eine Nachahmung der russischen Verhältnisse nicht unternehmen würden und uns jede Einmengung in unsere internen Verhältnisse kategorisch verbitten. Wenn er weiter an diesem utopischen Standpunkt, seine Ideen auch auf uns zu verpflanzen, festhalte, dann sei es besser, er würde gleich mit dem nächsten Zug wieder abreisen, denn dann sei der Friede nicht zu machen. Herr Joffe blickte mich erstaunt mit seinen sanften Augen an, schwieg eine Weile und sagte dann in einem für mich immer unvergeßlichen freundlichen, fast möchte ich sagen bittenden Ton: ‚Ich hoffe doch, daß es uns gelingen wird, auch bei Ihnen die Revolution zu entfesseln‘.“[4]

Am 7. Januar 1918 wurde Adolf Abramowitsch Joffe von Leo Trotzki als Delegationsführer abgelöst. Nachdem die Verhandlungen unter Joffe für die Bolschewiki bisher zu schnell vorangeschritten waren, hatte Trotzki eindeutig die Aufgabe, den Fortgang der Gespräche zu verlangsamen. Trotzki selbst schrieb über das Vorgehen der bolschewistischen Delegation:

„In die Friedensverhandlungen traten wir mit der Hoffnung ein, die Arbeitermassen Deutschlands und Österreich-Ungarns wie auch der Ententeländer aufzurütteln. Zu diesem Zweck war es nötig, die Verhandlungen möglichst in die Länge zu ziehen, damit die europäischen Arbeiter Zeit hätten, die Tatsache der Sowjetrevolution und im besonderen ihre Friedenspolitik gehörig zu erfassen. [...] Die Hoffnung auf eine rasche revolutionäre Entwicklung in Europa gaben wir selbstverständlich nicht auf.[5]

Trotzki versuchte auf Zeit zu spielen, da er revolutionäre Unruhen bei den Mittelmächten erhoffte. Lenin war die Gefahr einer Intervention der Mittelmächte für den Fortbestand der bolschewistischen Revolution bewußt. Er setzte deswegen eine Annahme der deutschen Forderungen unter Androhung seines Rücktrittes von allen Ämtern bei den Bolschewiki durch. Er forderte das Ende der „Politik der revolutionären Phrase“, die auch er selbst zuvor eifrig betrieben hatte. Lenin spekulierte auf einen baldigen Zusammenbruch der Mittelmächte oder den Sieg einer sozialistischen Revolution in Deutschland.

Karl von Bothmer sollte die Belange der Obersten Heeresleitung vertreten, um die Gefangenenrückführung (deren Modalitäten im Friedensvertrag nur ungenau umrissen waren) in einer „Gemischten Kommission“ konkret auszuhandeln.

Folgen

Litauen, Lettland, Finnland und Estland verdanken ihre Existenz als selbständige Staaten dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk. In der Folge wurden ebenso Polen, Georgien und auch die Ukraine von Rußland unabhängig. Für Deutschland beendete der Frieden den Zweifrontenkrieg.

„Die unerhörten Verwüstungen, die russische Truppen 1914 in Ostpreußen angerichtet hatten, blieben in der Nachkriegszeit ebenso ohne strafrechtliche Verfolgung wie irgend eine strafbare Handlung deutscher Truppen auf russischem Boden. Es wurde anerkannt, daß Kriegszeiten außerordentliche Taten auch im negativen Sinn hervorbringen können, ohne daß dies in moralische Vernichtungsurteile zu künftigem politischem Nutzen umgemünzt wurde.“[6]

Durch die ukrainische Unabhängigkeit wurde es Deutschland möglich, von dort Getreide einzukaufen, was die Folgen der feindlichen Hungerblockade etwas abmilderte.

