Radek, Karl

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Karl Radek, Sowjet-Propagandaleiter für Deutschland
Karl Radek (Mitte), 1932

Karl Radek, eigentlich Karol Sobelsohn (Lebensrune.png 31. Oktober 1885 in Lemberg, Galizien, damals Kaiserreich Österreich-Ungarn; Todesrune.png vermutlich 19. Mai 1939 in Werchneuralsk, Gebiet Tscheljabinsk, Sowjetunion) war ein jüdischer, kommunistischer Politiker und Journalist, der in Polen, Deutschland und der Sowjetunion agierte.

Werdegang

Der journalistisch wohl befähigste führende Bolschewist war Karl Bernhardowitsch Radek, der eigentlich Sobelsohn hieß und 1885 in Lemberg (Galizien) als Sproß einer jüdischen Familie auf die Welt kam. 1904 wurde er Sozialdemokrat.[1] Bereits frühzeitig trat er der Polnischen Sozialdemokratischen Partei bei und war 1906-1908 in der Schriftleitung des Parteiorgans „Rote Fahne“ tätig. Von 1908-1913 gehörte er dem Redaktionsstab der „Leipziger Volkszeitung“ und der „Bremer Bürgerzeitung“ an.[2]

Während des Ersten Weltkrieges lebte er in der Schweiz und in Schweden. 1914 lernte er in der Schweiz Lenin kennen und wurden dessen „liebster Verbündeter“ (Solschenizyn). Mit Lenin reiste er im „verplombten Waggon“ März 1917 durch Deutschland nach Rußland, wo er führend am bolschewistischen Umsturz beteiligt war. (→ Geschichte Rußlands)

Nach der Machtergreifung durch die Bolschewisten war er zunächst im auswärtigen Dienst tätig (Mitteleuropa-Referat im Volkskommissariat für auswärtige Angelegenheiten), ging dann wiederum zur Parteiarbeit über. 1918 und 1923 entsandte Lenin Radek-Sobelsohn nach Deutschland, um es reif für die rote Revolution zu machen. Er arbeitete damals an der Gründung und dem Aufbau der KPD maßgeblich mit. Der raffinierte Propagandist gab nationalkommunistische Parolen aus; u. a. ehrte er ausdrücklich den nationalistischen Ruhrkämpfer Albert Leo Schlageter.[3]

Später wurde Karl Radek verhaftet und im Dezember 1919 ausgewiesen. Er gehörte dann bis 1924 dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der UdSSR und dem Präsidium der Komintern an, war eine Zeitlang Rektor an der Chinesischen Universität in Moskau, wurde im Dezember 1927 wegen oppositioneller Tätigkeit aus der Partei ausgeschlossen und im Jahre 1928 nach Tobolsk verschickt. Ein Jahr später — Juli 1929 — konnte er nach Unterwerfung unter Stalins Linie und endgültiger, peinlich wirkender Absage an Trotzki und seine Ideen (während er ihn früher u. a. im Essay „Trotzki, der Organisator des Sieges“ gefeiert hatte) seine Rückkehr und Wiederaufnahme in die Partei erreichen und 1931 auch seine Rückkehr in den Redaktionsstab der „Iswestija“. Im Frühjahr 1932 nahm er an der Abrüstungskonferenz in Genf teil.[3]

Anläßlich der Säuberungsaktion Stalins gegen ehemalige Anhänger Trotzkis wurde auch Karl Radek verhaftet und Anfang Februar 1937 mit Pjatakow, Muralow, Sokolnikow, Serebrjakow und 12 anderen vor Gericht gestellt. Trotzki, der gerade Mexiko erreicht hatte, war in absentia wieder der Hauptangeklagte. Es wurde nach einer Woche fast ausschließlich Todesurteile gefällt, nur Radek und Sokolnikow kamen mit 10 Jahren Gefängnis davon. Radek wurde nach Nertschinsk in Sibirien gebracht.

Karl Radek war offensichtlich deshalb geschont worden, weil man in späteren Prozessen seine „Geständnisse“ erwartete. Radek und Pjatakow räumten damals ein, als Trotzkis „Hauptagenten“ tätig gewesen zu sein und in der Tat die beiden Säulen der Verschwörung (Trotzkis) gebildet zu haben.[3]

In Mexiko City stellte sich Trotzki damals in einem berühmt gewordenen Gegenprozeß der angeblichen Anklage und zerpflückte in einem zermürbenden Kreuzverhör die „Argumente“ seiner Gegner.[4] Ob und in wieweit Karl Radek den Erwartungen folgte war unklar. Nach J. Erickson „The Soviet High Comand“ (62) hatte er Tuchatschewski nicht belastet, während es von anderer Seite behauptet wurde. Jedenfalls wurden Marschall Tuchatschewski und 7 Sowjetgeneräle erschossen.

