Schwinge, Erich
Erich Schwinge ( 15. Januar 1903 in Jena; 30. April 1994 in Marburg) war ein deutscher Jurist. Er wurde 1931 Professor für Rechtswissenschaften und verfaßte den in der Zeit des Nationalsozialismus maßgebenden Gesetzeskommentar zum NS-Militärrecht, nach dem zehntausende Todesurteile gefällt und vollstreckt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er bald erneut Rechtsprofessor und war einer der wichtigsten Gutachter der Verteidigung in NS-Prozessen. Er gab 1977 ein Standardwerk zur Wehrmachtsjustiz im Dritten Reich heraus, das diese als „antinationalsozialistische Enklave der Rechtsstaatlichkeit“ beschrieb. Damit hatte er großen Einfluß auf die BRD-Rechtsprechung.
Inhaltsverzeichnis
Nach 1945
1945 geriet Schwinge in Kriegsgefangenschaft. Seine Schriften Soldatischer Gehorsam und Verantwortung (Elwert, Marburg 1939), Die Entwicklung der Manneszucht in der deutschen, britischen und französischen Wehrmacht seit 1914 (Schweitzer, Berlin 1941) und Militärstrafgesetzbuch (Junker u. Dünnhaupt, Berlin 1943) setzte man in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur.
Schwinge wurde nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft aus Österreich ausgewiesen, seine Professur an der Universität Wien wurde beendet. Er wurde jedoch 1948 an die Universität Marburg als Professor berufen und amtierte dort zwanzig Jahre lang als Dekan der juristischen Fakultät, 1954/1955 auch als Rektor der Universität. Neben seiner Tätigkeit vertrat Schwinge in etwa 150 Strafprozessen ehemalige Angehörige der Wehrmacht und der Waffen-SS.
Politisch betätigte er sich in der FDP und war zeitweise Mitglied des Landesvorstandes seiner Partei in Hessen und Bundestagskandidat.
Schwinge hatte mit seinem Werk Praxis des Revisionsrechts (1960) Einfluß auf die Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland.
In seinem 1979 erschienenen Buch „Bilanz der Kriegsgeneration – Ein Beitrag zur Geschichte unserer Zeit“ kritisiert Schwinge die ab 1965 verstärkte und mit der amerikanischen Fernsehserie „The Holocaust“ 1978 zusätzlich intensivierte Auseinandersetzung mit einem Aspekt deutscher Geschichte als eine durch massiven finanziellen Werbeeinsatz generell gegen das deutsche Volk gerichtete „Holocaust-Kampagne“, welche die deutschen juristischen und finanziellen Anstrengungen zur Aufarbeitung und Wiedergutmachung ignoriere und das deutsche Volk in einer Kollektivschuld sehe.[1] Seine kritische Beleuchtung von Churchill und Roosevelt in Churchill und Roosevelt aus kontinentaleuropäischer Sicht von 1982 brachte Schwinge lobende Rezensionen von Forschern wie Dietrich Aigner und von geschichtsrevisionistischer Seite ein, z. B. in der Zeitschrift Soldat und Volk oder der Neuen Zeitschrift für Wehrrecht.
In der Nachkriegszeit widmete er sich der Geschichte der Militärgerichtsbarkeit im Zweiten Weltkrieg, zu deren Richtern er ja selbst gehört hatte. So verfaßte er mit Otto Schweling das erste umfassende und lange als Standardwerk betrachtete Buch zu dem Thema. Er legte dar, daß die Härte der deutschen Militärstrafgerichtsbarkeit gerechtfertigt gewesen sei, um die Moral in der Truppe aufrechtzuerhalten. Die Militärgerichtsbarkeit sei weitgehend unabhängig gewesen und habe sich im Rahmen des Rechtes bewegt. Auch auf Seiten der Alliierten bestand eine vergleichbare Gerichtsbarkeit, die mit ähnlicher Härte verfuhr. Die Urteile der Militärgerichte seien nach allem als rechtmäßig anzuerkennen. Diese Thesen waren lange herrschende Ansicht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgte dieser These lange, gab diese Rechtsprechung mit einem Urteil vom 11. September 1991 ausdrücklich auf und nimmt seither an, die Urteile der Militärgerichtsbarkeit seien Unrecht gewesen.
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Beruf des Juristen [Über Maximen, die den Rechtsanwender in der deutschen Rechtsordnung leiten sollen]
- Militärstrafgesetzbuch. Erläutert durch Erich Schwinge. 374 Seiten, Junker und Dünnhaupt, Berlin 1936. Gesamttitel: Kommentare zum deutschen Reichsrecht – Bd. 1. 1939 erschien eine zweite neubearbeitete Auflage mit 448 Seiten, 1940 eine 3. neubearbeitete Auflage mit 488 Seiten, 1940 eine unbearbeitete 4. Auflage mit einem Nachtrag (509 Seiten)
- Militärstrafgesetzbuch nebst Kriegssonderstrafrechtsverordnung war der Titel der 5. neubearbeiteten Auflage des Militärstrafgesetzbuches, ebenfalls Junker und Dünnhaupt, Berlin 1943, mit 446 Seiten
- Irrationalismus und Ganzheitsbetrachtung in der deutschen Rechtswissenschaft. Röhrscheid, Bonn 1968
- Soldatischer Gehorsam und Verantwortung. 2. Auflage, Elwert'sche Verlagsbuchhandlung, Marburg 1939. Reihentitel: Marburger Universitätsreden, Nr. 1
- Die Entwicklung der Manneszucht in der deutschen, britischen und französischen Wehrmacht seit 1914. Schweitzer Verlag, Berlin 1940. Es erschienen mehrere Auflagen.
- Erich Schwinge, Otto Schweling: Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus. Marburg 1977, ISBN 3-7708-0590-9; 2. Auflage: Elwert-Verlag, Marburg 1978, ISBN 3-7708-0619-0
- Bilanz der Kriegsgeneration, Elwert, Marburg 1979, (14. Auflage 1988) (Klappentext und Inhaltsverzeichnis)
- Machtmißbrauch der Massenmedien. Die Ohnmacht des Bürgers, Hohenrain (Klappentext und Inhaltsverzeichnis)
- Verfälschung und Wahrheit. Das Bild der Wehrmachtsgerichtsbarkeit, Hohenrain (Klappentext und Inhaltsverzeichnis)
Als Mitherausgeber:
- Erinnerungsgabe für Max Grünhut (1893–1964). Hrsg. von Hilde Kaufmann, Erich Schwinge u. Hans Welzel u. a., Elwert, Marburg 1965. Nebentitel: Max Grünhut. Mit Bibliographie M. Grünhut (S. 231–235)