Freiburger Zeitung

Die Freiburger Zeitung zu den Ereignissen:

9. Februar 1918: Friede mit der Ukraine!
Seite 2
11. Februar 1918: Ende des Kriegszustandes mit Rußland!
Seite 2
12. Februar 1918: Wortlaut des Friedensvertrages mit der Ukraine
Seite 2
4. März 1918: Friede mit Rußland!
5. März 1918: Zum deutsch-russischen Frieden
6. März 1918: Zum Friedensvertrag und den Zusatzverträgen
Seite 2

Polen

Freiburger Zeitung, 8. März 1918, S. 1: Die deutschen Sozialdemokraten im Bunde mit den Bolschewisten!

Für die polnischen Imperialisten bedeutete der Friedensvertrag die Herstellung eines unabhängigen polnischen Staates abermals mit deutscher Hilfe. Anfang des Jahres 1918 gewann Polen zusammen mit anderen Ländern durch den Friedensvertrag von Brest-Litowsk seine endgültige Unabhängigkeit von Rußland, nachdem bereits im Jahre 1916 unter deutscher Hilfe das Königreich Polen ausgerufen worden war. Ein Jahr später annektierte Polen dann – obwohl durch den Versailler Schandvertrag bereits mehr als begünstigt – dennoch, trotz der zuvor durch deutsche Hilfe erlangten staatlichen Souveränität, große Teile Ostdeutschlands. Kurze Zeit darauf überfiel es auch seine östlichen Nachbarn im Polnisch-Ukrainischen Krieg und im Polnisch-Sowjetischen Krieg und raubte diesen ebenfalls große Gebiete, die sie dann „Ostpolen“ nannten.

Antideutsche Propaganda

NSDAP-Dokument11.jpg

Auffällig ist, daß der Friedensvertrag meist als „Diktat“ bezeichnet wird, während das Versailler Diktat, an welchem das Deutsche Reich keinerlei Beteiligung hatte, meist durchgehend als „Vertrag“ bezeichnet wird.

Im Sinne der derzeitigen politischen Korrektheit wird ebenso auch gerne behauptet, daß das spätere Versailler Diktat gegen Deutschland in etwa dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk ähnlich gewesen sei. Allein ein Vergleich der beiden Vertragswerke entlarvt diese Lüge. Darüber hinaus soll Rußland angeblich 27 % nutzbares Land und 25 % seiner Einwohner verloren haben. Auch dies ist blanker Unsinn, da es sich bei den unabhängig gewordenen Staaten nicht um Rußland und bei deren Bewohnern somit auch nicht um Russen gehandelt hatte, sondern um Völker, die nach Unabhängigkeit strebten. Dennoch hält sich dieses bolschewistische Propagandamärchen bis heute hartnäckig.

Weiterhin verzichteten die siegreichen Mittelmächte auf Demütigung oder gar Ausplünderung Rußlands, wie dies im späteren Versailler Schandwerk der Fall war.

„Das besiegte Russland hatte 1918 im Frieden von Brest-Litowsk überhaupt keine Reparationen an die Sieger Deutschland und Österreich-Ungarn zahlen müssen.“[7]

Nach dem Dolchstoß und dem folgenden Diktat von Versailles wurde der Friedensvertrag von Brest-Litowsk für nichtig erklärt, die gerade unabhängig gewordenen Völker gerieten wieder in den sowjet-bolschewistischen Machtbereich. Wilson selbst hatte zwar noch kurz zuvor vom „Selbstbestimmungsrecht“ geschwatzt, dies jedoch offenbar nur, insofern es den VSA auch dienlich war. Gleichwohl wurde die sowjetische Regierung nicht zu den Friedensverhandlungen in Versailles geladen, denn die Siegermächte verweigerten Lenins Regime die Anerkennung.