Welches Ende Radek nahm, schildert Solschenizyn wie folgt: „Als Anhänger Trotzkis verliert er seine politischen Posten und wird in den Ural verbannt. In den dreißiger Jahren führt er als ‚Iswestija'-Redakteur noch immer die beste Feder in der sowjetischen Presse. Er belastet die Angeklagten des Schauprozesses von 1937, wird im Rahmen der großen Säuberungen selbst zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt und stirbt im Kerker unter ungeklärten Umständen.“ [1]

Seither ist er verschollen. Nach einer unbewiesenen Angabe wurde er 1941 in Moskau gesehen, offiziellen Angaben zufolge aber am 19. Mai 1939 im Lager Werchneuralsk im Südural von einem kriminellen Mitgefangenen erschlagen. Erst in der Perestroika-Zeit wurde Radek 1988 rehabilitiert.

Jacob Toury schreibt in „Die politischen Orientierungen der Juden in Deutschland“: „Mehr als die Hälfte aller jüdischen politischen Schriftsteller (in wilhelminischer Zeit) waren Sozialisten, unter ihnen manche bedeutende Persönlichkeiten, von denen Joseph Bloch, die Brüder Adolf und Heinrich Braun, Rudolf Hilferding, Friedrich Stampfer, Julius Kaliski, Hans Goslar, Theodor Lessing, Alexander Parvus, Kurt Eisner, Rosa Luxemburg, Eugen Leviné, Karl Radek und Hugo Simon hervorzuheben sind.“ [1]

Karl Berngardowitsch Radek schrieb auch unter den Pseudonymen Parabellum und Struthahn.

Schriften (Auswahl)

  • Die Entwicklung des Sozialismus von der Wissenschaft zur Tat, 1919
  • Die Entwicklung der Weltrevolution und die Taktik der kommunistischen Parteien, 1920
  • Die Entwicklung der deutschen Revolution und die Aufgabe der kommunistischen Partei, 1920 (PDF-Datei)
  • Die Auswärtige Politik Sowjetrusslands, 1921
  • In den Reihen der deutschen Revolution 1909 bis 1919, 1921 (eine Sammlung von Aufsätzen aus Zeitungen und Zeitschriften)
  • Wege der russischen Revolution, 1922
  • Nach Genua und Haag, 1922
  • Lenin, sein Leben, sein Werk, 1924
  • Porträts und Pamphlete, 1927 (russisch)

Rezeption

Radeks Biografie hat in der Literatur und darstellenden Kunst eine Rezeption erfahren wie wenige andere Bolschewiki:

  • Lion Feuchtwanger war bei der Urteilsverkündung in Radeks Prozess anwesend und schrieb in seinem Reisebericht Moskau 1937 über das Lächeln, mit dem Radek den Raum verließ. Dieses Lächeln taucht seither in der Literatur über Radek immer wieder auf.
  • Arthur Koestler wurde von Radek zur Hauptfigur in dem Roman Sonnenfinsternis (1940) inspiriert.
  • Jochen Steffen hat - gemeinsam mit Adalbert Wiemers - eine Darstellung verfasst. Sie erschien unter dem Titel Auf zum letzten Verhör. Erkenntnisse des verantwortlichen Hofnarren der Revolution Karl Radek (1977).
  • Stefan Heym spiegelt die Widersprüchlichkeit der Persönlichkeit von Radek in dem biographischen, von Kritikern aber teils als idealisierend empfundene Roman Radek (1995).
  • Die Bregenzer Festspiele und die Neue Oper Wien zeigten im August 2006 die Uraufführung von Richard Dünsers Kammeroper Radek über eine der „politischen Schlüsselfiguren des 20. Jahrhunderts“.[5]

Verweise

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 David Korn: Wer ist wer im Judentum? - FZ-Verlag ISBN 3-924309-63-9
  2. Internationales Biographisches Archiv 29/1969
  3. 3,0 3,1 3,2 Munzinger-Archiv GmbH, 1969
  4. vgl. Isaac Deutscher, Trotzki, Bd. III, Der verstoßene Prophet
  5. Richard Dünsers „Radek“, auf der Netzseite des ORF.