Kleinstaaterei
Kleinstaaterei beschreibt in Deutschland die von den deutschen Siegern der Befreiungskriege kritisierte Unfähigkeit der deutschen Staaten, beim Wiener Kongreß und nach dem Siebten Koalitionskrieg die deutsche Reichsherrlichkeit wiederherzustellen und eine Schwächung der Landesfürsten zugunsten eines einigenden Reichsgedankens zu konstituieren. Das „Lied der Deutschen“ war eine inbrünstige Kritik an der deutschen Kleinstaaterei bzw. an dem „Flickenteppich Deutschland“.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Der Begriff „Kleinstaaterei“ als politisches Schlagwort geht auf den „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn zurück, der die Enttäuschung der Freiheitskämpfer gegen Napoleon zum Ausdruck brachte und, wie so viele Patrioten, persönlich darunter litt, daß die einmalige Gelegenheit zu einer alldeutschen, pangermanistischen Vereinigung aller deutschsprachigen Länder bei der Gründung des von „souveränen Fürsten“ beherrschten, und somit uneinigen, Deutschen Bundes vertan wurde. Professor Dr. Jahn begriff die Kleinstaaterei als herben Vorwurf kleinlicher und selbstsüchtiger Politik:
- „Kleinstaaterei kann sich nie zum Volksgefühl erheben [...] Nicht jeder Maulwurfshügel, Graben und Schlagbaum zeichnet eine Grenze. Das gemeinsame Vaterland reicht über die Bannmeile des Kleinstaats hinaus.“
Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
Aus 300 deutschen Staaten bestand das Heilige Römische Reich Deutscher Nation im 17. Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden 1648: unzählige Grafschaften, Fürstentümer und Herzogtümer mit 300 Landesherren, und eigentlich muß man hier noch die vielen hundert reichsunmittelbaren Ritter hinzuzählen, deren souveräne Liegenschaften sich oft nur auf ein paar Dutzend Hektar erstreckten.
Die Kleinstaaterei bedeutete Bürokratie-Chaos, politische Zerrissenheit und militärische, somit wehrhafte Uneinigkeit. Wer sich im frühen 19. Jahrhundert z. B. von Köln nach Königsberg aufmachte, mußte Geduld und Geld mitnehmen. Auf der Strecke standen 80 Zollstationen. Und dies, obwohl die Chaussee großenteils durch Preußen führte. An jeder Zollstation kam ein Kleinstaatsdiener, nahm alles unter die Lupe und kassierte die eine oder andere Gebühr. Kriege und kleinere Waffengänge gehörten zum Alltag der Kleinstaaterei.
Die Kleinstaaterei brachte zwar kulturelle Vielfalt und föderale Freiheiten, aber auch Schwäche z. B. gegen das zentralistische Frankreich (Nachfolger des Westfrankenreiches) Napoleons. Hätte Anfang des 19. Jahrhunderts Deutsche Einigkeit von Holstein bis Venedig, vom Elsaß bis Königsberg geherrscht, wäre die Expansionsgier und Tyrannei des selbsternannten Kaisers schon im Ersten Koalitionskrieg im Keim erstickt wurden. Die Franzosen hatten schon immer Angst vor einem starken Deutschland als Nachbarn und waren so daran interessiert, darauf hinzuwirken, daß dessen Kleinstaaterei beibehalten wurde.
Allerdings zeigten sich auch im Inneren des Teutschen Reiches mächtige Feinde eines geeinten Deutschlands auf, insbesondere hatte 1806 nach der Niederlegung der Reichskrone das Kaisertum Österreich keine Mühen gescheut, ein vereintes Reich zu verhindern, um den eigenen Anspruch (neben Preußen; Deutscher Dualismus) auf die Vormachtstellung (die durch die urkundliche Fälschung Privilegium Maius entstanden war) zu untermauern, der einflußreichste deutsche Staat zu sein.
Einigkeit und Recht und Freiheit
Insbesondere die Deutsche Burschenschaft (Urburschenschaft) griff den Gedanken eines vereinigten Deutschlands auf. Protagonisten dieser Ideen waren Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte und Jakob Friedrich Fries. Ein „Spiritus rector“ bzw. lenkender Geist war der Jenaer Historiker Heinrich Luden. Die Studenten forderten auf dem Wartburgfest am 18. Oktober 1817 u. a.:
- Die politische Zerrissenheit Deutschlands soll der politischen, religiösen und wirtschaftlichen Einheit weichen.
- Deutschland soll eine konstitutionelle Monarchie werden. Die Minister sollen der Volksvertretung verantwortlich sein.
- Alle Deutschen sind vor dem Gesetz gleich und haben Anspruch auf ein öffentliches Gerichtsverfahren vor Geschworenengerichten nach einem deutschen Gesetzbuch.
- Jeder Bursche muß aller Kleinstaaterei und Ausländerei, allem Kastengeist und Despotendienst abschwören.
1848 – die Revolution, die keine war
In Preußen und diversen anderen deutschen Staaten brach die Revolution 1848 aus und beendete somit die Ära der „Restauration“. Die Motive der Aufständischen waren durchaus ehrenhaft: Sie wollten die deutsche Kleinstaaterei durchbrechen und die deutschen Fürsten und Könige, nicht selten auch mit weniger friedlichen Mitteln, dazu bewegen, ein einheitliches Reich aller Deutschen zu errichten. Bei näherer Betrachtung erwiesen sich die Revolutionäre allerdings als demokratische Phantasten, die ernsthaft beabsichtigten, über ein gewähltes Parlament ohne hinreichende Machtmittel die bisherigen deutschen Strukturen durch neue zu ersetzen.
Mißbrauch des Begriffes 2016
Nach dem zunehmenden Auseinanderbrechen der Europäischen Union und der Aufweichung des Schengener Abkommens durch nationale Maßnahmen zahlreicher europäischer Länder zur Sicherung der eigenen Grenze gegen die auch von den Machthabern der BRD (willkommenskulturfördernde Einladung an fremdrassische Flüchtlinge der „Mama Merkel“) ausgelösten Asylantenflut warnen seit Februar 2016 vermehrt deutsche Umvolkungsphilister, Überfremdungsapostel, aber vor allem die kapitalistische Wirtschaftselite der BRD vor einem „Rückfall in die Kleinstaaterei“, da „nur offene Grenzen Wohlstand garantieren“.
Die Lügenpresse verbreitete diese hanebüchenen Thesen gerne weiter, allerdings wurde verschwiegen, daß die BRD vor dem Schengener Abkommen Exportweltmeister war, wie auch danach. Ebenfalls wurde ignoriert, daß der Begriff „Kleinstaaterei“ nur die egoistischen Machtbefugnisse innerhalb einer Nation beschreiben kann, aber nicht die verständliche Sehnsucht souveräner Vaterländer in einem künstlichen Wirtschaftskonstrukt wie der Europäischen Union nach Selbstbestimmung und Sicherheit. Eine Schließung und Sicherung der nationalen Grenzen ist kein „Rückfall in die Kleinstaaterei“, sondern eine Rückkehr zur legitimen Staatlichkeit und Selbständigkeit „zum Wohle des Volkes“ gegen das Verbrechen einer gleichgeschalteten Welt und der Züchtung des volkstumslosen Einheitsmenschen.