Bereits Adolf Hitler schrieb zu dieser völligen Entstellung der Geschichte durch eine angebliche Vergleichbarkeit des Friedens von Brest-Litowsk mit dem späteren Versailler Schandwerk in seinem Buch „Mein Kampf“:

„Das war der Grund, weshalb ich schon nach meinem ersten Vortrag über den ‚Friedensvertrag von Versailles‘, den ich noch als sogenannter ‚Bildungsmensch‘ vor der Truppe gehalten hatte, den Vortrag insofern änderte, als ich nunmehr über die ‚Friedensverträge von Brest-Litowsk und Versailles‘ sprach. Denn ich konnte schon nach kürzester Zeit, ja schon im Verlauf der Aussprache über diesen meinen ersten Vortrag, feststellen, daß die Leute über den Friedensvertrag von Brest-Litowsk in Wirklichkeit gar nichts wußten, daß es aber der geschickten Propaganda ihrer Parteien gelungen war, gerade diesen Vertrag als einen der schändlichsten Vergewaltigungsakte der Welt hinzustellen. Der Beharrlichkeit, mit welcher der breiten Masse diese Lüge immer wieder vorgetragen wurde, war es zuzuschreiben, daß Millionen von Deutschen im Friedensvertrag von Versailles nur mehr eine gerechte Vergeltung für das zu Brest-Litowsk von uns begangene Verbrechen sahen, somit jeden wirklichen Kampf gegen Versailles als Unrecht empfanden und in manches Mal ehrlichster, sittlicher Entrüstung verblieben. Und dies war auch mit die Ursache, weshalb sich das ebenso unverschämte wie ungeheuerliche Wort ‚Wiedergutmachung‘ in Deutschland einzubürgern vermochte. Diese verlogenste Heuchelei erschien Millionen unserer verhetzten Volksgenossen wirklich als Vollzug einer höheren Gerechtigkeit. Entsetzlich, aber es war so. Den besten Beweis dafür lieferte der Erfolg der nun von mir eingeleiteten Propaganda gegen den Friedensvertrag von Versailles, der ich eine Aufklärung über den Vertrag von Brest-Litowsk vorausschickte. Ich stellte die beiden Friedensverträge gegeneinander, verglich sie Punkt für Punkt, zeigte die in Wirklichkeit geradezu grenzenlose Humanität des einen Vertrages im Gegensatz zur unmenschlichen Grausamkeit des zweiten, und das Ergebnis war ein durchschlagendes.“[8]

Selbst der nun wahrlich nicht parteiische Lenin urteilte über die Unsinnigkeit eines Vergleiches zwischen dem Versailler Schanddiktat und dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk:

„Ihr wißt, daß die alliierten ImperialistenFrankreich, England, Amerika und Japan – nach der Vernichtung Deutschlands den Versailler Vertrag geschlossen haben, der jedenfalls viel brutaler ist als der berüchtigte Vertrag von Brest, der so viel Geschrei auslöste.“[9][10]

Literatur

Verweise

Fußnoten

  1. Eduard Stadtler: „Diktatur der sozialen Revolution“, S. 62 f., Kapitel 4: Der Friede von Versailles, eine Gefahr für die siegreiche Entente (PDF-Datei)
  2. vodr.net: Selbstbestimmungsrecht der Völker
  3. vgl.: Zusatzvertrag zum Friedensvertrag von Brest-Litowsk vom 3. März 1918, 6. Kapitel: Fürsorge für Rückwanderer
  4. Sebastian Haffner: Der Teufelspakt. Mannesse Verlag, Zürich 1988, ISBN 3-7175-8121-X, S. 35
  5. Leo Trotzki: Über Lenin. Material für einen Biographen, Kapitel Brest-Litowsk
  6. Diktat ohne moralisches Vernichtungsurteil, Junge Freiheit, Februar 2008
  7. vgl.: Vorkriegsgeschichte.de
  8. Adolf Hitler in: Mein Kampf, 22. Auflage 1944, S. 523/524
  9. Hermann Lutz: Verbrechervolk im Herzen Europas, Tübingen 1959, S. 88
  10. auch zitiert in: Joachim Nolywaika: Der Dreißigjährige Krieg des 20. Jahrhunderts und seine Folgen für Deutschland, Deutsche Stimme Verlag 2009, S. 57