Reichsacht
Die Reichsacht (lat. bannum imperii, auch Acht, von althochdt. âhta = „Verfolgung“, Verb ächten; auch: Bann, proscriptio, Verfestung) bezeichnet eine durch den Deutschen König oder Kaiser vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit (hier unter Mitwirkung der deutschen Kurfürsten und Reichsgerichte, später noch der Reichsstände) verhängte Schutz- und Rechtlosigkeit einer Person oder auch einer gesamten Stadt.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung
Die Reichsacht und des „Reichs Oberacht“[1], die der Kaiser selbst aussprach, waren dadurch gekennzeichnet, daß ihre Folgen sich über das ganze Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) erstreckten, und daß sie selbst mächtige Fürsten und Große trafen. Die Grundsätze der deutschen Rechtsbücher über die Reichsacht sind später zwar durch eine Reihe von Reichsgesetzen bestätigt und weiter ausgeführt, sowie auch mit mancherlei Modifikationen noch bis in die spätere Zeit von den Femegerichten festgehalten worden, doch mußte die Institution mit dem, was sich daran knüpfte, in der Neueren Geschichte dann dem modernen Staatsbegriff weichen.
Die Reichsgesetzgebung hat sich noch bis zum 18. Jahrhundert mit der Reichsacht beschäftigt, und erst mit der Wahlkapitulation Karls VI. (1711) kam ein langjähriger Kompetenzstreit in Bezug auf die Reichsacht zum Austrag. Während bis dahin zuweilen der Kaiser, zuweilen aber auch der Kaiser und die Kurfürsten die Reichsacht ausgesprochen hatten, mußte sich nunmehr der Kaiser verpflichten, zu jeder Reichsacht vorher die Genehmigung der Stände einzuholen. Seitdem konnte auch keine Reichsacht mehr in Vollzug gesetzt werden. Unter den früheren Fällen von Ächtungen sind hervorzuheben: die des Herzogs Heinrich von Bayern (976), Heinrichs des Löwen (1180), des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach (1208), Luthers (1521), des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen (1540) und des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz mit seinen Bundesgenossen (1621).
Die letzten eigentlichen Achtserklärungen waren 1706 die gegen den Kurfürsten von Bayern und dessen Bruder, den Kurfürsten von Köln, welche auch nach dem 1702 gegen Frankreich erklärten Reichskrieg von der Verbindung zu dieser Macht nicht abgelassen hatten. Die Reichsacht gegen Friedrich den Großen (1758) scheiterte an dem Widerspruch der Reichsstände.
Personen, die mit der Reichsacht belegt wurden
Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die mit der Reichsacht belegt wurden, zählen:
- 1180 Heinrich der Löwe wegen seiner mehrmaligen Weigerung, auf den Reichstagen von Kaiser Friedrich I. Barbarossa zu erscheinen, wo über ihn Gericht gehalten werden sollte
- 1208 Otto VIII. von Wittelsbach wegen der Ermordung König Philipps von Schwaben
- 1225 Graf Friedrich von Isenberg wegen des Totschlags seines Onkels Engelbert II. von Berg, Erzbischof von Köln
- 1235 König Heinrich VII. auf Grund der Empörung gegen seinen Vater Kaiser Friedrich II.
- 1504 Rup(p)recht von der Pfalz wegen Ungehorsams gegen königliche Gebote und Landfriedensbruchs, zusammen mit seiner Ehefrau und wegen Beihilfe Graf Wilhelm von Hennebergs.
- 1512 und 1518 Götz von Berlichingen erst wegen Räuberei, dann wegen erpresserischen Menschenraubs
- 1521 Martin Luther und seine Anhänger im Wormser Edikt wegen Ketzerei und Kirchenspaltung
- 1546 Fürst Johann Friedrich I. von Sachsen und Landgraf Philipp I. von Hessen im Zuge der Auseinandersetzung um den Schmalkaldischen Bund[2]
- 1566 Wilhelm von Grumbach wegen Landfriedensbruchs und anschließend Johann Friedrich II. wegen dessen Unterstützung Grumbachs.
- 1614 Vinzenz Fettmilch im Zuge des von ihm angeführten Zunftaufstands in Frankfurt
- 1621 Friedrich V. von der Pfalz
- sowie Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg,
- Christian I. von Anhalt-Bernburg
- und Georg Friedrich von Hohenlohe-Neuenstein-Weikersheim wegen der Erhebung Friedrichs zum König von Böhmen (siehe Abbildung)
- 1637 Wilhelm V. von Hessen-Kassel durch Kaiser Ferdinand II. (1636) und seinen Sohn Kaiser Ferdinand III. (publiziert 1637)
- 1647 Johann von Werth (Jan von Werth) durch Kurfürst Maximilian I.
- 1706 Max II. Emanuel, Kurfürst von Bayern, und sein Bruder, der Kölner Kurfürst Joseph Clemens
- 1793 Georg Forster wegen seiner Zusammenarbeit mit der französischen Revolutionsregierung aufgrund eines Dekrets Kaiser Franz’ II.
Reichsacht gegen Städte
Die Reichsacht konnte auch gegen Städte verhängt werden. Einige bekannte Beispiele sind:
- 1163 Mainz – Nach der Ermordung des Erzbischofs Arnold von Selenhofen durch die Stadtbürger im Jahre 1160 wurde auf dem Mainzer Reichstag 1163 die Reichsacht über die Stadt verhängt.[3]
- 1504 - 1512 Göttingen - Nachdem die Göttinger ihm die Huldigung verweigerten, erwirkte Herzog Erich I. bei Kaiser Maximilian I. die Reichsacht.
- 1607 Donauwörth – Nachdem die Bürger der Stadt Donauwörth den Religionsfrieden gebrochen hatten, wurde von Kaiser Rudolf II. die Reichsacht gegen die Stadt verhängt, welche bis 1609 bestehen blieb. Dies war einer der Auslöser des Dreißigjährigen Krieges.
- 1652 Bremen – Nachdem sich die Stadt weigerte, den 1623 erwirkten Elsflether Weserzoll zu bezahlen, belegte Kaiser Ferdinand III. Bremen mit der Reichsacht, welche durch den Schluß des Regensburger Vergleichs 1653 wieder aufgehoben wurde.
Siehe auch
Verweise
- Bann und Reichsacht - Martin Luther und die Reformation
- Neue Schrift zur Donauwörther Reichsacht (Augsburger Allgemeine)