Schmidt, Paul (1899)

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SS-Sturmbannführer Dr. Paul Schmidt, 2. November 1938

Paul Otto Gustav Schmidt[1] (Lebensrune.png 23. Juni 1899 in Berlin; Todesrune.png 21. April 1970 in Gmund in Oberbayern) war ein deutscher Germanist, von 1924 bis 1945 Chefdolmetscher im Auswärtigen Amt, Offizier der SS und ab 1935 persönlicher Dolmetscher Adolf Hitlers.

Leben

Hermann Göring mit General Joseph Vuillemin, rechts Dr. Paul Otto Schmidt, hinten Hauptmann der Reserve Dr. Erich Gritzbach, 18. August 1938
Hitler empfängt den japanischen Außenminister Matsuoka Yōsuke in der Reichskanzlei am 28. März 1941; im Hintergrund Hermann Göring, Mitte Chefdolmetscher Dr. Schmidt.
Dr. Paul Schmidt am 28.3.1941 als Dolmetscher bei einem Besuch des japanischen Außenministers Matsuoka Yosuke.jpg
V. l. n. r.: Marshal Antonescu, Dr. Paul Schmidt, Hitler, Generalfeldmarschall Keitel (hinter dem Führer), Oberstleutnant Eckhard Christian und Generaloberst Halder, Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ am 11. Februar 1942
Adolf Hitler und Ion Antonescu auf Schloß Kleßheim am 12. April 1943, in der Mitte Chefdolmetscher Paul Schmidt

Paul Schmidt war der Sohn des Eisenbahnsekretärs Gustav Schmidt. Er besuchte die Siemens-Oberrealschule in Charlottenburg und machte 1917 das „Kriegsabitur“.[2] 1917/18 nahm Schmidt als Soldat und Maschinengewehrschütze am Ersten Weltkrieg teil und wurde an der Westfront verwundet.

Danach studierte er Germanistik sowie neuere Sprachen in Berlin und arbeitete gleichzeitig für eine VS-amerikanische Zeitungsagentur. Ab 1921 nahm er an Dolmetscherkursen des Auswärtigen Amts (AA) zur Ausbildung von Konferenzdolmetschern teil, bei denen er sich bereits durch seine herausragende Gedächtnisleistung hervortat. Im Juli 1923 nahm Paul Schmidt – noch während der Examensvorbereitungen – den ersten Auftrag vom Fremdsprachendienst des AA als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter der Reichsregierung an, und zwar am Ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag, noch im selben Jahr wurde er zum Dr. phil. promoviert.

Nach einem Sprachstudium in Berlin war Schmidt kurz im Fremdsprachenamt der Reichsregierung tätig. Nach den Universitätsexamina 1924 jedoch arbeitete er als Dolmetscher im Auswärtigen Amt. Unter Gustav Stresemann stieg Schmidt bis zum Chefdolmetscher und Hauptprotokollant auf (Protokollant war ab 1938 Walther Hewel), eine Funktion, die er selbst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten bis 1945 bekleidete.

Er war in dieser Rolle u. a. Übersetzter Hitlers Unterredung mit David Lloyd George (→ I talked to Hitler) und war beteiligt an den Verträgen von Locarno, der Münchener Konferenz sowie am britisch-deutschen Freundschaftsvertrag und nahm auch an vielen weiteren wichtigen internationalen Konferenzen teil.

„Neben dem unerbittlichen Walten dieser moralischen Gesetze im Leben der Völker ist mir noch ein zweites während dieses Vierteljahrhunderts in den Konferenzsälen deutlich vor Augen getreten: die unwiderstehliche Macht der Wirtschaftsgesetze. [...] In dem Maße, wie die Völker und ihre politischen Führer in kurzsichtigem Egoismus von den Empfehlungen der unsentimentalen Wirtschaftssachverständigen abwichen und sich aus gefühlsmäßigen und politischen Gründen über die in unserem Zeitalter der Technik und des Verkehrs immer ausschlaggebender werdenden Gesetze des wirtschaftlichen Zusammenlebens hinwegsetzen, trieben sie die verelendeten Massen in die Arme der Fanatiker [...]“[3]

Schmidt weist in seinen Memoiren darauf hin, daß Hitler nach seinem Sieg über Frankreich vier große Enttäuschungen erlebte:

  • Franco und Marschall Pétain ließen sich nicht dafür gewinnen, ein Bündnis gegen England einzugehen.
  • Ribbentrop scheiterte bei dem Versuch, dem spanischen Außenminister nachträglich durch Druck den Deutschen passendere Bedingungen aufzudrängen.
  • Mussolini stellte ihn mit seinem Feldzug gegen Griechenland vor vollendete Tatsachen.
  • Das Ergebnis der Gespräche mit Molotow war negativ und führte letztendlich zum Unternehmen „Barbarossa“. Auf die vagen Angebote Hitlers forderte Molotow so konkrete Zusagen zur freien Hand in Finnland und zu freiem Zugang zur Nordsee – und viele andere – ein, daß Hitler den drohenden Fliegeralarm (Bomberangriff der Royal Air Force) zum Anlaß nahm, das Gespräch abzubrechen.

Dienststellen

Weitere wichtige Stationen seiner Karriere waren:

  • 1933: Legationssekretär
  • 1935: Legationsrat
  • 1938: Gesandter und Vortragender Legationsrat (VLR)
  • 1940: Ministerialdirigent, Gesandter I. Klasse, Leiter des Ministerbüros und SS-Standartenführer
    • Dolmetscher u. a. auf der Münchner Konferenz 1938, bei Gesprächen zwischen Hitler und Chamberlain, bei Unterzeichnung des Waffenstillstands mit Frankreich 1940

Zum 1. Januar 1942 trat Schmidt in die NSDAP ein.[4]

Verratsvorwürfe

Dr. Schmidt soll in engem Kontakt zu den Verschwörern Theo und Erich Kordt gestanden haben und sie, wenn auch unwissentlich, mit Nachrichten aus der Reichskanzlei beliefert haben. Allerdings beruht diese Mutmaßung einzig und allein auf der nicht belegten Aussage von Erich Kordt in der Nachkriegszeit, der sich selbst zum Widerstandskämpfer hochstilisierte:

„Seit Sommer 1933 hing, laut Pg. Erich Kordt, ‚die Wirksamkeit eines oppositionellen Kreises in Deutschland davon ab, daß man über Pläne und Absichten der Nazi-Regierung informiert blieb‘. Kordt informierte die Leute, die ‚wegen ihrer Stellung einen Beitrag zur Bekämpfung des Regimes leisten konnten‘. Hauptnachrichtenquelle war angeblich Dolmetscher Paul Otto Schmidt, der ‚grundsätzlich‘ Kordts Ziele billigte, aber ‚in Details gar nicht eingeweiht‘ sein wollte. Der ‚Statist auf diplomatischer Bühne‘ avanciert durch Kordt zu einem ‚Statisten des Widerstands‘.“[5]

Nachkriegszeit

Im Mai 1945 wurde Schmidt durch die Amerikaner inhaftiert. Im Nürnberger Siegertribunal mußte er aussagen, u. a. für die Verteidigung von Joachim von Ribbentrop. 1948 wurde er aus der Internierung entlassen und 1950 durch Entscheid der Spruchkammer in Miesbach als „Entlasteter“ eingestuft.

Paul Schmidt war ab dem Wintersemester 1952/53 Rektor des Sprachen- und Dolmetscher-Instituts (SDI) in München. Bei der Bundestagswahl 1953 kandidierte er für die rechtskonservative Deutsche Partei, verfehlte jedoch knapp den Einzug in den BRD-Bundestag. 1967 verzichtete er aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur.

„Dr. Paul Schmidt mußte nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches den Auswärtigen Dienst verlassen und sah seine Tätigkeit am Institut zunächst wohl nur als Übergangslösung bis zu seiner erhofften Wiedereinstellung im Auswärtigen Amt. Er blieb aber fast 15 Jahre (1952 – 1967) Rektor und hat vor allem durch seine phänomenale Fertigkeit im Dolmetschen und durch seine außergewöhnlichen didaktischen Fähigkeiten dem Institut seine wesentliche Prägung als eine der führenden Ausbildungsstätten für Konferenzdolmetscher gegeben. Noch heute stellt die Post Briefe zu, die an die ‚Schmidt Schule‘ in München adressiert sind.“ — Heinz Graf in der Festschrift zur 40-Jahr-Feier des Sprachen & Dolmetscher Instituts München e. V.[6]

Familie

Dr. Schmidt heiratete 1925, sein Sohn wurde 1926 geboren.

Auszeichnungen (Auszug)

Schriften

  • Statist auf diplomatischer Bühne 1923–1945. Erlebnisse des Chefdolmetschers im Auswärtigen Amt mit den Staatsmännern Europas. Von Stresemann und Briand bis Hitler, Chamberlain und Molotow, Athenäum, Bonn 1949
  • Der Statist auf der Galerie 1945–50 – Erlebnisse, Kommentare, Vergleiche, Athenäum, Bonn 1951
  • Sprachen lernen – warum? und wie?, Athenäum, Bonn 1954

Siehe auch

Fußnoten

  1. Laut SDI-Direktorengalerie und Akten des Nürnberger Siegertribunals Paul Otto ohne Bindestrich.
  2. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 4: S. Bearbeiter: Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger Schöningh, Paderborn u. a. 2012, S. 116.
  3. Paul Schmidt: Statist auf diplomatischer Bühne, S. 586 f
  4. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 4: S. Bearbeiter: Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger Schöningh, Paderborn u. a. 2012, S. 116
  5. KORDT – Seele des Widerstandes, Der Spiegel, 29. November 1950
  6. Direktorengalerie